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Citizen Science

Bürger schaffen Wissen

Nach Asteroiden suchen, Vögel beobachten und die Rechenleistung des eigenen Computers zur Verfügung stellen: Bei «Citizen Science» beteiligen sich Bürgerinnen und Bürger an Forschungsprojekten. An einem Workshop von UZH und ETH Zürich wird am 22./23. Januar diskutiert, unter welchen Voraussetzungen dies gelingen kann. UZH-Ethikerin Effy Vayena ist Mitorganisatorin des Workshops. Im Interview äussert sie sich zu den Hintergründen.
Adrian Ritter

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«Wir brauchen Regeln für Projekte im Rahmen von Citizen Science»: UZH-Ethikerin Effy Vayena. (Bild: zVg)

UZH News: Frau Vayena, ist Citizen Science ein neues Phänomen?

Vayena: Nein, aber die heutige Kommunikationstechnologie ermöglicht eine viel einfachere und breitere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Forschungsprojekten. Im Gesundheitsbereich beispielsweise sammeln heute viele Menschen auf mobilen Geräten ihre Daten zu ihrer Fitness, ihrer Ernährung und dergleichen.  Solche Daten können sie einfach auch für die Forschung zur Verfügung stellen. Das Potenzial ist gross. Für die Wissenschaft bedeutet Citizen Science unter anderem, dass grössere und damit repräsentativere Datenmengen entstehen, die Kosten der Datensammlung reduziert werden können und Erkenntnisse schneller vorliegen.

Was ist der Grund, einen Workshop zu Citizen Science zu veranstalten?

Am Forschungsplatz Zürich gibt es zahlreiche Projekte, an denen Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind. Gerontologieprofessor Mike Martin arbeitet am Zentrum für Gerontologie der UZH immer wieder mit Seniorinnen und Senioren zusammen. Diese nehmen an Studien teil und geben etwa Auskunft über ihren Lebenslauf oder beteiligen sich an Gedächtnistests. Germanistikprofessorin Christa Dürscheid erforscht das Kommunikationsverhalten per SMS. Tausende von Kurznachrichten haben Handynutzer dem Projekt dabei zur Verfügung gestellt. Am Workshop wollen wir Zürcher Wissenschaftler mit solchen Projekten wie auch die Bürger an einen Tisch bringen und gemeinsam diskutieren, was es braucht, damit Citizen Science funktioniert.

Was sind die wichtigsten Fragen, die sich dabei stellen?

Wir müssen sicherstellen, dass die Bürgerbeteiligung ethisch vertretbar geschieht. Die Beteiligung muss zum Beispiel freiwillig sein und darf die Bürger nicht ungerechtfertigten Risiken aussetzen. Zudem sollen die Teilnehmenden eine Anerkennung erhalten für ihren Beitrag und in irgendeiner Form davon profitieren.

Die freiwillige Beteiligung ist nicht immer gegeben?

Nein. Ich habe dies am Beispiel der Datennutzung in der Gesundheitsforschung untersucht. Dabei zeigt sich etwa, dass Forschende immer häufiger Daten verwenden, die sie nicht direkt bei Versuchspersonen erheben, sondern indirekt im Internet. Es gibt Plattformen, auf denen sich Patienten über ihren Umgang mit chronischen Krankheiten austauschen – eine interessante Datenquelle für Wissenschaftler. Aber ist es zulässig, solche Daten zu verwenden? Oder anonymisierte Facebook-Einträge mit medizinischen Inhalten? Im Internet verschwimmt die Grenze zwischen öffentlicher und privater Information. Entsprechend unklar wird auch das Grundprinzip der «informierten Einwilligung» zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt.

Wie kann die Situation verbessert werden?

Wir brauchen einen Leitfaden und Regeln für den Umgang mit diesen Fragen. Und wir brauchen entsprechende Instrumente, die uns helfen, Projekte mit Bürgerbeteiligung gut aufzugleisen und zu begleiten. Solche Leitfäden existieren heute erst ansatzweise. Unser Workshop soll deshalb ein Auftakt sein, um am Forschungsplatz Zürich solche Instrumente zu entwickeln. Ich hoffe auf eine breite Teilnahme nicht nur von Wissenschaftlern, sondern auch von Bürgerinnen und Bürgern. Es ist sehr wünschenswert, wenn sich diese daran beteiligen, Regeln rund um Citizen Science zu entwerfen.

Was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Zürich anbelangt, möchten wir sie mit dem Workshop ermuntern, Citizen Science als Chance für die Hochschulen zu sehen und zu nutzen. Bürgerinnen und Bürger werden dank Citizen Science auch mit der wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweise vertraut. Das ist nicht zuletzt aus demokratietheoretischer Sicht sinnvoll. Wer die Wissenschaft besser kennt, kann etwa bei Volksabstimmungen auch fundiertere Entscheidungen treffen.