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Workshop gegen Schreibkrisen

Allerletzter Termin für die Liz-Arbeit

Es gibt sie noch, aber nicht mehr lange: Studierende, die an einer Lizentiats-Arbeit schreiben. Manche sind seit Jahren daran. Ihr Leiden hat nun ein Ende: Im Herbst ist Abgabetermin für die letzten schriftlichen Liz-Arbeiten der UZH. Höchste Zeit also, sich ans Schreiben zu wagen. Bei Schreibstau hilft ein Workshop.
Claudio Zemp

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Schreibstau? Der Workshop «Abgeben statt aufgeben» weiss Rat.

Kalter Schweiss. Alpträume. Höllenqualen. Wieso krieg ich keinen Satz auf die Reihe? Bringe ich das je fertig? Die unerwünschten Nebenwirkungen des Schreibens sind zwar nicht bei allen gleich stark ausgeprägt, aber das Problem kennen die meisten, die mit der Tastatur arbeiten. Selbstkritik und Zweifel sind hässliche Hürden im Schreibprozess. Die gilt es zu überwinden, eine nach der anderen. Ob man dabei ächzt, klettert oder so tut, als ob man mühelos darüber hüpfe, spielt keine Rolle. Denn das Schreiben an sich ist das Problem, sagt die Psychologin Alba Polo: «Schreibprobleme sind ganz normal. Sie haben mit dem Schreiben selbst zu tun.» Polo arbeitet für die Psychologische Beratungsstelle der UZH und ETH. Ein halbes Jahr vor dem letzten Abgabetermin für Lizenziats-Arbeiten gibt sie einen Workshop mit Schreibberatung für Liz- und Master-Studierende. Das Motto: Abgeben statt Aufgeben.

Luft holen

Manchmal ist es zum Verzweifeln. Die Arbeit sträubt sich gegen die Vollendung, der Nebel im Kopf will sich einfach nicht verziehen oder der kümmerliche Text holpert. «Viele Studierende leiden grauenhaft an ihren Schreibarbeiten», bestätigt die akademische Schreibberaterin. Ihr eintägiger Workshop ist fächerunabhängig, denn die Nöte der Studierenden mit ihren Arbeiten sind überall ähnlich, auch in der Naturwissenschaft. Gegen viele Probleme gebe es ein Mittel, sagt Polo: «Es geht darum, alle Befürchtungen offenzulegen. So merkt man, was einen am Schreiben hindert.»

Tauchen wir also kurz auf aus dem Morast des über Jahre angehäuften Wissens, um Luft zu holen für den Endspurt. Im Workshop geschieht das in der Gruppe. Die Teilnehmenden stellen sich ihre Probleme gegenseitig vor und üben dabei das Argumentieren. Dieser lockere Austausch gibt Aufwind, gerade wenn man in einer Schreibkrise steckt, so Polo: «Das Schreiben profitiert sehr von einem Austausch.» Dabei sind nicht nur Kollegen gute Sparringpartner. Auch wer gar nichts vom Fach verstehe, etwa die Eltern oder ein Freund, könne durch ein offenes Ohr manchen Schreibkrampf lösen.

Denken befreit

Mit dem Schreiben ist es wie mit dem Aufstehen und Schlafengehen. Ist ein Problem gelöst, taucht zuverlässig das nächste auf. Die nächste Schikane auf dem Weg zum Abschluss ist in furchterregend grosse Lettern gemeisselt und hängt direkt über dem Schreibpult: AKADEMISCHES SCHREIBEN steht da. Viele Studierende hätten eine falsche Vorstellung von Objektivität und wissenschaftlichem Schreiben, stellt Polo bei ihren Beratungen fest. Manche denken, es sei verboten, persönliche Gedanken in die Arbeit einzubringen. «Ein grosses Missverständnis», sagt Polo, «und völlig unnötig.» Wahr sei das Gegenteil: «Die zentrale Frage ist: Was ist mein Punkt?» Und dem komme man nicht näher, wenn man sich untersage, die eigene Meinung zu vertreten.

Schreibberaterin Alba Polo: «Perfektionismus ist die grösste Falle beim Schreiben.»

Einfache Fragen brechen oft das Eis. «Was wollen Sie sagen?», fragt Polo im Workshop ihre Gruppe. Uff, die ganze dicke These auf eine kurze Frage herunterbrechen? Das kann einen schön ins Grübeln bringen. Genau das ist die Idee: «Denken ist das A und O, damit man sich frei fühlen kann beim Schreiben.» Der Weg zum Abschluss ist zum Glück nicht nur steinig. Ab und zu begegnet einem auch ein freundlicher Geselle. Zum Beispiel ein Leser. Auch der helfe dem Schreibenden, betont Polo. Die Vorstellung eines Lesers sei für die eigene Argumentation fruchtbar, gerade auch wegen des Widerspruchs, der von jedem Leser zu erwarten ist.

Probleme des Tages

Wenn man also einmal weiss, was man sagen will, geht alles fast von selbst – wenn nur nicht so viel auf dem Spiel stünde. Abschlussarbeiten haben eine besondere Bedeutung. Schliesslich geht es um das Tüpfli auf dem i einer jahrelangen Lehrzeit. Stimmt zwar. Aber der Perfektionismus ist auch die grösste Falle beim Schreiben, warnt die Psychologin: «Der Ehrgeiz lähmt viele, weil sie die Bedeutung ihrer Master-Arbeit überbewerten.» Der Trick ist, die Arbeit ganz prosaisch und pragmatisch anzugehen. Der Rat lautet: «Tag für Tag nehmen: Was mache ich heute, was mache ich morgen, was kommt übermorgen?»

Kreative Zauberpausen

Mit diesem Mantra im Bewusstsein ist es nebensächlich, ob man spät in der Nacht, frühmorgens, zu Bürozeiten oder grundsätzlich nur in letzter Minute schreibt. Es gibt verschiedene Schreib-Typen und entsprechende Taktiken. Auch Pausen und ergebnislose Tage seien ganz normal, sagt Polo: «Die zündende Idee kommt vielleicht auf dem Heimweg vom Ausgang, nach einem Tag ohne eine einzige Zeile vor dem Computer.» Schreiben sei kein Hokuspokus, sondern ein Handwerk, das man lernen und üben könne. Weniger ist dabei mehr, selbst bei sehr umfangreichen und gehaltvollen Arbeiten. Denn die letzte grosse Falle beim Kraftakt des Schreibens ist es, alles auf einmal sagen zu wollen. Oder eine Arbeit von Anfang an so schreiben zu wollen, wie sie am Schluss stehen soll. Alba Polos letzter Kniff, um aus dem negativen Kreis einer Schreibblockade auszubrechen: «Eins nach dem anderen. Beim ersten Entwurf ruhig sudeln. Am Stil können wir auch noch in zwei Wochen feilen.»