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Kulturökonomie und Museen

Eintrittspreise nach Mass

Ein Museumsbesuch ist wie «die Katze im Sack kaufen». Wir bezahlen Eintritt, ohne zu wissen, was es uns bringt. Kulturökonom Lasse Steiner schreibt eine Dissertation mit einem komplett anderen Ansatz: Museen sollen nicht Eintritts-, sondern Austrittspreise erheben – «wie in einem Parkhaus». Unterstützt wird er dabei vom Forschungskredit der Universität Zürich.
Lena Serck-Hanssen

Es ist 14 Uhr. Ich stehe vor dem Museum, drücke auf einen Knopf und erhalte ein Ticket. Jetzt bin ich in der Ausstellung, und die Zeit läuft. Noch habe ich nichts bezahlt. Das mache ich erst am Schluss – abhängig davon, wie sehr mir die Ausstellung gefallen hat oder wie lange ich dort war. Tönt gewöhnungsbedürftig, oder? Nicht für Lasse Steiner.

Museumsbesuch: Manchmal hat man eine Ausstellung schnell gesehen.

Steiners Fachgebiet ist die Kulturökonomie, die sich mit ökonomischen Fragestellungen von Kultureinrichtungen wie Theater, Oper oder Museen befasst. Seine Doktorarbeit umfasst mehrere Teilprojekte. Eines davon geht der Frage nach, wie Museen ihre Preise festsetzen. Einige Museen sind für die Besucher frei zugänglich, manche setzen auf Spenden. Andere erheben einen Eintrittspreis, der je nach Ausstellung oder Besuchertyp wie Kinder, Studierende oder Senioren abgestuft ist.

Preise wie im Parkhaus

Steiner prüft nun, ob man nicht auch Austrittspreise erheben könnte, die sich nach der im Museum verbrachten Zeit richten. «Solche Austrittspreise wären ähnlich wie diejenigen im Parkhaus», erklärt Steiner. Die Idee dahinter beruht auf der Tatsache, dass ein Museumsbesuch ein Erfahrungsgut ist, der Besucher also im voraus nicht genau weiss, was er für seinen Eintrittspreis erhält. Dies wird ihm erst im Laufe des Besuchs klar.

Ein zeitabhängiger Austrittspreis würde dem Besucher erlauben, den Preis genau seinem Nutzen anzupassen. Für Leute mit schmalem Budget würde so auch die Eintrittsschwelle ins Museum gesenkt. Doch was bringt ein solcher Austrittspreis den Museumsbetreibern? Steiner: «Bei fixen Eintrittspreisen sind viele Besucher geneigt, den mitunter hohen Preis durch sehr lange Aufenthaltszeiten auszunützen.» Die Folge: Stau vor und im Museum. Unangenehm für die Besucher und lästig für die Museumsbetreiber, da ihnen so weitere Einnahmen entgehen.

Lasse Steiner, Kulturökonom: «Ein Feldversuch
wird zeigen, ob gestaffelte Austrittspreise sinnvoll sind.»

Alles spricht also für ein alternatives Preissetzungssystem. Alles? Zweifel sind durchaus angebracht. Kann ich in Ruhe die Bilder von Cézanne, Matisse, Picasso & Co. bestaunen, wenn ich gleichzeitig die Uhr ticken fühle? Kann ich Kunst wirklich geniessen, wenn jede Toilettenpause und jeder spontane Schwatz mit anderen Museumsbesuchern zur finanziellen Entscheidung verkommen? «Das ist ein wichtiger Einwand», räumt Steiner ein, «dem wir mit abnehmenden Grenzkosten beizukommen versuchen.» Konkret: Je länger sich ein Besucher im Museum aufhält, desto günstiger wird jede weitere Zeiteinheit.

Museum gesucht

Ob das neue Preismodell funktioniert und sowohl für den Besucher als auch die Museumsbetreiber vorteilhaft ist, muss aber erst noch getestet werden. «Wir sind auf der Suche nach einem geeigneten Museum», sagt Steiner. Der Feldversuch soll zeigen, ob gestaffelte Austrittspreise die Zahl der Besucher, ihre Aufenthaltsdauer und ihre Zufriedenheit sowie die Einnahmen der Museumsbetreiber positiv beeinflussen. Falls dem so wäre, liessen vielleicht bald einmal auch andere Institutionen – etwa Hallen- oder Strandbäder – sich für Austritts- statt Eintrittspreise begeistern.

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