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Transactions

Karl Marx und die Fairtrade-Banane

Die Philosophin Elena Lange und der Künstler Haseeb Ahmed haben sich zusammengetan, um Fetischen von heute nachzuspüren. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist in der Ausstellung «Transactions» im Lichthof der UZH zu sehen.
Claudio Zemp
Fetish – No Fetish
Die Philosophin Elena Lange und der Künstler Haseeb Ahmed stellen in der Installation «Fetish/Non Fetish» die bürgerlichen Vorstellungen von Fetischen auf den Kopf.

Marxismus hat meistens nichts mit Marx zu tun. Diesen Punkt hatte der legendäre Philosoph persönlich bereits zu seinen Lebzeiten klargestellt. Die Japanologin Elena Lange zitiert gerne solche Anekdoten. Die Kennerin schätzt auch die spöttische Seite des grossen Denkers: «Marx hatte eine sehr lose Zunge.» Dass man Marx als Philosophen aber ernst nehmen muss, darüber bestehen keine Zweifel, sagt die Forscherin des Asien-Orient-Instituts AOI: «Um den Kapitalismus zu verstehen, gibt es bis heute keine Alternative zu Marx.»

Klischees im Schrein

Für ihren Beitrag zur Ausstellung «Transactions» arbeitete Lange mit dem Künstler Haseeb Ahmed zusammen. Die beiden kennen sich schon länger. Sie habe sich sehr gefreut auf die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Künstler, sagt Lange: «Wir wurden beide in einem ähnlichen politischen Milieu sozialisiert, er in Chicago und ich in Hamburg.»

In ihrem Beitrag setzten sich die beiden mit Marx’ Begriff des Warenfetisches auseinander. In seinem Hauptwerk «Das Kapital» kritisiert Marx den quasireligiösen Umgang mit Dingen. Waren, Geld oder Kapital werden in der bürgerlichen Gesellschaft als «Fetische» vergöttert. Den Waren wird im Kapitalismus ein Wert für sich zugeschrieben, als Produkte der Arbeit. Und dieser Widerspruch setzt sich auch in der heutigen Gesellschaft fort, so Lange: «Es geht letztlich um die Produktion von Profit, und nicht um die realen Bedürfnisse der Menschen.»

Marx und Manifesta

Ahmed und Lange stellen den Fetischen in Schubladen «Non-Fetish» gegenüber. Objekte, die mehr dem kleinbürgerlichen, oberflächlichen Klischee des Fetisch entsprechen: Nippes, Sexspielzeug oder versponnene Sammelobjekte. Die Grenzen zwischen Fetisch und Non-Fetisch sind mitunter fliessend. Aus den Assoziationen mit Dingen der Warenwelt und Begriffen der Philosophie ergeben sich erfrischende Kombinationen. So wird etwa dem historischen Denker Martin Heidegger eine Fairtrade-Banane zugeteilt, mit der er erst einmal überfordert ist. Und was würde Marx wohl zu Max Havelaar sagen? Oder zur Manifesta 11?

Lange und Ahmed stellen auch Kunstveranstaltungen in Frage, schliesslich ist die Kunst Kommerz und wird zum Fetisch. Den inneren Widerspruch der Ausbeutung von Arbeit zur Produktion von Profit hält Lange für nicht überwindbar: «An diesem Prinzip hat sich seit Marx’ Analyse nichts verändert. Und wir können uns ihm nicht entziehen.» Die Ausbeutung und Verelendung der Menschen habe Ausmasse angenommen, die sich selbst Marx nicht hätte denken können. Lange erwähnt die Computerproduktion in Asien, sie sieht aber auch Formen der Verelendung im akademischen Umfeld Europas.

Obacht, Shoppingschreck

Immerhin ist der Kapitalismus im hier und jetzt nicht so totalitär, dass es keine Inseln der Reflexion mehr gäbe. Mit «Fetish/Non-Fetish» nehmen Lange und Ahmed aber den oberflächlichen Konsumismus aufs Korn. Fairtrade-Verpackungen  oder Bio-Labels erscheinen als eine Form von Kapitalismuskosmetik. Diese Etiketten stünden nur scheinbar für eine gerechtere Verteilung von Reichtum. Im Grunde seien sie ein Selling Point der bestehenden Ordnung, sagt Lange: «Es geht uns darum, Mechanismen zu visualisieren, die dem Kapitalismus ein menschliches Antlitz geben sollen.»

Nachhaltigkeit im Kapitalismus hält die Forscherin aber ebenso für eine Illusion wie dessen Abschaffung. Selbstironisch laden die Schubladen von «Fetish/Non-Fetish» zu einer philosophischen Peepshow ein. Adorno würde vielleicht von «Guckkastenmetaphysik» sprechen. Das Publikum ist eingeladen, um ein paar Ecken zu denken. Und die Mitbürgerinnen und Mitbürger sollen bitte nicht erschrecken, falls im Migros-Sack plötzlich eine Marx-Medaille zum Vorschein kommt.

Weiterführende Informationen

Changing Money – Money for Change

Gespräch mit Marianthe Stavridou (Wirtschaftsethikerin, CCRS UZH), Katharina Serafimova (Expertin für Umwelt und Finanzen), Haseeb Ahmed (Künstler, Brüssel / Zürich), moderiert von Olivia Bosshart (KION Zürich).

Hauptgebäude der Universität, Künstlergasse 12, Senatszimmer (KOL-E-13)

Sonntag, 19.Juni, 17 – 18.30 Uhr