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Wohnen und Leben im Alter

Leben ältere Menschen nur im Altersheim,wenn sie von ihren Angehörigen «abgeschoben» werden? Der 6. Zürcher Gerontologietag am Donnerstag befasste sich mit Klischees und Realitäten des Lebens und Wohnens im Alter. Für wissenschaftliche Arbeiten, die Klischees durch Wissen ersetzen, wurde zudem der diesjährige Vontobel-Preis für Altersforschung verliehen.
Adrian Ritter

Das Leben im Alter und insbesondere im ALtersheim war Thema des diesjährigen Gerontologietages. Im Bild: Bewohnerinnen und Bewohner des Altersheimes Hardau in Zürich.

Auch in Altersheimen lässt es sich gut leben, ist Hans-Werner Wahl von der Universität Heidelberg überzeugt. Der Professor für Soziale und Ökologische Gerontologie plädierte in seinem Referat dafür, die Vorteile dieser «beschützten Häuslichkeit» zu nutzen.

Dass sowohl die Heime wie auch die Erforschung derselben sich im 20. Jahrhundert gewandelt haben, zeigte sein historischer Überblick. Von der Diskussion über die «totale Institution» in den 1960er Jahren über den systemischen Blick in den 1980er Jahren und die «Entdeckung der Demenz» stehen die Heime heute vor Fragen wie: Braucht es diese Art des Wohnens noch? Welche Rolle spielen ambulante und stationäre Angebote, wenn ältere Menschen «solange wie möglich zu Hause bleiben wollen»?

Für Hans-Werner Wahl haben Heime durchaus eine Zukunft. Wünschenswert sei aber, dass sie sich noch mehr für das Leben im Quartier öffnen und beispielsweise spezifische Angebote für Menschen mit Demenz entwickeln.

Berichten von Forschungsarbeiten am Zentrum für Gerontologie (ZfG): Hans Rudolf Schelling, Geschäftsführer des ZfG (links) und Prof. Mike Martin, Vorsitzender des ZfG.

Darf der Hund mit?

Warum sich jemand überhaupt für ein Altersheim anmeldet, dieser Frage waren Hans Rudolf Schelling und Susanne Zwinggi vom Zentrum für Gerontologie (ZfG) der Universität Zürich nachgegangen. Im Auftrag der Altersheime der Stadt Zürich hatten sie im Frühling 2005 die Personen auf der Warteliste für ein Altersheim der Stadt befragt.

Dabei zeigte sich, dass die positiven Erwartungen hinsichtlich des Wohnens im Altersheim deutlich überwiegen. Die zukünftigen Bewohner erwarten vom Leben im Heim insbesondere Sicherheit in Notsituationen und bei Krankheit. Dabei gehen die Befragten zumeist davon aus, dass sie auch im Altersheim nicht auf ihre Privatsphäre und Selbstbestimmung verzichten müssen. Eher unsicher zeigen sich die zukünftigen Bewohner, ob sie ihr Haustier mitnehmen oder beispielsweise bei der Menuauswahl mitbestimmen können.

Lieber nicht zu den Kindern

Dieses positive Bild ist keine Selbstverständlichkeit, denn wer privat lebt, beurteilt das Leben im Heim meist negativer als dies diejenigen tun, die dort leben. «Altersheime sind als gewünschte Wohnform nicht mehrheitsfähig», weiss Schelling aus verschiedenen Studien. Dabei seien allerdings auch einige Klischees zu widerlegen. So wird etwa der Anteil der älteren Leute, die in Einrichtungen der stationären Alterspflege leben, meist überschätzt – es sind nur rund sieben Prozent der über 65-Jährigen.

Falsch ist auch, dass ältere Leute lieber bei ihren Kindern leben möchten. Gemäss Umfragen besteht die Wunschlösung des Lebens im Alter im «privaten Wohnen mit Unterstützung». Diese soll aber professionell sein - und falls es trotzdem nötig werden sollte, zieht man immer noch lieber ins Heim als zu den Angehörigen.

Was ist Lebensqualität?

Wie aber lebt es sich im Altersheim? Über die wissenschaftlichen Möglichkeiten, die Lebensqualität zu erheben, berichtete Prof. Mike Martin vom ZfG. Studien haben gezeigt, dass es auch kranken Menschen durchaus gelingt, eine gute Lebensqualität zu haben, indem sie zum Beispiel sozial gut integriert sind. Während die Angehörigen die Lebensqualität der Betagten dann hoch einstufen, wenn diese ihren Alltag möglichst gut bewältigen können, ist für die Betagten selber das psychische Wohlbefinden am wichtigsten.

Ziel der Forschung müsse es sein, möglichst flexible und zeitsparende Instrumente zur Messung der Lebensqualität zu entwickeln, so Martin. Diese müssen auf die individuelle Situation einer Institution abgestimmt sein, wobei für den internationalen Vergleich auch wünschenswert sei, gewisse Instrumente europaweit anzuwenden.

Jung und Alt im Gespräch: Am Podiumsgespräch wurden Ansichten und Erfahrungen über das Leben im Altersheim diskutiert.

«Ich kann nur empfehlen, auch zu kommen»

Dass es sich im Heim gut leben lässt, betonte beim Podiumsgespräch am Nachmittag auch Maria Jäggin, Bewohnerin im Altersheim Limmat der Stadt Zürich: «Mir gefällt es und ich kann nur allen empfehlen, auch zu kommen». Eingeschränkt fühle sie sich überhaupt nicht. Wenn sie bis in die Nacht hinein ausser Haus sei und an politischen Veranstaltungen teilnehme, müsse sie sich einfach vom Essen abmelden.

Ab so viel Lob für die Heime wähnte sich ein Teilnehmer im Publikum an einer PR-Veranstaltung. Podiumsteilnehmerin Susi Schär von der «Arbeitsgruppe Gerechtigkeit und Solidarität im Gesundheitswesen» meinte darauf, es sei müssig, verschiedene Wohnformen gegeneinander auszuspielen. Die Wohnform im Alter sei ein individueller Entscheid und sie sei froh, eine möglichst grosse Auswahl zu haben.

Die Preisträger des diesjährigen Vontobel-Preises für Altersforschung (von links): Georg Bosshard vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Caroline Moor vom Psychologischen Institut der Universität Zürich und Urs P. Mosimann vom Inselspital Bern.

Medizin im Alter

Zum Abschluss der Tagung wurde der diesjährige Vontobel-Preis für Altersforschung verliehen. Der 1. Preis ging an Dr. med. Georg Bosshard vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich. Er wurde geehrt für eine Arbeit, in der er einen ländervergleichenden Überblick gibt über medizinische Behandlungen bei älteren Menschen.

Den 2. Preis teilen sich Caroline Moor vom Psychologischen Institut der Universität Zürich und Urs P. Mosimann vom Inselspital Bern. Moor ging der Frage nach, inwiefern das eigene Altersbild und die Bewertung der Gesundheit bei älteren Menschen von ihrer Persönlichkeit abhängt. Urs P. Mosimann untersuchte in seiner Arbeit am «Wahrnehmungs- und Blickbewegungslabor» am Inselspital Bern die Blickbewegungen von Patienten beispielsweise mit Parkinson und Demenz.