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Vortragsreihe «Wissen-schaf(f)t Wissen»

«Alle können helfen, die Pandemie zu besiegen»

Die COVID-19-Pandemie hat uns seit Monaten fest im Griff und ein Ende scheint nicht in Sicht. Annelies Zinkernagel, Direktorin der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich, betonte an einem Vortrag die überragende Bedeutung der Impfung und von Hygienemassnahmen.
Stefanie Keiser
«Die Pandemie können wir nur eindämmen, wenn jeder mithilft», sagt Infektiologin Annelies Zinkernagel.


Mitte des 19. Jahrhunderts führte der Arzt Ignaz Semmelweis eine bahnbrechende Neuerung ein: Er wies seine Studierenden an, ihre Hände und Instrumente nach dem Sezieren von Leichen mit einer Chlorlösung zu desinfizieren. Mit dieser einfachen Massnahme konnte die Sterblichkeitsrate innert kürzester Zeit drastisch gesenkt werden. Dies war die Geburtsstunde einer effizienten Massnahme gegen Infektionskrankheiten, die wir auch gegen COVID-19 anwenden.

Weniger bakterielle Infektionen

 «Mit einfachen Hygienemassnahmen, kann man die Verbreitung von Viren sehr gut mindern», erklärte Annelies Zinkernagel, Professorin für Infektiologie und Spitalhygiene an der UZH und Direktorin der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ, dem interessierten Publikum im Rahmen der Vorlesungsreihe «Wissen-schaf(f)t Wissen». Dazu gehören nebst der Händehygiene und dem Niesen in die Ellenbeuge auch das Tragen von Hygienemasken. «Mit einer Maske schützen wir uns selber vor den Viren, ganz besonders hoch ist der Nutzen aber für Andere, falls die infizierte Person einen Mundschutz trägt.» Die Maske habe zudem einen weiteren, positiven Zusatzeffekt, so Zinkernagel. So wurden seit dem Einführen der Maskentragepflicht weniger bakterielle Infektionen gemeldet. Eine verdeckte Mund- und Nasenpartie hemmt also nicht nur das Verbreiten von Viren, sondern auch von Bakterien.

Zinkernagel führte aus, dass man sich möglichst oft draussen an der frischen Luft aufhalten und geschlossene Räume mit vielen Personen meiden sollte – was im Winter natürlich schwieriger umzusetzen ist als im Sommer. In schlecht belüfteten Innenräumen steigt die Gefahr einer Ansteckung um ein Vielfaches. Dass diese einfachen Hygieneregeln helfen, zeigten Zahlen des Kanton Zürichs. Mithilfe der Hygienemassnahmen konnten die Wellen gebrochen werden, führte Zinkernagel aus, und plädierte dafür, diese einfachen Regeln konsequent einzuhalten.

Erkrankung ist gefährlicher als Impfung

Neben den Hygieneregeln ist die Impfung zur Eindämmung der Pandemie nötig. Es gibt Vektor-basierte und mRNA-basierte Impfstoffe, die auf eine leicht unterschiedliche Art funktionieren, aber das gleiche Ziel haben: den Menschen zu immunisieren. In der Schweiz werden aktuell vor allem mRNA Impfstoffe gegen das Corona-Virus eingesetzt. Die Behauptung, dass mRNA Impfstoffe eine neue Art von Impfstoffen seien, welche innert kürzester Zeit aus dem Boden gestampft wurden, stimme so übrigens nicht, betonte Zinkernagel. In der Melanomtherapie zum Beispiel wurden schon vorher solche Impfstoffe eingesetzt.

Hohe Anforderungen

Die Anforderungen an eine Impfung – auch gegen Sars-CoV-2 – sind hoch. Sie sollten eine Infektion und gefährliche Erkrankungen verhindern und den geimpften Menschen nicht schaden. Trotzdem befürchten viele Leute gefährliche Nebenwirkungen. «Man darf nicht vergessen, dass Nebenwirkungen eine Folge davon sind, dass der Impfstoff eine Wirkung hat und das Immunsystem anregt», sagte Zinkernagel. In der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um leichte Beschwerden, die schnell wieder abklingen. Schwerwiegende Nebenwirkungen, wie beispielsweise Herzmuskelentzündungen, sind äusserst selten und treten bei einer COVID-Erkrankung viel häufiger auf als bei einer Impfung. Zu beachten ist zudem, dass man mit der Impfung nicht nur sich selbst schützt. «Wir impfen nicht nur, um ein Individuum, sondern um die gesamte Gesellschaft zu schützen», betonte Zinkernagel. Neben dem persönlichen Schutz ist ein weiteres Ziel der COVID-19-Impfung, die Anzahl der schweren Krankheitsfällen und die Zahl der Todesfälle zu reduzieren, um so sicherzustellen, dass das ganze System der Gesundheitsversorgung aufrechterhalten werden kann. Die Spitäler und das Gesundheitspersonal sind mit jeder neuen Infektionswelle auf Äusserste gefordert, wie es auch zurzeit wieder der Fall ist.

Schutz vor schweren Erkrankungen

Was die Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe betrifft, wissen wir, dass sie bisher sehr gut funktionieren und uns vor schweren Erkrankungen schützen. Wie gut ihre Wirkung bei den neuen Virusvarianten ist, muss noch weiter untersucht werden. «Wir wissen alle, dass auch Geimpfte erkranken können», räumt Zinkernagel ein. Die Wahrscheinlichkeit eines Impfdurchbruchs ist aber wesentlich geringer als eine Infektion bei Ungeimpften, und der Krankheitsverlauf ist deutlich weniger stark. Zudem nimmt die Viruslast schneller ab. Aktuell seien in der Schweiz mehr als 80% der hospitalisierten COVID-19-Erkrankten ungeimpft. Wären mehr Leute geimpft, hätten wir weniger schwere Krankheitsverläufe, die Spitäler wären kaum überlastet und es drohte keine Triage, bestätigte die Infektiologin.

Zuerst COVID, dann Long-COVID?

Infiziert, erkrankt, genesen, gesund? Bei einigen COVID-Erkrankten ist dies leider nicht der Fall. Sie leiden trotz einer gewissen Genesung weiter an Symptomen und entwickeln «Long-COVID». Long-COVID wird definiert als  Symptome, die während oder nach einer COVID-19-Erkrankung auftreten und mehr als 4-12 Wochen anhalten, und nicht durch eine alternative Diagnose erklärbar sind. Zu den Symptomen zählen unter anderem Müdigkeit und Schwäche, Konzentrationsstörungen, Kurzatmigkeit, Geruchsveränderungen, Geschmacksveränderungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände und Husten. «Die Ursachen für Long-COVID sind noch nicht geklärt und eine Therapie fehlt weitgehend. Schwere und langanhaltende Komplikationen seien glücklicherweise sehr selten», so die Infektiologin. «Die Pandemie können wir nur eindämmen, wenn jeder mithilft – dann können wir einiges erreichen», zeigt sich Zinkernagel vorsichtig optimistisch.