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Olympische Spiele

Unsere Frauen in Sotchi

Laura und Sara Benz studieren an der UZH Medizin und Jura. Momentan kämpfen die Zwillingsschwestern im olympischen Eishockey-Turnier um eine Medaille für die Schweiz.
Alice Werner

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Profispielerinnen auf dem Eis: Laura und Sara Benz kämpfen in Sotschi im Fraueneishockey-Team.

November 2013: In der Kunsteisbahn Oerlikon trifft sich an diesem Sonntagvormittag alles, was schon oder noch auf Schlittschuhen stehen kann: Kleinkinder auf Rutscherli, Familien, Senioren und Grosis, Quartierbewohner, Freizeitläufer, Sportler, Eiskunstläuferinnen, Hockeygoalies, Hobbychnebler.

Unter ihnen auch die Zwillingsschwestern Laura und Sara Benz, Profispielerinnen beim Zürcher Eishockeyclub ZSC Lions Frauen, dem einzigen Schweizer Club, der eis­hockeybegeisterte Mädchen und Frauen von der Anfänger- bis zur Elitestufe gezielt fördert. Laura ist Verteidigerin, Sara Stürmerin.

Seit ihrem vierten Lebensjahr stehen sie Seite an Seite auf Kufen. «Unsere Eltern haben uns zuerst zum Eiskunstlauf geschickt. Viel lieber wollten wir aber so eine tolle Ausrüstung tragen wie unser Eishockey spielender Bruder.» Mit ihren breiten Schulterprotektoren und den vergitterten Vollvisieren machen die beiden tatsächlich ordentlich was her.

Elite am Puck

Beeindrucken wollen sie aber vor allem durch Leistung: Heute findet die erste Meisterschaftsrunde in der höchsten Frauenliga statt. Und die Löwinnen – zum dritten Mal Schweizer Meister und Vize-Europameister 2012 – sind erpicht darauf, ihren Favoritinnentitel gegen das Frauenteam der Université Neuchâtel, die letztjährigen Meisterschaftsvierten, mit allen Mitteln zu verteidigen. «Mir zeiged Chralle», so lautet ihr vielversprechender Slogan.

Statt Krallen zerkratzen jetzt aber erst mal scharf geschliffene ­Kufen das Eis: Aufwärmphase zu Musik. Die Profispielerinnen heizen einander mit Sprints und Pässen ein, dann pfeift der Schiedsrichter zum ersten Angriff. Fraueneishockey, so viel hat man spätestens zur Halbzeit begriffen, erlaubt wegen des Bodycheck-Verbots ein flüssiges und damit ­attraktives Spiel.

Nicht durch harte Fights und körperliche Übermacht müssen die Spielerinnen überzeugen, sondern durch ausgefeilte (Stock-)Technik und hervorragende Reaktionsfähigkeit – das macht das Match weniger ruppig, dafür trickreicher, schneller und anspruchsvoller als das der Männer. In puncto Akzeptanz des Fraueneishockeysports steht es hierzulande zwar so gut wie nie – im internationalen Vergleich aber noch lange nicht gut genug.

«Es wäre schön», sagt Laura Benz auf der Spielerbank, direkt nach dem mit 6:0 haushoch gewonnenem Spiel, «wenn unsere Leistung in der Öffentlichkeit mehr honoriert würde. Denn der persönliche Einsatz, der Trainings- und Zeitaufwand sind sehr gross.»

Aus der Vorlesung direkt aufs Eis

Dezember 2013: Im Lichthof der UZH glitzert der Weihnachtsbaum. Die Benz-Zwillinge haben sich eine Stunde in ihrem vollgepackten Terminkalender freigeschaufelt. Ein typischer Tag in Lauras Leben, die im fünften Semester Medizin studiert, sieht folgendermassen aus: von acht bis zwölf Uhr Vorlesungen, am Nachmittag Kurse in verschiedenen Abteilungen des Universitätsspitals, danach direkt zum Eishockeytraining, und das fünfmal die Woche.

Ein ähnlich straffes Zeitmanagement betreibt auch Sara. Einen kleinen Vorteil hat sie allerdings gegenüber ihrer Schwester: Im Jurastudium gibt es keine Präsenzpflicht, dafür viele Podcast-Angebote. «Diese Flexibilität im Studienalltag erleichtert mir die Vereinbarkeit mit dem Spitzensport. Ich kann mir auch mal erlauben, auszuschlafen, wenn das Training am Abend zuvor wieder mal länger gedauert hat.»

Die Universität geht vor

Doch auch sie muss den Stoff nachholen, zusätzliche Lernstunden in den engen Wochenplan quetschen, wenn es mit dem Team zu Testspielen oder Turnieren geht. Denn eins ist den Zwillingen klar: Die Universität geht vor. «Mit Eishockeyspielen, selbst auf Topniveau, kann man als Frau in der Schweiz kein Geld verdienen», sagen beide übereinstimmend. Anders ausgedrückt: «Beim Frauen-Bodycheck schauen die Sponsoren weg.» So ­titelte der «Tages-Anzeiger» anlässlich der Eis­hockey-WM der Frauen 2011 in Zürich.

Vielleicht aus Gründen der mangelnden öffentlichen Anerkennung, in jedem Fall aber aus Begeisterung für den Eissport überlegten Laura und Sara nach der Matura zunächst, in Übersee zu studieren. Das notwendige Stipendium für ein US-College hatten sie bereits in der Tasche.

Für ihren Sport wäre das «eine Riesensache» gewesen: ­Fraueneishockey geniesst in Nordamerika hohes Ansehen. Zwei Argumente sprachen schliesslich aber dagegen: Die talentierten Schweizerinnen, die beide seit 2008 im Kader der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft stehen, hätten sich für vier Jahre verpflichten müssen. Und noch wichtiger: «Die universitäre Ausbildung ist in der Schweiz einfach gut.»

Januar 2014: Am Telefon klingt Laura glücklich, aber auch erschöpft. Sie steckt mitten in der Prüfungsvorbereitung. «Bei den letzten Qualifikationsturnieren mit der Nationalmannschaft», erzählt sie während einer Lernpause, «waren meine Schwester und ich schon sehr nervös.» Jetzt, endlich, haben die Zwillinge erfahren, dass sie es – nach Vancouver 2010 – erneut ins Olympiateam geschafft haben: Sie dürfen mit nach Sotschi fahren.

Das offizielle Ziel lautet: die Medaillenspiele erreichen. Dafür müssen am ­ heutigen 12. Februar erst mal die starken Finninnen geschlagen werden. «Aber wenn alle im Team zusammenhalten, haben wir eine reale Chance», so Laura optimistisch. «Wir müssen einfach schnell sein – auf dem Eis, aber auch im Kopf.» Das mache Eishockey übrigens zur coolsten Sportart der Welt, sagt sie noch, bevor sie sich wieder in ihre Vorlesungsskripte vergräbt.

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