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Umweltdebatten wirken

Wie wir fairer werden

Menschen handeln oft nicht nur eigennützig, sondern auch fair. Das zeigt etwa die Bereitschaft, für faire und nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen. Ob sie das tun, hängt jedoch stark von ihrem Bewusstsein ab.
Stefan Stöcklin
Konsumentinnen und Konsumenten sind bereit, für fair gehandelte Produkte wie beispielsweise Bananen mehr zu bezahlen.

 

Konsumentinnen und Konsumenten müssen tagtäglich entscheiden, ob sie fair gehandelte Bananen oder Bioprodukte kaufen, auch wenn ihr Preis gegenüber herkömmlichen Produkten höher ist. Auch bei Kleidern und vielen Konsumgütern besteht oft die Möglichkeit, zwischen lokal hergestellten ökologischen oder importierten Billigprodukten zu wählen.

Der Verhaltensökonom Björn Bartling erforscht unser Kaufverhalten in simulierten Märkten. Aufgrund seiner Laborstudien kommt er zu einem optimistischen Fazit: «Die Leute sind durchaus bereit, für fair hergestellte Produkte mehr zu bezahlen. Das heisst, es gibt eine Bereitschaft, sich freiwillig sozial zu verhalten.»

Dieses Ergebnis widerspricht dem klassischen Bild des rationalen «Homo oeconomicus», der nur aus Eigennutz handelt und seine Entscheide am maximalen Profit orientiert. Bartlings Erkenntnisse basieren auf Experimenten, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit virtuellen Gütern handeln und je nach Kaufentscheid mehr oder weniger Gewinn erzielen oder gar einen Verlust hinnehmen müssen.

Dabei können sie frei entscheiden, ob sie mit fair hergestellten teuren oder schädlicheren, aber billigeren Produkten handeln. Der Gewinn wird ihnen am Schluss bar ausbezahlt und widerspiegelt ihr sozialverantwortliches Verhalten: Wer faire Entscheidungen trifft, geht mit weniger Geld nach Hause, bürdet dafür aber niemand anderem einen finanziellen Verlust auf.

 

Kulturelle Unterschiede

Verhaltensökonom Björn Bartling (Bild/zVg)

Die Probanden sind Studierende. Wäre Eigennutz allesentscheidend, würden sich die unfairen Produkte in diesen Versuchen zu 100 Prozent durchsetzen. Der Studienleiter misst aber regelmässig einen konstanten und relativ hohen Anteil von rund 50 Prozent fairer Produkte. Natürlich, relativiert Bartling im Gespräch, gehe es bei diesen Laborexperimenten nicht um grosse Geldbeträge, aber es sage schon was aus, wenn jemand zugunsten der Umwelt oder fairer Arbeitsbedingungen auf Geld verzichte. In der realen Welt, so der Verhaltensökonom, bestätigten sich die Ergebnisse näherungsweise, auch wenn der Anteil der fairen oder sozial verantwortlichen Produkte nicht ganz so hoch sei.

Eine Rolle spielt natürlich auch die Preisdifferenz zwischen dem fairen und dem unfairen Produkt. Bartling: «Je teurer es wird, sich sozial verantwortlich zu verhalten, desto weniger Leute tun dies.» Neben dem Preissignal stellen die Verhaltensökonomen auch kulturelle Unterschiede fest. Vergleichbare Experimente mit Studierenden in Schanghai ergaben einen Anteil fairer Produkte von gerade mal 15 bis 20 Prozent – also weniger als der Hälfte als hierzulande.

Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass in einer aufstrebenden Wirtschaft wie in China einerseits das Streben nach Profit ausgeprägter ist, andererseits das Bewusstsein für negative Auswirkungen auf die Umwelt kleiner. Chinesinnen und Chinesen sind entsprechend weniger bereit, freiwillig einen höheren Preis zu bezahlen, um Schäden zu vermeiden.

Diese sogenannten negativen externen Kosten, das heisst schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Menschen, die nicht in den Preisen enthalten sind, sind im Kern die Ursache unserer Umweltprobleme. Wären die schädlichen Auswirkungen in der Vergangenheit eins zu eins in die Kosten der Produkte eingepreist worden, wären diese viel weniger konsumiert worden. Zudem stünde Geld zur Behebung der Schäden zur Verfügung.

Über Foodwaste reden

Weiterführende Arbeiten zeigen, dass es neben dem Preis noch andere Möglichkeiten gibt, das Verhalten der Menschen zugunsten der Umwelt zu beeinflussen. «Öffentliche Debatten über die schädlichen Wirkungen des Konsums haben in unseren Studien eine grosse Wirkung», sagt Björn Bartling. Wenn sich die Versuchsteilnehmer und -teilnehmerinnen im Vorfeld eines Experiments über faire Preise und schädliche Umweltauswirkungen austauschen, erhöht sich der Anteil fairer Produkte deutlich.

Debatten verändern also soziale Normen und fördern sozialverantwortliches Handeln. «Das ist doch ein hoffnungsvolles Ergebnis», sagt Verhaltensökonom Bartling. Man darf also hoffen, dass die laufenden Diskussionen über Foodwaste und Fleischkonsum oder den Flugverkehr ihre Wirkung entfalten.

Die Weltgemeinschaft steht unter enormem Druck, so rasch wie möglich Netto-Null-CO2 zu erreichen. Auf dem Weg zu diesem Ziel hat die EU das Verbot des Verbrennungsmotors beschlossen und will ab 2035 nur noch klimaneutrale Fahrzeuge zulassen. In der Schweiz sollen fossile Heizungen verboten werden, in Basel-Stadt beispielsweise auch ab 2035, in Zürich ab 2040. Passiert da was? Die aktuellen Diskussionen über Flugscham oder Foodwaste und Fleischkonsum könnten unser Konsumverhalten gerade neu eichen. 

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