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Mehr Markt für den Euro

An einem öffentlichen Vortrag deckte UZH-Professor Kjell G. Nyborg verborgene und beunruhigende Aspekte der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank EZB auf – und machte Vorschläge für eine Verbesserung im Euro-Raum.
Fabio Schönholzer
Professor Kjell G. Nyborg an der UZH-Veranstaltung.
Professor Kjell G. Nyborg an der UZH-Veranstaltung.

«Die Euro-Krise ist wohl eine der grössten politischen und wirtschaftliche Krisen», hält Professor Kjell G. Nyborg, Vize-Direktor am Institut für Banking und Finance UZH, fest. Der Euro sei ein komplexes und krisengeplagtes System, welches mit einer einzelnen Zentralbank zahlreiche verschiedene Länder tangiere. Darum sei es wichtig, die Grundlagen des europäischen Geldsystems zu verstehen. «Denn die Probleme der Euro-Zone beeinflussen den Rest der Welt», so Nyborg. Anhand prägnanter Beispiele und harter Fakten kritisierte Nyborg darum die Geldpolitik der EZB: «Marktkräfte und Marktdisziplin sind heute im Kern des Euro-Systems wenig ausgeprägt», zieht er Bilanz. «Das führt zu einem Vakuum, das von anderen Kräften wie der Politik oder Rating-Agenturen aufgefüllt wird.»

Einfluss auf den Rest der Welt

In seiner Forschung und seinem neuen Buch «Collateral Frameworks – The Open Secret of Central Banks» fokussiert Nyborg besonders auf den sogenannten «Besicherungsrahmen» der europäischen Zentralbank. Dieser definiert, welche Sicherheiten wie beispielsweise Wertpapiere die EZB für die Ausschüttung von Notenbankgeld an Geschäftsbanken akzeptiert. «Der Besicherungsrahmen wird zwar täglich eingesetzt, doch er ist sehr komplex und schwierig zu verstehen», erklärt Nyborg. Oftmals werde er auch vergessen - Wissenschaft und Öffentlichkeit konzentrieren sich weiterhin primär auf die Zinspolitik. Doch für Nyborg ist der Besicherungsrahmen ein elementarer Bestandteil der Geldpolitik: «Das Geld- und das Finanzsystem ist auf ihm aufgebaut.»

Wie das Geld fliesst

Die sogenannten Repo-Geschäfte gehören zu den wichtigsten Mitteln der EZB, um Gelder in den Euro-Raum einfliessen zu lassen. «Zentralbanken liefern Geld, Banken bieten dafür Sicherheiten», fasst Nyborg das Grundprinzip der Geschäfte zusammen. Bedingung: Die Sicherheiten müssen «notenbankfähig» sein, und daher durch eine Notenbank gekauft oder refinanziert werden können.

Die Menge an Zentralbankgeld, die eine Bank für die Einlage einer Sicherheit abzüglich einer Marge erhält, ist der sogenannte Besicherungswert. Je risikoreicher eine Einlage, beispielsweise ein Wertpapier, desto grösser fällt der Abschlag aus. Da jedoch viele dieser Sicherheiten nicht auf dem Markt gehandelt werden, besteht für sie kein greifbarer Marktpreis. Entsprechend bestimmen Zentralbanken diesen Wert oftmals über theoretische Modelle oder Rating-Agenturen, statt Angebot und Nachfrage zu berücksichtigen.

«Die Zentralbanken zeigen Ihre Macht: Sie bestimmen den Preis des Zentralbankgelds, den Wert der zugrundeliegenden Sicherheiten und die durch die Banken zu zahlenden Margen», bilanziert Nyborg. Darauf könne der Markt nur sehr begrenzt Einfluss nehmen.

Doch der Markt reagiere auf die Zentralbanken: Werden im Besicherungsrahmen besonders illiquide Sicherheiten wie Immobilien durch günstige Margen bevorzugt, werden diese bevorzugten Sicherheiten vermehrt durch Banken und andere Wirtschaftsteilnehmer produziert. Nyborg erklärt das an einem Beispiel: «Wenn Zentralbankgeld nur gegen Iglus oder Iglu-gesicherte Wertpapiere verfügbar ist, dann werden Iglus gebaut.» Dies könne beispielsweise Einfluss auf die Bildung einer Immobilienblase haben.

An Bedürfnissen angepasst

Die Besicherungspolitik der EZB entspreche dabei oft den Bedürfnissen verschiedener Banken und Staaten in Europa und stütze – oder rette –  diese so indirekt. Dies geschehe, indem das Eurosystem illiquide und risikoreiche Sicherheiten bevorzuge. Auch werde der Einfluss der Politik auf das Finanzsystem verstärkt, indem Sicherheiten beispielsweise durch staatliche Garantien gedeckt werden. Die Motivation dahinter: Die Krise zu bekämpfen und den Euro zu bewahren.

Nach Nyborg sollten Marktkräften und Marktdisziplin im Besicherungsrahmen der EZB ein grösserer Stellenwert beigemessen werden. Das würde das Finanzsystem stabiler machen und es politischem Einfluss oder Fehlern von Entscheidungsträgern weniger aussetzen.