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«Autonomy», «accountability» und «leadership»: Diese drei Begriffe zogen sich wie ein roter Faden durch die erstmals in Zürich durchgeführte «Una.Lecture». Die Universität Zürich, die vor knapp zwei Jahren dem Netzwerk von elf führenden europäischen Forschungsuniversitäten «Una Europa» beigetreten ist, will mit dieser Veranstaltung rund um das Thema universitäre Autonomie den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit fördern.
«In Zeiten, in denen von den Universitäten vermehrt erwartet wird, dass sie wettbewerbsfähig sind und messbare Ergebnisse erzielen, muss der Wahrung der Autonomie besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden», betonte eingangs Michael Schaepman, Rektor der Universität Zürich. Dazu gehöre zum Beispiel die Freiheit, eigenständig über Forschungsstrategien oder über die Zuteilung von Ressourcen entscheiden zu können. «Nur so können wir ein Umfeld schaffen, in dem die Forschung floriert und die Studierenden eine Ausbildung auf Weltklasseniveau erhalten.»
Was aber beinhaltet die universitäre Freiheit und Unabhängigkeit genau? Je nach Universität, Land oder gar Regierungsform werden diese Begriffe unterschiedlich interpretiert. Deshalb veröffentlicht die «European University Association» (EUA) eine «Autonomy University Scorecard», die bei angestrebten Allianzen unter den Hochschulen helfen soll, die jeweiligen Herausforderungen des Gegenübers besser einzuschätzen. Die einzelnen Universitäten werden mit 40 Indikatoren hinsichtlich ihrer organisatorischen, finanziellen und akademischen Unabhängigkeit ebenso bewertet wie für ihre Fähigkeit, autonome Personalentscheide zu fällen.
Thomas Estermann, Direktor für Governance, Finanzierung und Öffentliche Politik der EUA, stellte einige Eckpunkte dieser Auswertung vor. Er bescheinigte den Schweizer Universitäten eine gut diversifizierte akademische Unabhängigkeit, ein starkes finanzielles Fundament sowie eine solide Personalhoheit. Die organisatorische Eigenständigkeit sei hingegen etwas schwächer ausgeprägt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Schweizer Regierung bei der Ernennung von externen Universitätsmitgliedern mitreden kann – eine politische Eigenheit in unserem Land.
There are indications that more autonomous universities deliver a better experience in their main mission, in their learning and teaching mission, in their research and innovation mission, but also in their outreach to society.
In der nachfolgenden Diskussion, souverän moderiert von «League of European Research Universities (LERU)»-Generalsekretär Kurt Deketelaere, zeigte sich, dass nicht nur die Schweizer Hochschulen in einem komplexen politischen System navigieren müssen, sondern auch die Universität Edinburgh. Deren Rektor und Vizekanzler Sir Peter Mathieson formulierte es so: «Wir müssen zwei sehr ungleichen Herren dienen – der schottischen Regierung und der britischen Regierung in Westminster. Und die sind sich in so ziemlich allem uneinig.» Als Rektor müsse er manchmal zwischen beiden vermitteln und schwierige Überzeugungsarbeit leisten, mitunter könne er ihre Uneinigkeit aber auch ausnützen – «to create opportunities», wie er es ausdrückte.
I think leadership is about accountability. I am very happy to be held accountable for the way I spend public money.
Auch die niederländischen Universitäten hätten ihre Erfahrungen mit politischen Institutionen gemacht, erklärte Hester Bijl, Rektorin der Universität Leiden. «Da die akademische Unabhängigkeit aufgrund des vergleichsweise geringen internationalen Studienangebots eher schlecht bewertet wurde, gibt es derzeit massive Bestrebungen, unsere Universitäten offener für ausländische Forschende und Studierende zu gestalten.» Was gemäss Bijl wiederum die neu rechtskonservative Regierung auf den Plan rufe, die genau dies untergraben möchte. Ein entsprechendes neues Gesetz, das die Unabhängigkeiten der Universitäten stark eingeschränkt hätte, konnte gerade noch verhindert werden.
The academic freedom of our staff members is crucial to deliver quality.
Einig waren sich alle: Die Autonomie aller Universitäten ist ein kostbares Gut und muss unter allen Umständen gegen eine Einmischung von aussen verteidigt werden, sei diese nun politischer oder finanzieller Natur. Finanzierungen durch Dritte, die zum Beispiel ein Mitspracherecht in Forschungsfragen einfordern, seien abzulehnen, hiess es im Plenum. Die akademische und institutionelle Freiheit müsse konsequent verteidigt werden. «Freiheit ist eine Verpflichtung: Wer Freiheit für sich beansprucht, muss auch beweisen, dass er sie verantwortungsvoll zu nutzen weiss», unterstrich etwa Michael Schaepman.
Während der finanzielle, politische und gesellschaftliche Druck auf die Universitäten zunehme, könne ihre Unabhängigkeit nur mit einer starken und klaren «Leadership» gewahrt werden, betonten alle Podiumsteilnehmenden. Es brauche an der Spitze der Universitäten durchsetzungsstarke Führungspersönlichkeiten, die sich kompetent auf dem politischen und wirtschaftlichen Parkett bewegen und gleichzeitig ein feines Gespür für die freiheitsliebende akademische Welt haben. «Eigentlich ein unmöglicher Job», meinte einer der Rektoren. Aber offenbar ein Job, den man dann doch nicht einem Manager, einer Managerin aus der Wirtschaft überlassen möchte, sondern gerne in den akademischen Reihen behält.