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BrainFair 2013

Von zählenden Bienen und rechnenden Küken

Die von der UZH und der ETH Zürich organisierte BrainFair gibt jährlich Einblicke in den aktuellen Stand der Hirnforschung. «Wie einzigartig ist das menschliche Gehirn?», lautete diesmal das Thema. Eines der verschiedenen Podien drehte sich um Tiere mit Zahlensinn und Menschen, die unter Rechenschwäche leiden. 
Marita Fuchs
Eine, zwei drei, vier Blüten: Auch Bienen können zählen, allerdings nicht mehr als vier Objekte. Wie Wissenschaftler dies testeten, war an der BrainFair 2013 zu erfahren.

Küken, Fische und Honigbienen haben mathematische Fähigkeiten. Sie haben sogar Lieblingszahlen und eine Zahlenvorstellung, die von links nach rechts verläuft. Die kleinen Zahlen links, die grossen rechts. Das gilt auch für die Menschen unseres Kulturkreises, sagte Karin Kucian, Neurowissenschaftlerin am Kinderspital Zürich. Sie sprach mit drei weiteren Referenten an einer Veranstaltung im Rahmen der BrainFair über die Rechenkünste von Tieren und Menschen.

Die grosse Zuhörerschaft staunte nicht schlecht, als Karin Kucian einen Videofilm zeigte, in dem ein flauschig gelbes Küken auf eine lange Reihe von Futterschälchen zulief und gezielt das vierte von links ansteuerte, weil es aus Erfahrung wusste, dass nur das vierte Schälchen eine köstliche Belohnung enthält.

Auf die Anzahl kommt es an

Auch Bienen können zählen. Allerdings endet ihre Mengenvorstellung bei vier Objekten. Mehr können Bienen nicht unterscheiden, führte Professor Hans J. Gross, Biochemiker an der Universität Würzburg, aus. Um das Zählverhalten von Bienen zu testen, haben Gross und sein Team sie durch Plexiglasröhren fliegen lassen. An die Einflugöffnung der Röhre malten die Wissenschaftler drei Punkte.

Um an ihre Nahrung zu kommen, mussten sich die Bienen am Ausgang der Plastikröhre zwischen drei gemalten Zitronen und vier grünen Blättern entscheiden. Die Bienen merkten sich die gesehene Punktezahl am Eingang der Röhre – also drei Punkte – und lernten, dass sie am Ausgang in die Richtung fliegen müssen, wo ebenfalls drei Objekte angezeigt wurden. «Die Biene lässt sich vom Objekt selbst nicht ablenken, sondern sie hat gelernt, dass es nur auf die Anzahl ankommt», sagte Gross.

Grössere Mengen als vier, beispielsweise in Paarungen von vier gegen fünf oder mehr Objekten, konnten dagegen von den Insekten nicht mehr unterschieden werden. Ab einer Menge von vier nimmt die Biene Objekte als «viel» wahr. Im Alltag nutzt die Biene ihre numerischen Fähigkeiten, um sich Häuser oder Bäume zu merken. Auf diese Weise findet sie leichter den Weg zurück zu ihrem Bienenstock.

Präsentierten Erstaunliches aus dem Reich der Zahlen (von links): Psychiater Michael von Aster und Neurowissenschaftlerin Karin Kucian vom Kinderspital Zürich, Psychologe Roland Grabner (ETHZ) und Biochemiker Hans J. Gross (Universität Würzburg) im Gespräch mit Moderatorin Marina Villa.

Einsteins Schaltzentrale

Roland Grabner, Psychologe an der Universität Göttingen und an der ETH Zürich, hat die Schaltzentrale des Rechnens ausgemacht. Er erklärte, dass die Hirnareale des Gyrus angularis und intrapartiellen Sulcus bei Mathematikern besonders aktiv sind.  Tatsächlich scheint auch das Physikgenie Albert Einstein diese Region besonders stark genutzt zu haben.

Doch nicht alle Menschen haben eine gute Beziehung zur Mathematik, viele erinnern sich an schreckliche Mathematikstunden, die ihnen die Schulzeit vergällten. Das muss nicht sein, meinte Professor Michael von Aster, Pädagoge und Psychiater am Universitäts-Kinderspital Zürich.

«Mathe ist ein Arschloch»

Er zitierte zu Beginn seines Vortrags den Fluch eines Mädchens: «Mathe ist ein Arschloch». Tatsächlich scheinen Mathematikängste wie Schmerzen wahrgenommen zu werden und auch entsprechende Regionen im Gehirn zu aktivieren. Mathematikängste entstehen nicht von ungefähr. Sie entwickeln sich in der Folge chronischen Versagens im Rechnen. Etwa fünf bis sechs Prozent aller Grundschulkinder sind davon betroffen.

Vor allem Mädchen geraten beim Rechnen schnell einmal in Stress. Von Aster hat festgestellt, dass Mädchen bereits im zweiten Kindergartenjahr den Jungen im Rechnen unterlegen sind. Das liegt jedoch nicht daran, dass sie von Natur aus schlechter rechnen können. Die Gründe liegen im unterschiedlichen Spielverhalten: Während Mädchen in diesem Alter Rollenspiele bevorzugen, suchen Jungen den Vergleich. Sie wollen wissen, wer weiter springt, wer besser wirft usw. Dadurch werde die zahlräumliche Vorstellung bei den Jungen früher aktiviert.

Die Ursachen für das Scheitern in der Mathematik sind jedoch ebenso vielfältig wie die am Rechnenlernen beteiligten geistigen Teilfunktionen. Eine Rechenschwäche, die Dyskalkulie, sei aber kein unveränderliches Schicksal, betonte von Aster.

Neue Untersuchungsergebnisse zeigen, dass ein gezieltes Training helfen kann.  Michael von Aster entwickelte mit «Calcularis» eine neue Trainings-Software zur Verbesserung von Zahlenverständnis und Rechenfertigkeiten. Sie eignet sich insbesondere für Kinder, die beim Rechnenlernen Schwierigkeiten haben und führt zu neuronalen Veränderungen, die mit verbesserten Fähigkeiten einhergehen. Mit der Zunahme rechnerischer Fähigkeiten, nimmt dann auch die Angst ab.