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Nachhaltigkeit

UZH will weniger fliegen

Die Universität Zürich will die Flugreisen von UZH-Angehörigen bis 2030 um mindestens 53 Prozent reduzieren. Umweltpsychologin und Nachhaltigkeitsexpertin Somara Gantenbein zu Hintergründen, zur Bedeutung und Umsetzung der gesteckten Ziele.
Interview: Roger Nickl

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Make Science, not Miles: Die UZH setzt sich für Formen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit ein, die mit weniger Flugreisen auskommen.


Fliegen belastet die Umwelt stark. In der Öko-Bilanz der UZH schlugen Flugreisen von UZH-Angehörigen bisher am meisten negativ zu Buch. 2018/2019 machten sie rund 35 Prozent aller verursachten Treibhausgas-Emissionen aus. Dies soll sich nun ändern: Bis 2030 will die Universität Zürich die flugbedingten Emissionen um mindestens 53 Prozent reduzieren. Bereits im nächsten Jahr soll im Vergleich zu den vorpandemischen Jahren 2018/2019 40 Prozent weniger geflogen werden.

Somara Gantenbein, die UZH-Angehörigen sollen in Zukunft weniger fliegen und damit Umwelt und Ressourcen schonen. Die Universitätsleitung hat beschlossen, die flugbedingten Emissionen bis 2030 um mindestens 53 Prozent zu reduzieren. Wie ist diese Zielvorgabe entstanden?

Die UZH hat sich in der Umsetzungsstrategie zur Sustainability Policy das Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein, wobei mindestens 50 Prozent der Emissionen durch eigene Massnahmen reduziert werden müssen. Die Reduktion der übrigen Emissionen kann laut Umsetzungsstrategie durch klimaschützende Auswirkungen der UZH-Forschung erreicht werden. Da die Flugreisen einen sehr hohen Anteil der Emissionen der UZH ausmachen, müssen wir dort den Hebel ansetzen. Während der Pandemie zeigte sich, dass ein grosser Spielraum besteht, für welche Zwecke wirklich geflogen werden muss. Im letzten Jahr sind die Flugemissionen um 76 Prozent im Vergleich zu 2018/2019 zurückgegangen. Aus ökologischer Sicht wäre es eine verpasste Chance, jetzt wieder zum alten Zustand zurückzukehren.

Sollten wir das gesteckte Ziel erreichen, was bedeutet das für die UZH?

Wenn wir die Reduktion der flugbedingten Emissionen erreicht haben, hätten wir unsere Jahresemissionen um mindestens 3700 Tonnen CO2-Äquivalente reduziert. Wir würden damit öffentlich zeigen, dass die UZH auch punkto Nachhaltigkeit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommt. Die UZH forscht zu den Themen Umwelt, soziale Gerechtigkeit, Klimakrise oder Ethik, um nur einige relevante Gebiete zu nennen. Wir wissen also, was nötig ist, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und sollten unseren Beitrag leisten.

Wir erwarten, dass UZH-Angehörige bewusster abwägen werden, welche Flugreise aus ihrer Sicht wirklich wichtig ist, um gute Forschung zu betreiben. Die virtuelle Kommunikation bietet neben unbestrittenen Nachteilen auch viele Vorteile – beispielsweise mehr Zeit für die Lehre und für die Kolleginnen und Kollegen in der Nähe, aber auch für die Familie. Wir möchten dazu beitragen, dass dies an der UZH noch vermehrt erkannt wird.

Porträt von Somara Gantenbein mit Zitat: «Am wirkungsvollsten ist es, weniger Langstreckenflüge zu buchen.»

Hat die aktuelle Pandemie die Diskussion um die Reduktion von Flugreisen aus Ihrer Sicht beschleunigt?

Das Thema war an der UZH schon etwas länger präsent, aber die Pandemie hat einen entscheidenden Schub gegeben. Die Ausgangslage für die Diskussion hat sich geändert, gerade weil aufgezeigt wurde, dass wir auch mit weniger Flugreisen gut arbeiten können.

Bereits im nächsten Jahr soll an der UZH 40 Prozent weniger geflogen werden. Was bedeutet das für die UZH-Angehörigen?

Es bedeutet, dass sie noch immer und sogar noch wesentlich mehr fliegen dürfen, als während der letzten zwei Jahre. Korrekterweise bezieht sich die Reduktion von 40 Prozent auf die Emissionen durch Flugreisen und nicht auf die Anzahl Flüge oder Flugkilometer. Ein Flug von A nach B produziert nicht immer gleich viele Emissionen, das hängt unter anderem ab von Zwischenstopps und von der Airline. Zudem werden die Flugzeuge von Jahr zu Jahr effizienter betrieben. Ob Business oder Economy geflogen wird, spielt natürlich ebenfalls eine grosse Rolle. Als Beispiel: 2019/2020 verursachten 6 bis 8 Prozent der Flüge in der Businessklasse fast ein Viertel der Flugemissionen der UZH.

Wie sollen die Reduktionsziele konkret umgesetzt werden?

In der Erweiterten Universitätsleitung wurde der Wunsch geäussert, dass die Fakultäten möglichst viel Freiraum bei der Umsetzung haben sollen. Daher können diese nun selbst entscheiden, wie sie ihr Ziel konkret erreichen wollen. Dies kann in Form einer fakultätsinternen Lenkungsabgabe, einer Travel Policy oder auf andere Art und Weise passieren. Jede funktionierende Lösung ist willkommen.

Wo sind dabei die grössten Hürden?

Es besteht nach wie vor ein direkter Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und akademischer Mobilität. Diesen zu entschärfen ist eine grosse Herausforderung und betrifft weltweit alle akademischen Institutionen. Daher arbeiten wir zu diesem Thema auch in nationalen und internationalen Netzwerken mit anderen Hochschulen zusammen.

Welches sind aus Ihrer Erfahrung die wirkungsvollsten und machbarsten Massnahmen, um die gesetzten Reduktionsziele zu erreichen?

Aus ökologischer Sicht ist die machbarste und wirkungsvollste Massnahme natürlich «das Nicht-Fliegen» (lacht). Im Ernst, es geht um eine Reduktion von Flügen, nicht um eine UZH komplett ohne Flugreisen. Am wirkungsvollsten ist es, weniger Langstreckenflüge zu buchen; diese sind an der UZH für 84 bis 89 Prozent (2018/2019) der Flugemissionen verantwortlich. Jeder einzelne vermiedene Langstreckenflug ist ein Gewinn. Es gibt viele weitere mögliche Massnahmen, etwa die effizientesten Airlines zu wählen, nur noch Economy zu fliegen oder eine Lenkungsabgabe auf Treibhausgas-Emissionen einzuführen. Es lässt sich allerdings nicht pauschal sagen, was jeweils die «machbarsten» Massnahmen sind, dies ist je nach Anforderung und Aufgaben der Fakultäten und UL-Bereichen sehr unterschiedlich.

Treibhausgas-Emissionen nach Verursachungskategorie (in Tonnen CO2e)

Was geschieht, wenn die von den Fakultäten beschlossenen Massnahmen nicht ausreichen, um die gesetzten Ziele zu erreichen?

Wird deutlich, dass das Ziel nicht erreicht wird, wird eine Fakultät oder ein UL-Bereich aufgefordert, eine andere bereits funktionierende Massnahme oder die zentral entwickelte Lenkungsabgabe umzusetzen. Letztere erarbeiten wir – unter ständiger Berücksichtigung der Erfahrungen aus den Fakultäten und UL-Bereichen – in den kommenden Monaten.

Wie beurteilen Sie die Bereitschaft von UZH-Angehörigen, auf Flugreisen zu verzichten?

Ich bin da zuversichtlich. Denn durch die vielen eingeübten Formen des virtuellen Austauschs hat bereits ein gewisses Umdenken stattgefunden. Wenn wir es schaffen, dass sich die UZH-Angehörigen der wahren Kosten des Fliegens wirklich bewusst sind und diesen den erwarteten Nutzen ihrer Reise gegenüberstellen, dann ist das Wichtigste erreicht.

Als Umweltpsychologin würde ich hier ungern das Wort Verzicht betonen. Wenn wir etwas tun oder nicht tun, verzichten wir auch immer auf andere Dinge. Reisen wir irgendwo hin, bedeutet dies beispielsweise etliche Stunden im Flugzeug und Verzicht auf produktive Stunden oder auf Zeit mit Kolleginnen und Kollegen in der Nähe oder mit der Familie. Gedränge am Security Check, Flugverspätungen und Jetlag bedeuten Stress und damit Verzicht auf eine ausgeglichene und gesunde Lebensweise. Dies ganz abgesehen von den emittierten Treibhausgas-Emissionen. Der Nutzen von Reisen ist unbestritten, aber wir sollten auch die Kosten realistisch einschätzen, die eben nicht im Ticketpreis enthalten sind.

Besonders für Nachwuchsforschende ist es wichtig an internationalen Konferenzen teilzunehmen, an denen Sie Ihr berufliches Netzwerk aufbauen können. Ohne Flugreisen ist das kaum möglich. Wie lässt sich dieses Dilemma bewältigen?

Die Universitätsleitung hat entschieden, dass bei der Ausgestaltung der Massnahmen der besondere Bedarf der Nachwuchsforschenden, sich ein Netzwerk aufzubauen, respektiert werden muss und dass die Massnahmen weder zu bewussten noch unbewussten Diskriminierungen von Personen führen dürfen. Sie müssen also auch im Einklang mit der «Diversity Policy» und dem «Verhaltenskodex Gender Policy» stehen. Dies ist kein Widerspruch, da es ja viele etablierte Forschende gibt, die vielleicht weniger fliegen können, ohne dass dies ihrer Reputation schadet. Wir sehen, dass sich angesichts der Klimakrise auch die Wertmassstäbe verändern.

Gibt es bereits konkrete Beispiele an der UZH, wie positiv mit der Vorgabe, weniger zu fliegen, umgegangen wird?

Es gab bereits vor dem UL-Beschluss einige Arbeitsgruppen an Instituten, die ihre flugbedingten Emissionen reduzieren wollten. Neu bilden sich solche Arbeitsgruppen auch auf Fakultätsebene, diese stehen der Herausforderung positiv und sehr motiviert gegenüber.

Die Reduktion von Flugreisen ist ein wichtiger Schritt in Richtung klimaneutraler Universität. In welchen anderen Bereichen kann die UZH ihre Öko-Bilanz noch entscheidend verbessern?

Nach den Flugreisen sind der Energiebedarf, der Pendelverkehr und auch die Beschaffung von Sachgütern für unseren ökologischen Fussabdruck relevant. Wobei in der Beschaffung noch Datenlücken bestehen – diese versuchen wir schnellstmöglich zu schliessen. Zudem untersuchen wir derzeit, welche Forschung an der UZH zu einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen beitragen könnte.