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Nachwuchsförderung

«Frühere Selektion wäre von Vorteil»

Der Physiker Jürg Diemand stellt sich die Frage, ob die Forderung nach immer mehr staatlicher Forschungsförderung in die richtige Richtung zielt. 
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Jürg Diemand: «Macht der Reflex, sofort nach mehr Geld für den SNF zu rufen, überhaupt Sinn?»

Anstatt sich an seinem 60 jährigen Jubiläum einfach selbst zu feiern, hat der SNF junge Forschende dazu eingeladen, ihre Anliegen, Wünsche und auch Kritik zu äussern. Für die Einladung an diese gelungene, sehr interessante Veranstaltung mit dem Titel «Forschungsnachwuchs: Macht die Schweiz genug?» möchte ich dem SNF herzlich danken. Die Frage im Titel des Workshops ist rhetorisch: Natürlich macht die Schweiz nicht genug. Deswegen wurde wie so oft vehement mehr Geld von der Politik gefordert. Aber macht die Schweiz überhaupt das Richtige?

Das Hauptproblem war unbestritten: Sehr wenige Frauen und schaffen es Professorin zu werden, und sehr selten rekrutieren Universitäten ihre Professorinnen und Professoren aus dem eigenen  Nachwuchs.

Worin liegt die Hauptursache dieses Problems? Caspar Hirschi (ETHZ) brachte es in seinem Referat auf den Punkt: Nur 14 Prozent der Forschenden in der Schweiz haben eine unbefristete Anstellung (in den USA sind es 55 Prozent, wenn Forscher mit tenure track mitgezählt werden sogar 82 Prozent). Die wenigen unbefristeten Stellen werden meist an relativ alte Forscher (40 plus) vergeben. Verständlich, denn die sind etabliert und gut vernetzt und damit sicher in der Lage, von Anfang an reichlich Forschungsgelder an die Universitäten zu holen.

Zu alt für befristete Nachwuchsstellen

Der Forschungsnachwuchs soll sich mit Stipendien und befristeten Stellen über Wasser halten, mobil, flexibel und sehr produktiv sein. Die Lehre wird zu Nebensache degradiert, da sie kaum eine Rolle spielt bei Bewerbungen. Viele sind dann irgendwann zu alt für diese befristeten Nachwuchsstellen, müssen die akademische Laufbahn aufgeben und sich in relativ fortgeschrittenem Alter beruflich neu orientieren.

Deswegen entscheiden sich viele eigentlich hochmotivierte, talentierte Frauen und Männer irgendwann nach Studium, Doktorat oder den ersten Postdocstellen gegen eine akademische Laufbahn, insbesondere wenn sie eine Familie haben oder gründen mochten.

Attraktivere Privatwirtschaft

Unser Glück, in einem sehr attraktiven, wirtschaftlich starken Land zu leben, erweist sich für den Forschungsnachwuchs als Problem: Viele Schweizerinnen und Schweizer ziehen eine Karriere in der Privatwirtschafteiner mit vielen Ungewissheiten verbundenen akademischen Laufbahn vor.

Klar ist, dass es mehr unbefristete (aber durchaus kündbare) unabhängige Forschungsstellen braucht. Dass der SNF diese schafft, wäre möglich. Frankreich geht einen solchen Weg. Doch für die Schweiz wünscht sich kaum jemand so ein zentralistisches System. Oft gefordert wurde  dagegen, dass herausragende junge Forscher (direkt oder wenige Jahre nach dem Doktorat) von den Universitäten selbst unbefristet angestellt werden (zum Beispiel als Assistenzprofessor mit tenure track), um dann bei entsprechender Leistung weiter beschäftigt und befördert zu werden.

Diese frühe Selektion wäre besonders auch für jene von Vorteil, die  leer ausgehen. Sie wären dann immer noch im besten Alter, um eine neue Karriere zu starten. Laut Universitätsvertretern laufen Bemühungen in diese Richtung, bisher mit unterschiedlichem Erfolg.

Verschleiss junger Talente

 Doch es stellt sich auch die grundsätzliche Frage: Macht der Reflex, sofort nach mehr Geld für den SNF zu rufen, überhaupt Sinn? Ist es nicht gerade der SNF, der die meisten dieser problematischen befristeten Stellen finanziert?  Die Basis der vielzitierten akademische Pyramide wird durch den SNF künstlich aufgebläht. Das Angebot an Nachwuchsforschern übersteigt die akademische Nachfrage um ein Vielfaches. Eine gewisse Breite ist nötig (etwa wie in den USA), denn nicht jeder Doktorand will (oder sollte) einmal Professor werden. Aber die Schweizer Pyramide ist viel zu breit und die Selektion auf unbefristete Stellen passiert zu spät. Unser staatlich finanziertes Forschungssystem ist äusserst ineffizient, es verschwendet Know How und verschleisst junge Talente.