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Allergien

Vielseitige Beikost schützt Babys vor Dermatitis

Das erste Lebensjahr ist entscheidend für die Entwicklung des Immunsystems. Forscher der Universität Zürich haben nun herausgefunden, dass eine vielseitige Beikost im ersten Lebensjahr vor Allergien schützen kann. Die Studie erschien im «Journal of Allergy & Clinical Immunology». 
Marita Fuchs
Pädiaterin Caroline Roduit: «Im ersten Lebensjahr liegt der Schlüssel zur Allergievermeidung in der Anregung des Immunsystems, insbesondere durch die Nahrung».

Dass Kinder, die auf dem Land mit Kühen, Schweinen und Federvieh aufgewachsen sind, eher von Allergien verschont bleiben als Stadtkinder, ist seit einiger Zeit bekannt. Die Pädiaterin Caroline Roduit, Ärztin am Kinderspital Zürich, hatte zusammen mit europäischen Forscherkollegen aufgrund der Daten einer Langzeitstudie mit über tausend Kindern bereits vor einem Jahr herausgefunden, dass das Umfeld der schwangeren Mutter einen Einfluss auf die Entwicklung des kindlichen Immunsystems hat: Kontakt der Schwangeren mit Stalltieren schützt das Kind vor Allergien. Dieser Effekt ist umso stärker, je grösser die Zahl der Tierarten ist, mit denen die Frau in Berührung kommt.

Nun hat Roduit in einer Folgeanalyse nachweisen können, dass auch Eltern, die ihre Kinder nicht alle Tage mit Kühen, Schweinen oder Ziegen aufwachsen lassen, etwas für das gesunde Immunsystem ihrer Sprösslinge tun können: Die Ernährung des Kleinkindes kann Allergien fördern oder hemmen. Förderlich ist es, so Roduit, wenn Babys im ersten Lebensjahr eine vielseitige Beikost wie Gemüse, Obst, Getreide, Joghurt und Fleisch bekommen. Die Studie erschien im Juli dieses Jahres im «Journal of Allergy & Clinical Immunology».

Atopische Dermatitis als Einstiegstor für andere Allergien

Im Detail hat Roduit die Entwicklung von Kindern bis zu derem vierten Lebensjahr analysiert. Dabei hat sie festgestellt, dass zu Allergien neigende Babys schon früh eine atopische Dermatitis (Neurodermitis) entwickeln – eine juckende Hautkrankheit, die zu trockener, geröteter und schuppender Haut führt und in schlimmen Fällen offene Wunden zeigt.

Atopische Dermatitis kommt relativ häufig bei kleinen Kindern vor, Tendenz steigend. Gleichzeitig gilt sie als Eintrittspforte für weitere Allergien. Diejenigen Kinder, die als Babys eine Neurodermitis hatten, leiden später häufiger unter Asthma oder einer anderen allergischen Krankheit. Mediziner sprechen auch vom «allergischen Marsch».

Rote, schuppende, manchmal auch nässende Ekzeme auf der Haut: Dermatitis bei einem Kleinkind.

Roduit arbeitete mit den Daten einer Langzeitstudie mit 1041 Kindern aus Österreich, Finnland, Frankreich, Deutschland und der Schweiz. 498 Kinder stammten aus Bauernfamilien und 543 aus Nicht-Bauernfamilien. 27 Prozent von ihnen hatten eine atopische Dermatitis bis zum vierten Lebensjahr.

Die Forscher begleiten die Kinder, die an der Langzeitstudie teilnehmen, seit Beginn der Schwangerschaft. Erfragt wurde zum Beispiel, ob das Kind auf einem Bauernhof lebt oder nicht, wie die Mutter die Schwangerschaft erlebt hat, was das Kind gegessen hat, ob die Nahrung aus dem eigenen Garten kommt und selbst zubereitet wurde, mit welchen Tieren es zu tun hat, ob es Kuhmilch direkt vom Hof trinkt – und viele andere Faktoren. Alle an der Studie beteiligten Kinder leben auf dem Land. «Stadtkinder sind ganz anderen Bedingungen ausgesetzt, weil viele Faktoren hinzukommen, die sich nur schwer abschätzen lassen, wie etwa die Wirkung von Abgasen», sagt Roduit.

Denn bis heute wissen die Forscher noch nicht genau, warum gerade Bauernkinder weniger Allergien zeigen. Die Hypothese ist, dass eine Immuntoleranz entwickelt wird oder die Stimulation von Zellen, die für die Immunabwehr zuständig sind, hervorgerufen wird, wenn der Organismus intensiver mikrobiellen Antigenen in Ställen ausgesetzt ist.

Vielseitige Ernährung regt das Immunsystem an

Für die neuesten Ergebnisse hat Roduit die Daten der Exposition genau analysiert. Das heisst, sie hat alle wichtigen Einflüsse, denen die Kinder von der pränatalen Phase bis zum ersten Lebensjahr ausgesetzt waren, untersucht. Dabei zeigte sich: Auch im ersten Lebensjahr liegt der Schlüssel zur Allergievermeidung in der Anregung des Immunsystems, insbesondere durch die Nahrung.

Wenn man Kindern bereits im ersten Lebensjahr möglichst viele Lebensmittel anbietet, so zeigen sich deutlich weniger Dermatitisfälle. «Für jedes zusätzlich eingeführte Nahrungsmittel im ersten Lebensjahr wurde eine Reduktion von 25 Prozent für das Risiko einer Entwicklung von atopischer Dermatitis festgestellt», bilanziert Roduit. Allerdings konnte sie nicht nachweisen, dass es einen Unterschied gibt zwischen selbst zubereiteter Kost aus dem eigenen Garten oder im Supermarkt gekauften Lebensmitteln.

Dass nicht alle Kinder gleich auf das Nahrungsangebot reagieren, führt die Pädiaterin auf eine starke genetische Prädisposition zur Allergie bei einigen Kindern zurück. Das kommt etwa vor, wenn beide Elternteile ebenfalls unter einer starken Allergie leiden.

Eine gesunde Darmflora aufbauen

Doch auch der Zeitpunkt der Zuführung von Beikost ist wichtig. Mehrere Studien zeigten, dass es keinen zusätzlichen Schutz vor Allergien gibt, wenn die Beikost erst nach dem sechsten Lebensmonat einsetzt. Wie Roduit nachweisen konnte, gilt der Schutzeffekt auch im Hinblick auf die atopische Dermatitis. Der Grund: In dieser Zeit baut sich das Immunsystem der Babys auf. Eine kürzlich erschienene schwedische Studie bestätigt die Empfehlung: Die Schweden konnten nachweisen, dass die Beikost von Fisch vor dem neunten Monat dazu führt, dass weniger Kinder unter atopischer Dermatitis litten. Diese Erkenntnisse schlagen sich nun auch in den Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaft für Ernährung nieder: Am besten sei es, zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat mit der Beikost zu beginnen.

Und noch ein interessantes Detail: Joghurt scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Roduit konnte nachweisen, dass die Kinder, die Joghurt zusätzlich zur Beikost assen, eine grössere Schutzwirkung zeigten. «Das Joghurt wird wahrscheinlich für eine gesunde Darmflora sorgen», vermutet die Forscherin.