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Krebsforschung

Tumorzellen individuell erkennen

Forscher der ETHZ und der UZH haben eine Methode entwickelt, mit der sie Mutationen in Tumorzellen entdecken können, die nur in einem Teil der Zellen des Krebses vorhanden sind. Die Auswertung zeigt: Zellen eines einzelnen Tumors sind variabler als angenommen – und von Patient zu Patient verschieden.
Peter Rüegg
Ein Tumor besteht aus variantenreicheren Krebszellen als ursprünglich angenommen. Im Bild eine Lungenkrebszelle.

Ein Tumor entwickelt sich manchmal nur sehr langsam. Es beginnt mit ein paar Zellen, die mutieren. Dann vermehren sich diese Zellen. Und mutieren wieder. Die Mutanten sind erfolgreicher als ihre Vorgänger, vermehren sich und verdrängen diese. So entstehen laufend neue Varianten von Zellen, von denen sich die am besten angepasste am stärksten vermehrt: Der Tumor durchläuft eine Evolution, die zu einem genetisch uneinheitlichem Krebsgebilde führt.

Dies macht es schwierig, einen Tumor mit einem Medikament zu behandeln, da möglicherweise Zellen vorhanden sind, die nicht auf den verwendeten Wirkstoff ansprechen. Forscher der UZH, der ETH Zürich und des Schweizerischen Instituts für Bioinformatik haben eine neue Methode entwickelt, mit der sie die genetischen Varianten von Tumorzellen zuverlässig bestimmen können. Der Ansatz macht es möglich, Mutationen zu bestimmen, die nur in einer von 10‘000 Zellen vorkommen. Die Arbeit wurde eben in Nature Communications veröffentlicht.

Bedeutsam für die klinische Anwendung

«Die Erkenntnisse aus dieser Forschungsarbeit haben eine grosse Bedeutung für die personalisierte Medizin, da in zukünftigen Studien abzuklären ist, wie gross der Anteil der mutierten Tumorzellen sein muss, damit ein Medikament eine Wirkung entwickeln kann», sagt Holger Moch, Professor für Pathologie an der Universität Zürich und Mitautor der Studie.

Die neue Methode wird für die Anwendung in der Klinik wichtig, wenn es zum Beispiel darum geht, therapieresistente Zelltypen zu entdecken, um dann die Behandlung entsprechend anzupassen. «Der Ansatz erlaubt es, die Häufigkeit gewisser Varianten innerhalb der Tumorzellpopulation zu messen. Dies gibt Aufschlüsse darüber, wie Tumore wachsen und wie schnell sie sich innerhalb des Patienten genetisch verändern», erklärt Moritz Gerstung vom Departement Biosysteme der ETH, Erstautor der Studie.

Test an Nierenkrebsgewebe erfolgreich

Bei einem Vergleich von zwei bestimmten Regionen zweier Gene aus gesunden Nierenzellen und aus Nierenkrebszellen haben die Forscher 24 Genvarianten gefunden. Einzelne Varianten waren nur in 2 von 10‘000 untersuchten Zellen vorhanden, andere hingegen in über einem Drittel.

Für ihre Methode haben die Forscher unzählige Tumorzellen aus Nierenkrebsgewebe genetisch analysiert und dazu moderne Sequenziertechnologie, so genanntes «deep sequencing», eingesetzt. Dabei werden Millionen von DNS-Fragmenten aus einzelnen Genen zeitgleich sequenziert. Diese DNS-Fragmente werden aus einer Population von Tumorzellen isoliert und geben Aufschlüsse auf die genetische Zusammensetzung des Tumors. Diese Gene wurden über 100‘000 Mal sequenziert, was einer Menge von ebenso vielen individuell sequenzierten Zellen entspricht.

Beim Ablesen des genetischen Codes kommen jedoch Lesefehler vor. Um diese Fehler nicht fälschlicherweise für echte Mutationen zu halten, sequenzierten die Forschenden parallel gesundes Gewebe, um an jeder Stelle der DNS die Fehlerrate bestimmen zu können. Um an einer bestimmten Stelle echte Mutationen von Sequenzierfehlern zu unterscheiden, haben sie einen speziellen statistischen Algorithmus entwickelt. «Dies war für uns ein kritischer Schritt, da schon kleinste Ungenauigkeiten zu einer grossen Anzahl an Fehlern führen können, da der Algorithmus mehrere Millionen DNS-Fragmente analysiert», sagt der Forscher des Departements Biosysteme der ETH.

Personalisierte Krebsmedizin angestrebt

Die Forscher haben ihre neue Methode zunächst an Kontrollproben mit bekannter Zellzusammensetzung getestet. Damit wollten sie sicherstellen, dass sie funktioniert und keine falschen Vorhersagen ausgibt. Danach haben sie vier Tumorproben analysiert und zahlreiche Mutationen respektive Untertypen von Zellen gefunden. «Deren Existenz belegt die Theorie, dass sich Tumore gemäss einem Darwin‘schen Evolutionsprozess laufend verändern», so Gerstung.

Die neue Methode hilft, Krebstherapien weiter zu personalisieren. Tumore müssten künftig nicht als Einheit behandelt werden. Weiss man, um welche Zelltypen es sich handelt, lassen sich Therapien individuell anpassen. Wann und ob die Methode routinemässig in der Klinik zum Einsatz kommt, ist laut Gerstung noch nicht klar. Weitere Forschung ist nötig, um sie besser zu etablieren. Sie ist aber soweit, dass man sie auch bei anderen Krebsarten anwenden kann.

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