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Akademische Karriere

Wie Herakles am Scheideweg

Zielstrebig auf eine Professur hinarbeiten? Oder doch lieber abwarten, was der Zufall bringt? Die erste Podiumsveranstaltung in der neuen Reihe «Academic Career Talks» des Graduate Campus der UZH ging der Frage nach, wie man als Doktor Phil. am besten ins Berufsleben einsteigt. 
David Werner
Wagemut zahlte sich aus: Reto Zingg, Altertumswissenschaftler und Lektor beim Schwabe-Verlag.

Geschafft: Die Doktorarbeit ist nach jahrelanger Mühe vollendet. Ein schöner Moment. Der stolze Blick zurück aufs Geleistete paart sich mit freudiger Erwartung dessen, was als nächstes kommen mag. Die Zukunft steht so offen wie selten.

Doch für manche frisch Promovierte schlägt die Jubelstimmung bald in Ernüchterung um. Sie müssen realisieren, dass auf dem Arbeitsmarkt niemand auf sie gewartet hat. Kein roter Teppich, kein Galaempfang, nirgends. Das grosse Werk, das lange Zeit den Mittelpunkt des Universums zu bilden schien – es scheint niemanden zu interessieren.

Genau so erging es Reto Zingg. Längere Zeit war der promovierte Altertumswissenschaftler arbeitslos. Erst über Umwege fand er zu seiner Berufung: Heute ist er Lektor beim renommierten Wissenschaftsverlag Schwabe.

Sprung ins Berufsleben

Es empfiehlt sich, frühzeitig darüber nachzudenken, wohin der berufliche Weg nach der Doktoratszeit führen soll. Um den Doktorierenden Anstösse für solche Überlegungen zu geben, hat der Graduate Campus der UZH eine neue Veranstaltungsreihe mit dem Titel «Academic Career Talks» ins Leben gerufen. Gestandene Berufsleute berichten darin von ihren Erfahrungen und zeigen am eigenen Beispiel, wie der Sprung in eine akademische Berufslaufbahn erfolgreich zu bewältigen ist.

Die erste Podiumsveranstaltung in der Reihe war den Geistes- und Sozialwissenschaften gewidmet. Geladen waren Tatiana Crivelli, Professorin für Italienische Literatur an der UZH, Gregor Husi, Soziologe und Dozent an der Fachhochschule Luzern, sowie der bereits erwähnte Reto Zingg.

Auch Umwege führen zum Ziel

Am dramatischsten schilderte Reto Zingg die Schwellensituation zwischen Doktorat und Berufsleben. Wie Herakles am Scheideweg sei er sich vorgekommen. Weiterhin Forschung zu betreiben wäre für ihn der einfachere Weg gewesen. Zingg aber suchte die Herausforderung, wählte die grosse Unbekannte: Das Berufsleben ausserhalb der vertrauten akademischen Sphäre.

Eineinhalb Jahre verbrachte er damit, Bewerbungen zu verschicken. Erfolglos. Die Wende brachte ein Angebot des Arbeitslosenamtes für einen Aufenthalt als Deutschlehrer in Moskau. Für den promovierten Gräzisten und Latinisten bedeutete dies eine radikale Umorientierung. Dann – er hatte sich in Russland schon gut eingelebt und Russisch gelernt – folgte eine erneute Spitzkehre. Unaufgefordert wurde ihm seine Traumstelle angeboten: Lektor für Altertumswissenschaften beim renommierten Schwabe-Verlag.

«Bleiben Sie offen für Überraschungen, scheuen Sie sich nicht, immer wieder umzuschulen und sich auf Neues einzulassen», riet Zingg den im Publikum anwesenden Doktorierenden. «Und werden Sie nicht ungeduldig, wenn es einmal nicht vorwärts geht!»

Die Zeit ist knapp

«Seien Sie ungeduldig, planen Sie rechtzeitig und seien Sie zielstrebig!», empfahl dagegen Tatiana Crivelli. Doktorierende, die eine akademische Karriere ins Auge fassten, seien gut beraten, mit ihrer Zeit gut zu haushalten. Bis 45 sei es möglich, eine Professur an einer Universität zu bekommen, danach werde es sehr schwierig. In verhältnismässig kurzer Zeit gelte es, sich wissenschaftlich zu qualifizieren, Auslanderfahrung zu sammeln und ein tragfähiges Netzwerk aufzubauen.

Beharrlich aufs Ziel hingearbeitet: Tatiana Crivelli, Professorin für Italienische Literaturwissenschaft an der UZH.

Im Rückblick auf ihre eigene Laufbahn, sagte Crivelli, sei ihr vor allem viel Durchhaltewillen abgefordert worden. Die Liebe zum Fach sei unabdingbar, reiche aber als Voraussetzung für eine Professur nicht aus. Man müsse auch selbstbewusst und nervenstark genug sein, um die langen, mit viel Unsicherheit verbundenen Jahre in schlecht bezahlten und befristeten Arbeitsverhältnissen durchzustehen, die der Professur vorausgehen.

Die Romanistin lehrt seit 2003 als Professorin für Italienische Literatur an der UZH. Motiviert hat sie in ihrer Laufbahn vor allem ein Forschungsaufenthalt in den USA während der Doktoratsszeit und die ständige fachliche Auseinandersetzung mit Kolleginnen und Kollegen. «Sich der kritischen Diskussionen zu stellen ist nicht nur unvermeidbar, sondern auch wünschenswert, weil es das Selbstbewusstsein wie kaum etwas anderes stärkt, wenn man realisiert, dass man sich im wissenschaftlichen Wettbewerb behaupten kann», sagte Crivelli. Sie wünschte den Doktorierenden Mut, sich möglichst rasch auf solche Auseinandersetzungen einzulassen.

Der Zufall führt Regie

Weit weniger zielstrebig als Tatiana Crivelli ging Fachhochschuldozent Gregor Husi seine berufliche Laufbahn an. «Ich habe mich immer ganz der Begeisterung für mein Fach hingegeben und ansonsten nicht viel entschieden, sondern mich für gute Gelegenheiten bereit gehalten», sagte er. So sei es auch nach der Promotion gewesen – an der Wegscheide zwischen inner- und ausseruniversitärer Karriere. Husi liess den Zufall bestimmen. Er machte die Wahl davon abhängig, von welcher Seite das erste Stellenangebot kam. So landete der Soziologe zunächst in der Erwachsenenbildung. Es folgte ein Forschungsaufenthalt in Paris. Bei der Rückkehr lag bereits ein Stellenangebot der Hochschule Luzern auf dem Tisch.

Liess wichtige Entscheidungen gelassen auf sich zukommen: Gregor Husi, Dozent an der Hochschule Luzern.

Eine Frage des Lebensstils

Gregor Husis Empfehlung an die Doktorierenden war, sich rechtzeitig zu überlegen, welchen Lebensstil sie bevorzugten. Für ihn selbst sei wichtig gewesen, seiner Leidenschaft für die Gesellschaftstheorie nachgehen zu können und zugleich genügend Zeit für das Familienleben zu haben. Als Fachhochschul-Dozent habe er damit genau die ihm entsprechende Stelle gefunden. «Wer Begeisterung für sein Fach und hohe intrinsische Motivation für die wissenschaftliche Arbeit mitbringt, für den ergeben sich die Dinge wie von selbst» – so fasste Gregor Husi seine Philosophie zusammen.

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