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Podiumsgespräch

Grüne Bewegung unter der Smog-Glocke

Verschmutzte Gewässer und ungesunde Luft in den Grossstädten: Umweltprobleme in Asien werden auch in europäischen Medien immer wieder thematisiert. Ein Podiumsgespräch mit namhaften Asien-Forschenden widmete sich den Herausforderungen des Umweltschutzes in Ländern wie China.
Roman Benz
«Die chinesische Führung kann nicht auf Wachstum verzichten»: Historiker Prasenjit Duara. (Bild: zVg)

Diskussionen über Umweltprobleme werden oft aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive geführt. Welchen Beitrag können aber die Geistes- und Sozialwissenschaften leisten? Dieser Frage widmete sich das Podiumsgespräch «Umweltprobleme in Asien: Politische, ökonomische und kulturelle Perspektiven» Mitte Mai im Cabaret Voltaire. Die Diskussion fand im Rahmen eines Workshops des Asien-Orient-Instituts und des Universitären Forschungsschwerpunktes Asien und Europa der UZH statt.

Symbolischer Umweltschutz

Nach den einführenden Worten von UZH-Professorin Andrea Riemenschnitter eröffnete der Historiker Prasenjit Duara von der National University of Singapore die Diskussion mit einem Blick auf die politische Dimension von Umweltproblemen. Er wies darauf hin, dass Länder oftmals nicht dazu bereit seien, bei der Einführung von höheren Umweltschutzstandards voranzugehen. Die USA und China täten sich in dieser Hinsicht besonders schwer. Zumindest auf der symbolischen Ebene erkennt Duara allerdings erste Erfolge. So haben sich die USA und China im vergangenen November erstmals auf verbindliche Grenzen für den CO2-Ausstoss ihrer Länder geeinigt.

Duara wies auf die zunehmende Bedeutung ökologischer Bewegungen in China hin. So stieg die Zahl der Nichtregierungsorganisationen im Umweltbereich zwischen 2005 und 2013 von 3000 auf über 8000. Dennoch könne die chinesische Führung nicht auf Wachstum verzichten, da wirtschaftliche Stagnation die Gefahr landesweiter Unruhen materiell unzufriedener Bevölkerungskreise vergrössere und damit die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei in Gefahr bringe.

Die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik und der Sinologe und Religionswissenschaftler Kenneth Dean. (Bild: zVg)

Umweltschutz statt Demokratie

Die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik von der Universität Wien sprach den grünen Bewegungen in China ebenfalls eine grosse Bedeutung zu. Selbst in den Führungskreisen von Staat und Partei geniesse der Umweltschutz ziemlich grosse Unterstützung.

Grund dafür sei eine stillschweigende Übereinkunft der chinesischen Führung mit der Mittelklasse: Solange die Wirtschaft wächst und zugleich auch der Umweltschutz Beachtung findet, profitiert der Mittelstand vom gegenwärtigen Zustand und verzichtet im Gegenzug auf eine Demokratisierung des Landes.

Für Weigelin-Schwiedrzik gerät diese Übereinkunft aufgrund der ungelösten Umweltprobleme des Landes in Gefahr. So werde der Protest der Mittelklasse beispielsweise gegen die grassierende Luftverschmutzung in den chinesischen Megastädten schärfer: «Die Mittelklasse bemerkt, dass sich die belastete Umwelt zu ihrem Hauptproblem entwickelt.» Somit gerieten Regierung und Partei zunehmend unter Druck.

Ungehörte Landbevölkerung

Auf die schwierige Lage der chinesischen Landbevölkerung wies der Sinologe und Religionswissenschaftler Kenneth Dean von der National University of Singapore hin. Anders als die Mittelklasse profitiere die Landbevölkerung kaum vom ökonomischen Wachstum des Landes. Sie leide aber ebenfalls unter Umweltproblemen, die sich beispielsweise aus der fortschreitenden Urbanisierung ihrer dörflich geprägten Lebensräume ergäben – ein Prozess, der direkt vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas vorangetrieben werde.

In der Provinz Fujian im Südosten des Landes würden sich Dorfgemeinschaften gegen die Abholzung und Bebauung bewaldeter Hügelzüge zur Wehr setzen, indem sie auf die dortigen Gräber ihrer Ahnen hinwiesen. Die Erfolgsaussicht der Proteste sind gemäss Dean aber gering: «Die Kräfte, die sich für eine massive Urbanisierung einsetzen, sind sehr stark und befinden sich im Zentrum der politischen Macht. Die Dorfgemeinschaften finden traditionellerweise kaum Gehör.»

Weigelin-Schwiedrzik unterstützte die Einschätzung von Kenneth Dean. Sie beschrieb, wie lokale Machthaber die Proteste ländlicher oder kleinstädtischer Modernisierungsverlierer bisweilen mit brutaler Gewalt niederschlagen. Ziel sei es, ein Übergreifen der Proteste auf andere Landesteile zu verhindern. «Falls dies den Verantwortlichen vor Ort nicht gelingt, droht ihnen ein Ende der politischen Karriere oder sie verlieren gar ihr Leben», so Weigelin-Schwiedrzik. Bei Protesten in den von der Mittelklasse bewohnten Gross- und Megastädten würden die Sicherheitskräfte weitaus zurückhaltender agieren.

Die Literaturwissenschaftlerin Haiyan Lee und der Politikwissenschaftler und Raumplaner Mike Douglass. (Bild: zVg)

Mit Literatur zur Natur

Welchen Beitrag können die Geistes- und Sozialwissenschaften leisten, um zur Lösung der Umweltprobleme beizutragen? Die Literaturwissenschaftlerin Haiyan Lee von der Stanford University beantwortete diese Frage mit dem Hinweis auf einen der Gründungstexte der Umweltbewegung: Der US-Forstwissenschaftler und Ökologe Aldo Leopold vertrat 1949 in seinem Aufsatz «The Land Ethic» die Ansicht, dass Naturschutz nicht allein auf die intellektuelle Einsicht in seine Notwendigkeit, sondern auch auf eine emotionale Verbundenheit mit der Natur angewiesen sei.

So hätten Wildblumen und Singvögel keinen ökonomischen Wert, dennoch verdiente ihre Schönheit Respekt. «Literatur verleiht Wildblumen und Singvögeln eine Stimme», gab Haiyan Lee zu bedenken. Literatur trage so dazu bei, unser Verhältnis zur Natur zu verändern.

Die Wichtigkeit, Emotionen anzusprechen, unterstrich auch der Politikwissenschaftler und Raumplaner Mike Douglass von der National University of Singapore. Um ein breiteres Publikum auf aktuelle Umweltprobleme hinzuweisen, organisiert er unter anderem Filmfestivals. Der Sinologe Kenneth Dean ging noch einen Schritt weiter, indem er von den Universitäten nicht nur eine Vermittlerrolle zwischen Umweltaktivisten und Öffentlichkeit, sondern «die Entwicklung ästhetischer und ethischer Antworten auf die gegenwärtige Umweltkrise» forderte.

Interdisziplinäre Zeitschriften gesucht

Weigelin-Schwiedrzik betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit von Geistes- und Sozialwissenschaften auf der einen und Naturwissenschaften auf der anderen Seite. Auf diese Weise könnten ganzheitlichere Ansätze zur Lösung globaler Probleme entwickelt werden. Es gelte jedoch, zunächst die Vorurteile zwischen den akademischen Disziplinen abzubauen und das gegenseitige Verständnis zu fördern.

Aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten dauere es anfangs länger, um etwa gemeinsame  wissenschaftliche Artikel zu verfassen. Für deren Publikation seien zudem noch neue Gefässe nötig: «Wenn Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaftler gemeinsam einen Artikel veröffentlichen wollen, bleibt ihnen der Zugang zu den meisten etablierten Zeitschriften verwehrt.» Erste Gründungen von entsprechenden Zeitschriften wie «Anthropocene» geben jedoch Grund zur Hoffnung.