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Sprachenzentrum

Deutsch lernen im Turbo-Tempo

Das Sprachenzentrum der Universität und der ETH Zürich hat zur besseren Integration von Doktorierenden aus dem Ausland einen neuen Deutschkurs entwickelt: Neun Monate praxisorientierter Intensivunterricht. Die Erfolge der ersten Absolventinnen und Absolventen können sich hören lassen.  
Alice Werner

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Eifrig bei der Sache (von links): Dennis Samuylov aus Russland, Helen Parker aus England und Abhinav Kumar aus Indien. (Bild: Frank Brüderli)

Nicole Sani-Kast aus Israel hält ein Kurzreferat über den Gangesgavial, «ein Krokodil mit 25 Zähnen oben und 26 unten». Abhinav Kumar aus Indien hat einen Vortrag vorbereitet über die «Unterschiede zwischen der netten Milchschlange und der teuflischen Korallenschlange». Xuan Wang aus China spricht über «die lustige Erfahrungen, wenn man reist».

Wenn die alte Sprachschüler-Weisheit stimmt, dass Deutsch verstehen viel leichter ist als Deutsch sprechen, dann bewältigen die Kursteilnehmenden heute die ultimative Herausforderung: ein frei vorgetragenes Referat.

Dass keinem der Sprachschülerinnen und –schüler aus China, Indien, Kanada, Spanien, Armenien, Israel, Äthiopien, Brasilien, Honduras, Italien, England, Russland und dem Libanon während ihrer Rede der Angstschweiss in die Augen rinnt, liegt sicherlich auch an der spürbar solidarischen Atmosphäre im Klassenzimmer. Keiner lacht, wenn dem Referierenden die deutsche Syntax im Mund zerbröselt, niemand schaut verstohlen auf die Uhr, wenn der Kollege zum dritten Mal mit demselben Satz beginnt.

Melanie Kutz, die die Unterrichtslektion leitet, freut sich, dass ihre Schülerinnen und Schüler die Furcht vor der deutschen Sprache, ihre Hemmung und Befangenheit, sich auf unbekanntes Sprachterrain zu begeben, längst abgelegt haben. Abhinav Kumar, PhD-Student an der UZH, erklärt die soziale Stimmung im Kurs so: «Wir sind die Turbos.» Das klingt identitätsstiftend, nach einer eingeschworenen Gemeinschaft – und es klingt auch ein bisschen stolz.

Von null auf Sprachlevel B1

Die Turbos, das sind 21 ausländische Doktorierende und Post-Docs der Universität und der ETH Zürich, die sich für ein neues Kursangebot des gemeinsamen Sprachenzentrums beider Hochschulen angemeldet haben: «DaF Turbo». Von null auf Sprachlevel B1 innerhalb von neun Monaten – das ist das hochgesteckte Ziel. Das Lerntempo ist tatsächlich turbomässig: Mit regulären (Einzel-)Sprachkursen würde man im Schnitt die dreifache Menge Zeit für das angestrebte Sprachniveau benötigen.

Ueli Bachmann, Fachschaftsleiter Deutsch als Fremdsprache, hat das Pilotprojekt mitkonzipiert: «Das Programm richtet sich an PhD-Kandidatinnen und Kandidaten, die gerade ihre Anstellung an der Universität oder der ETH Zürich angetreten haben, über keine Deutschkenntnisse verfügen, sich aber möglichst schnell am Arbeitsplatz, im Büro, im Labor und auch im sozialen Leben in der neuen Fremdsprache verständigen wollen.»

Dass solch ehrgeizige Lernziele bei gleichzeitig knapp bemessenem Zeitbudget nur mit besonders intensivem Unterricht erreicht werden können, war Bachmann und seinem Team klar.

Also entwickelten sie ein für ihre Zielgruppe massgeschneidertes Kursmodell, das sich stark an der Lebenswirklichkeit der Doktorierenden orientiert: Welches Vokabular, welche Sprachkenntnisse benötigen sie, um am Arbeitsplatz akademischen Small Talk zu führen, sich mit Kolleginnen und Kollegen zu verständigen? Mit welchen typischen Situationen im Hochschulbetrieb werden sie konfrontiert? Wie können sie professionelle Kontakte knüpfen innerhalb ihres Fachbereichs, ihrer Hochschule, innerhalb der Zürcher Wissenschafts-Community? Und: Wie können sie sich als Nicht-Muttersprachler aktiv in ein deutschsprachiges Umfeld integrieren, beruflich und privat?

Integration von ausländischen Forschenden

Soziale Integration, egal in welchem Kontext, bedarf häufig der Förderung und Unterstützung – auch die Integration von ausländischen Forschenden. Universität und ETH Zürich haben jeweils eigene Massnahmenpakete geschnürt, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland in ihre Gemeinschaft einzubeziehen: Beratungs- und Betreuungsangebote, Mentoringprogramme, soziale Begrüssungsanlässe, Netzwerkveranstaltungen. Auch der neue DaF-Turbo-Kurs ist Teil des an den Zürcher Hochschulen strategisch hoch angesiedelten Programms zur Nachwuchsförderung und Integration ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die erste DaF-Turbo-Gruppe hat den Kurs Ende Mai – nach 232 Unterrichtsstunden und mehr als 120 Selbstlernstunden – mit grossem Erfolg abgeschlossen: Keiner der Teilnehmenden ist im Laufe des Jahres abgesprungen, alle haben die Kursziele erreicht, viele wollen jetzt weiterlernen. Auf Bitte einiger besonders Motivierter organisiert das Sprachenzentrum in den Sommermonaten nun sogar einen Anschlusskurs – natürlich wieder im Turbo-Tempo.

Sprachkenntnisse in einer Bar getestet

Auch für die beiden Dozentinnen Melanie Kutz und Petra Blöchlinger hat sich das neu entwickelte Unterrichtskonzept bewährt, das stark auf handlungsorientiertes Lernen setzt: auf die praktische Anwendung der gelernten Vokabeln und Grammatikregeln, auf Präsentationen, Interaktion, Spiele, Teamwork, kurz: auf die positive Dynamik, die sich innerhalb einer Gruppe entwickeln kann. Es sei erstaunlich, berichten sie im Gespräch, wie motivierend ein gemeinsames Ziel wirken könne, «und zwar für alle Beteiligten, auch für uns».

Der Ehrgeiz, Deutsch so schnell und so gut wie möglich zu lernen, hat die 21 Sprachschüler während der letzten neun Monate zusammengeschweisst: Die Besseren helfen den Schwächeren – und von der Symbiose profitiert dann die ganze Klasse.

Bleibt eine letzte Frage, Stichwort Integration: Hat denn der Kurs auch dazu beigetragen, die neue Wahlheimat besser zu verstehen, mit Schweizern in Kontakt zu kommen, Freundschaften zu schliessen? Denis Samuylov aus Russland, der am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich arbeitet, nickt. Die Kurslektion zum Thema «Komplimente machen» hat er erst neulich in einer Bar getestet. Er grinst und sagt: «Hat funktioniert.»

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