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Mercator Awards

Preisgekrönte Nachwuchsforschung

Drei Nachwuchsforschende erhalten für ihre herausragenden Projekte den diesjährigen Mercator Award: Die Religionswissenschaftlerin Barbara Zeugin, der Zellbiologe Federico Teloni und die Rechtsanwältin Alessia Dedual. Zusätzlich erhält der theoretische Physiker Frank Schindler einen Sonderpreis der Jury.
Nathalie Huber

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Religionswissenschaftlerin Barbara Zeugin erforschte, wie eine nicht-kirchliche, aber dennoch religiöse Sterbebegleitung praktiziert wird.


Wenn das Lebensende naht, sind nicht nur die Sterbenden selbst, sondern auch Angehörige und betreuende Fachpersonen besonders herausgefordert. Die moderne Palliative Care integriert auch spirituelle Aspekte, so genannte Spiritual Care. In der Schweiz wird sie häufig von kirchlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern übernommen. Allerdings gehören heute immer weniger Menschen einer Kirche an, alternativ-religiöse Praktiken wie etwa die Meditation erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Wie sich der Wandel des religiösen und spirituellen Umgangs mit dem Lebensende auswirkt, ist Ausgangspunkt Barbara Zeugins Dissertation. Die Religionswissenschaftlerin erforschte, wie eine nicht-kirchliche, aber dennoch religiöse Sterbebegleitung konkret aussieht. Ihre qualitativ-sozialwissenschaftliche Forschung basierte auf teilnehmender Beobachtung und zahlreichen Interviews mit Patientinnen und Patienten sowie dem Fachpersonal eines Hospizes und eines anthroposophisch-medizinischen Spitals. Sie zeigte auf, dass die alternativ-religiöse Begleitung weit über das gängige Verständnis von Spiritual Care hinausgeht.

Therapeutinnen und Therapeuten unterstützen etwa mit Physio- und Atemtherapie oder mit rhythmischer Massage das «Loslassen» der Sterbenden physisch und metaphysisch. Da körperorientierte Therapien häufig nur einen impliziten religiösen Bezug haben, sind sie für verschiedenste Weltbilder anschlussfähig. «Da die Mehrheit der alternativ-religiösen Praktiken körperorientiert ist, fehlt es der alternativen Sterbebegleitung an einer gesprächsorientierten religiösen Begleitung», bilanziert Barbara Zeugin.

Für ihre Arbeit wird die Religionswissenschaftlerin mit dem Mercator Award im Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften ausgezeichnet.

 

Zellbiologe Federico Teloni entdeckte eine Reihe krebsrelevanter Gene.

 

Mutationen im Genom einer Zelle können Krankheiten wie Krebs auslösen. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie normal funktionierende Zellen zu Krebszellen mutieren können. Gegen 500 Krebsgene, die ein unkontrolliertes Zellwachstum begünstigen, sind inzwischen bekannt. Doch ihre biologische Funktion ist noch unzureichend erklärt, und man weiss wenig darüber, wie sie dazu beitragen, dass Krebszellen überleben. Dieser Frage ging Federico Teloni in seiner Dissertation erfolgreich nach. Mithilfe der quantitativen Hochdurchsatzmikroskopie beobachtete der Zellbiologe, wie einzelne Zellen mit DNA-Schäden umgehen.

«Ich konnte eine Reihe krebsrelevanter Gene identifizieren, die die Belastbarkeit der DNA-Replikation beeinflussen und die vielleicht einmal als Biomarker für die zukünftige präklinische und klinische Krebsforschung dienen könnten», erklärt Teloni. Darüber hinaus entdeckte der Nachwuchsforscher einen neuartigen Mechanismus, der einen spezifischen Replikationsstress erzeugt, welcher zu DNA-Schäden in Krebszellen führt.

Federico Teloni war während seiner vierjährigen Zeit als PhD-Student massgeblich an mehreren erfolgreichen internationalen Forschungskooperationen beteiligt. Die Ergebnisse seiner mit dem Mercator Award für den Bereich Medizin und Naturwissenschaften ausgezeichneten Forschung wurden in der renommierten Zeitschrift Molecular Cell publiziert.

 

Rechtsanwältin Alessia Dedual zeigt, dass herkömmliche Rechtsfolgen nicht ausreichen, um die Verfasser von AGB zur Gesetzestreue anzuhalten.

Rechtsfolgen missbräuchlicher AGB

Der Mercator Award im Bereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften geht an Alessia Dedual. Ihre Forschungsarbeit befasste sich mit einem alltäglichen Problem: dem Kleingedruckten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). In unserem Alltag begegnen wir ihm ständig – etwa bei der Eröffnung eines Bankkontos oder beim Abschluss eines Handyabonnements. Selbst Juristinnen und Juristen unterzeichnen solche Verträge zuweilen, ohne das Kleingedruckte zu berücksichtigen.

Weil sie wissen, dass Allgemeinen Geschäftsbedingungen oft nicht gelesen werden, lassen sich Verfasserinnen und Verfasser manchmal dazu verführen, den Vertragsinhalt zu ihren Gunsten auszugestalten. Die Prüfung solch missbräuchlicher Geschäftsbedingungen obliegt Gerichten. In ihrer Dissertation untersuchte Alessia Dedual die korrekte Rechtsfolge im Umgang mit AGB. Vom Bundesgericht gab es bislang keinen Entscheid dazu.

Wie Rechtsanwältin Dedual anhand einer ökonomischen Analyse aufzeigte, reichen die herkömmlichen Rechtsfolgen nicht aus, um die Verfasser von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Gesetzestreue anzuhalten. «Die AGB müssten daher eigentlich bereits gerichtlich geprüft sein, wenn sie auf den Markt gelangen. Nur so können sie von Kundenseite – auch ohne Kenntnis des Kleingedruckten – unbesorgt akzeptiert werden», erklärt Alessia Dedual. Ihre Dissertation «Geltungserhaltende Reduktion» wurde im Verlag Mohr Siebeck veröffentlicht.

 

Der theoretische Physiker Frank Schindler konnte elementares Bismut als topologischen Isolator nachweisen.

Sonderpreis der Jury

Die Jury zeichnet den Doktoranden Frank Schindler mit einem Sonderpreis aus. Frank Schindlers wissenschaftliche Arbeiten haben in kürzester Zeit ein neues Feld in der theoretischen Physik geprägt.

Der Nachwuchswissenschaftler erforschte mit Hilfe von Mathematik und Quantenphysik Kristalle mit interessanten Eigenschaften. Im theoretischen Modell konnte er eine neue Art von Materialien nachweisen, die nicht an den Oberflächen, sondern an den Kristallkanten Strom leiten können, sogenannte topologische Isolatoren höherer Ordnung. Diese sind besonders interessant, weil die elektronisch leitenden Kanten äusserst robust sind: Verunreinigungen oder Unordnung im Kristall halten den Elektronenfluss nicht auf, der Strom kann widerstandslos geleitet werden. Diese Eigenschaft der widerstandslosen Leitfähigkeit lässt sich bei den bis anhin bekannten topologischen Isolatoren mit leitenden Oberflächen nicht finden. 

In einer Reihe von Arbeiten, die in renommierten Fachmagazinen publiziert wurden, prognostizierte der theoretische Physiker, dass diese topologischen Materialien auch in der Natur existieren. Es handelt sich um elementares Bismut: «Auf der Basis von analytischen Rechnungen und Computersimulationen konnten wir das Material Bismut als topologischen Isolator höherer Ordnung identifizieren», erklärt Frank Schindler. In Zusammenarbeit mit zwei Forschergruppen aus Princeton und Paris gelang die experimentelle Bestätigung seiner Ergebnisse.

Im Zusammenhang mit topologischen Materialien ergeben sich aufregende Möglichkeiten: Topologische Isolatoren könnten als Hardware für elektronische Geräte mit sogenannter Post-Silizium-Technologie genutzt werden. Darüber hinaus könnten topologische Isolatoren für einen zukünftigen Quantencomputer eingesetzt werden – gemeinsam mit supraleitenden und magnetischen Elementen.

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