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Forschungsförderung der EU

Was auf dem Spiel steht

Die Schweizer Hochschulen, darunter auch die UZH, profitieren stark von der EU-Forschungsförderung, wie die Bilanz des 7. Forschungsrahmenprogramms zeigt. Die definitive Teilnahme der Schweiz an Horizon 2020 ist daher ein wichtiges Ziel. Doch die Zeit, die für die Aushandlung eines entsprechenden Abkommens bleibt, wird knapp.
David Werner

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Vernetzter Kontinent: Die europäischen Forschungsrahmenprogramme bringen der Schweiz grosse Vorteile. (Bild: Wikipedia) 

Forscherinnen und Forscher in der Schweiz sind beim Einwerben von EU-Förderungsmitteln sehr erfolgreich. Das zeigt die Bilanz, die das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm der EU gezogen hat. Das kompetitive Vergabesystem der EU bringt den Forscherinnen und Forschern in der Schweiz offenkundig grosse Vorteile.

Das 7. Forschungsrahmenprogramm (kurz FRP 7) war das Vorgängerprogramm von Horizon 2020 und erstreckte sich über sieben Jahre (2007 bis 2013). Die Schweiz war als vollassoziiertes Land daran beteiligt, das heisst: Forschende in der Schweiz hatten Zugang zu allen Programmteilen.

Dem Gesamtbetrag von 2263,1 Millionen Franken, den der Bund im Rahmen des FRP 7 der EU überwies, standen Projektmittel in der Höhe von insgesamt 2482,1 Millionen Franken gegenüber, die von Brüssel in die Schweiz zurückflossen. Der Nettorückfluss in die Schweiz betrug damit 219 Millionen Franken.

Von den Finanzmitteln, die im FR 7 verteilt wurden, kamen 4,2 Prozent der Schweiz zugute, damit stand die Schweiz hinsichtlich der zugesprochenen Gelder auf dem 7. Platz unter den europäischen Ländern.

Von insgesamt 4269 Projekten, an denen die Schweizer Forschung partizipierte, entfielen 960 auf die Universitäten,  1305 auf den ETH-Bereich, 171 auf die Fachhochschulen und der Rest auf Unternehmen, den Bund, die Kantone und Gemeinden sowie auf Non-Profit-Organisationen.

185,7 Millionen Franken für die UZH

Die Universität Zürich konnte stark vom 7. Europäischen Forschungsrahmenprogramm profitieren. Ein knappes Viertel aller universitären Projektbeteiligungen (236 von 960) in der Schweiz entfielen auf die UZH. Zudem erhielt die UZH über ein Viertel der EU-Förderungsmittel,  die an Schweizer Universitäten vergeben wurden (185,7 Millionen CHF von 695,3 Millionen CHF). Nur die Universität Genf erhielt mit 186,2 Millionen Franken noch etwas mehr EU-Gelder als die UZH.

Die Grundlagenforschung profitierte

Innerhalb der Forschungsrahmenprogramme der EU sind die Grants des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) für die Universitäten besonders wichtig, weil sie speziell auf die Grundlagenforschung ausgerichtet und nach dem Bottom-up-Prinzip organisiert sind: ERC Grants werden für Projekte vergeben, die von den Forschenden inhaltlich selbst definiert wurden. Zudem sind die ERC Grants im Vergleich zu anderen Forschungsförderungs-Instrumenten der EU besonders hoch dotiert.

Mittlerweile schreibt der Europäische Forschungsrat drei Arten von Grants aus: Starting Grants (Basis-Förderungssumme von 1,5 Millionen Euro), Advanced Grants (Basis-Förderungssumme 2,5 Millionen Euro) und Consolidator Grants (Basis-Förderungssumme von 2,0 Millionen Euro). Letztere wurden erstmals 2013 vergeben.

Forschende der UZH warben im 7. FRP insgesamt 33 ERC Grants ein, 3 weitere mit einem ERC-Grant geförderte Projekte wurden an die UZH transferiert, nachdem sie anderswo beantragt worden waren. Damit kam jeder zehnte der insgesamt 364 «Schweizer» ERC Grants im 7. FRP direkt der UZH zugute. Die Gesamtsumme der 17 Starting Grants, 3 Consolidator Grants und 16 Advanced Grants, die an für UZH-Forschende vergeben wurden, betrug rund 60 Millionen Euro.

Das Land mit der höchsten Erfolgsquote

Die ERC Grants haben sich in kurzer Zeit zu ausgesprochen prestigeträchtigen und entsprechend begehrten Förderinstrumenten entwickelt. Das Auswahlverfahren des Europäischen Forschungsrates ist hart. Nur 11 Prozent der Eingaben im 7. FRP erhielten einen Zuschlag.

Verglichen mit diesem EU-Mittelwert sticht im 7. Forschungsrahmenprogramm die Erfolgsquote der Projekteingaben von Forschenden aus der Schweiz hervor: Sie beträgt 23,8 Prozent und liegt somit mehr als doppelt so hoch wie der europäische Durschnitt. Die Schweiz stand mit dieser Erfolgsquote an der Spitze aller beteiligten Länder.

Die wissenschaftliche Qualität ist das einzige Kriterium bei der Vergabe von ERC Grants, deshalb ist die hohe Erfolgsquote ein verlässliches Indiz für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wissenschaft.

Ein Magnet für Forschende aus aller Welt

Eine weitere auffällige Zahl im Schlussbericht des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) zum 7. Forschungsrahmenprogramm betrifft die Herkunft der Forschenden. Fast drei Viertel (74 Prozent) der Forschenden in der Schweiz, die mit einem ERC Grant ausgezeichnet wurden, sind ausländischer Nationalität. Das ist selbst angesichts des ohnehin schon beachtlichen Internationalisierungsgrades der Schweizer Universitäten ein sehr hoher Wert.

«Die Schweiz ist eine privilegierte Destination von Forschenden, die ein ERC-Stipendium erhalten haben» – so kommentiert das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation diese Zahl. Der Wissenschaftsplatz Schweiz zieht – nicht zuletzt dank der Forschungsförderung der EU – überdurchschnittlich viele herausragende ausländische Forschende an.

Zeitweilig ausgeschlossen

War die Schweiz im 7. Forschungsrahmenprogramm noch vollassoziiertes Mitglied, so ist sie beim seit 2014 laufenden Nachfolgeprogramm Horizon 2020 derzeit nur teilassoziiert. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 wurde die Teilnahme der Schweiz an Horizon  2020 für einige Monate sistiert. Schweizer Forschungsinstitutionen und ihre Mitglieder waren in dieser Zeit von den ersten beiden Ausschreibungen für ERC-Stipendien komplett  ausgeschlossen. Ersatzweise schrieb der Schweizerische Nationalfonds SNF-Grants aus. Acht der insgesamt 27 SNF-Starting-Grants und  vier der insgesamt 21 SNF-Consilidator-Grants gingen in dieser Zwischenphase an die UZH.

Im Spätsommer 2014 kam es zu einer vorläufigen Teilassoziierung der Schweiz an Horizon 2020. Bis Ende 2016 ist die Schweiz am sogenannten ersten Pfeiler von Horizon 2020 («Wissenschaftsexzellenz») und an Euratom assoziiert. Für den zweiten («führende Rolle der Industrie») und den dritten Pfeiler («gesellschaftliche Herausforderungen») gilt die Schweiz jedoch als Drittstaat, das heisst: Schweizer Forschende können sich an den betreffenden Koordinationsprojekten zwar beteiligen, erhalten aber keine Finanzierung aus der EU.

Rückläufige Schweizer Beteiligung

Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) veröffentlichte in seinem Abschluss-Bericht zum 7. FRP im Januar 2016 auch erste Daten zur Programmgeneration Horizon 2020 (2014-2020). Diese sind jedoch von begrenzter Aussagekraft, da Horizon 2020 erst vor kurzer Zeit angelaufen ist. Es zeichnet sich jedoch gemäss SBFI ab, dass seit der Lancierung von  Horizon  2020  die Schweizer  Beteiligung an den EU-Forschungsrahmenprogrammen erstmals  rückläufig ist.

Die deutlichsten Indikatoren dafür sind der Rückgang der Schweizer Beteiligungen von 3,2 Prozent der gesamten Beteiligungen im 7. FRP auf bisher 1,8 Prozent sowie  die Verminderung der Beiträge  an Schweizer  Forschungsinstitutionen von  4,2 Prozent  auf  2,2 Prozent aller in Horizon 2020 bisher verpflichteten Beiträge im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 15. Juli 2015.

Die rückläufige Beteiligung hat gemäss SBFI drei Gründe:

- Erstens die vorübergehende Sistierung der Schweizer Beteiligung an Horizon 2020 in den Monaten nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative.

- Zweitens der Umstand, dass bis heute gewisse Teile des Rahmenprogramms für  Schweizer Forschungsinstitutionen nicht zugänglich sind.

- Und drittens die hohe Unsicherheit in Bezug auf die zukünftige Teilnahmeberechtigung von Schweizer Partnern in den verschiedenen  Programmbereichen von Horizon 2020.

Die finanziellen Konsequenzen und  vor  allem  auch  die  wissenschaftlichen Auswirkungen dieser Entwicklungen seien, so das SBFI,  derzeit  noch schwierig abschätzbar.

Nach wie vor wettbewerbsfähig

Die Zahlen, die das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation zu Horizon 2020 vorlegt, zeigen aber auch, dass die Erfolgsquote der  Projektvorschläge mit Schweizer  Beteiligung im internationalen Vergleich immer noch  hervorragend ist. Der Rückgang  der Schweizer  Beteiligungen in Horizon  2020, schreibt das SBFI, könne also «nicht durch  eine geringere  Qualität bei den Forschungsanträgen erklärt  werden». Der Forschungsstandort Schweiz zähle nach wie vor «zu den wettbewerbsfähigsten in Europa».  

Die UZH konnte sich gemäss der Informations- und Beratungsstelle EU Grants Access im Rahmen von Horizon 2020 bisher an 67 Projekten beteiligen. Fünf dieser Projekte werden von der UZH aus koordiniert. UZH-Forschende warben im Rahmen von Horizon 2020 bisher drei ERC Advanced Grants, fünf ERC-Consolidator Grants und drei ERC Starting Grants ein.

Die Zeit drängt

Das Forschungsrahmenprogramm der EU ist nach dem Schweizerischen Nationalfonds das wichtigste öffentliche Forschungsförderungsinstrument in der Schweiz. Die Teilassoziierung der Schweiz an Horizon 2020, welche die Schweiz mit der EU nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative ausgehandelt hat, ist aber nur provisorisch und dauert noch bis Ende 2016.

Es bleibt also nicht mehr viel Zeit, um die definitive und volle Teilnahme der Schweiz an den europäischen Austausch- und Forschungsprogrammen sicherzustellen. Für den Bildungs- und Forschungsstandort Schweiz steht dabei viel auf dem Spiel. Der Zugang der Schweizer Hochschulen zu den europäischen Austausch- und Forschungsprogrammen sei «grundlegend, um den Schweizer Hochschulen die besten Köpfe und die wichtigsten europäischen Forschungsförderungsinstrumente in einem heftig konkurrierenden Umfeld sichern zu können», schreiben die Schweizer Hochschulrektorinnen und -rektoren in ihrem « Manifest für eine Schweiz im Zentrum der Europäischen Bildungs- und Forschungslandschaft», das am 8. Februar veröffentlicht wurde.

«Die Schweizer Hochschulen», sagt UZH-Rektor und swissuniversities-Präsident Michael Hengartner, «dürfen nichts unversucht lassen, den Verantwortlichen in der Schweiz und in der EU klar zu machen, wieviel beide Seiten bei einem Ausscheiden der Schweizer Forschungsinstitutionen aus Horizon 2020 zu verlieren hätten». Hengartner war zu diesem Zweck dieses Jahr bereits am WEF in Davos und in Brüssel. Im April wird er nochmals nach Brüssel fahren. Seiner Einschätzung nach sind die Chancen, dass es noch zu einer Einigung kommt, intakt. «Die Politik in der Schweiz», sagt er, «hat erkannt, was auf dem Spiel steht. Und die EU hat grosses Interesse an der Zusammenarbeit mit den innovationsstarken Schweizer Hochschulen.»