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Abschied von der Generation 48

«Damals herrschte grosse Euphorie»

Diesen Sommer wurden mehrere Professoren emeritiert, die 1948 geboren sind und die Universität Zürich lange Jahre durch ihre Forschung und Lehre geprägt haben. Einer von ihnen ist Hans Ulrich Bucher, Professor für Neonatologie. UZH News hat ihn nach seinen Erfahrungen und nach der Zukunft seines Faches befragt.
Marita Fuchs, Redaktorin von UZH News
«Man muss eine gute Beobachtungsgabe entwickeln.» Hans Ulrich Bucher als Neonatologe, ca. 1997.

Herr Bucher, in den 70er Jahren haben Sie Ihre wissenschaftliche Laufbahn begonnen. Was war typisch für diese Zeit?

Hans Ulrich Bucher: Es herrschte grosse Euphorie und ein unerschütterlicher Glaube an den technischen Fortschritt in der Medizin. Damals wurde beispielsweise die so genannte nicht invasive Diagnostik in der Neonatologie entwickelt. Bei den kleinen Kindern, die zum Teil nicht mehr als ein Kilo wogen, bekamen wir durch Röntgen und Ultraschall, später durch Magnetresonanztomographie und Nahinfrarot-Spektroskopie, die Möglichkeit, Vorgänge in den kleinen Körpern zu verstehen und medizinisch rechtzeitig einzugreifen.

Zudem konnten wir Blutgase und Bilirubin durch die intakte Haut messen und so den Kindern schmerzhafte Blutentnahmen ersparen. Mit diesen neuen transcutanen Messungen erhielten wir statt punktuellen Informationen kontinuierlich Auskunft über die Sauerstoffversorgung.

Gerade in meinem Fachgebiet, der Neonatologie, konnten Kinder gerettet werden, die früher gestorben wären.

«Wir konnten immer unreiferen Frühgeborenen das Überleben sichern.» Hans Ulrich Bucher im Jahr 2003.

Welches war für Sie das schönste Erlebnis in Ihrer Zeit als Professor an der UZH?

Hans Ulrich Bucher: Schon im Studium hat mich die Arbeit mit den Frühgeborenen fasziniert. Weil Sprache als Kommunikationsmittel wegfällt, muss man eine gute Beobachtungsgabe entwickeln und die Möglichkeiten der medizinischen Diagnostik voll ausschöpfen.

Ich erinnere mich an Nächte, in denen ich um ein Kind gekämpft habe: Es warm gehalten, künstlich ernährt und beatmet, den Kreislauf gestützt, die Eltern getröstet. Am Morgen ging es dem Kind plötzlich besser. Das waren Glückserlebnisse.

Auf welche zukünftigen Entwicklungen in Ihrem Fach sind Sie besonders gespannt?

Hans Ulrich Bucher: In den letzten Jahrzehnten konnten wir dank technologischer Errungenschaften und besseren Kenntnissen immer unreiferen Frühgeborenen das Überleben sichern und Kinder mit komplexen Fehlbildungen, zum Beispiel des Herzens, erfolgreich operieren. Wir haben heute den Eindruck, dass die Intensivbehandlung von Neugeborenen an Grenzen stösst, da von den Kindern, die wir durchbringen, etliche lebenslang behindert sind. Ich bin gespannt, wie die nächste Generation dieses medizinisch-ethische Dilemma lösen wird.

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