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Wissenschaftliche Redlichkeit

«Plagiate sind kein unkontrollierbares Phänomen»

Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist seinen Doktortitel der Universität Bayreuth los. Er hat «plagiiert». Die Universität Zürich setzt auf Prävention und Information. Und gegen Missbräuche hat sie Sicherungen eingebaut: etwa mündliche Prüfungen oder die softwaregestützte Analyse. Thomas Hildbrand, Leiter Bereich Lehre, sagt wie’s funktioniert.
Interview: Thomas Gull

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UZH News: Die Debatte um den Fall «zu Guttenberg» wirft die zentrale Frage auf: Handelt es sich um eine Ausnahme, oder gehört das Plagiat zum akademischen Alltag?

Thomas Hildbrand: Die Auseinandersetzung mit Argumenten und Informationen anderer Personen ist substanziell für eine wissenschaftliche Arbeit. Die Frage ist, wie die Verwendung von Informationen, Gedanken und Argumenten transparent gemacht wird.

Thomas Hildbrand, Leiter Bereich Lehre: «Die weitaus meisten Studierenden arbeiten wissenschaftlich einwandfrei.»

Auf dem Weg zur Akademikerin und zum Akademiker werden die Studierenden mit den Grundprinzipien und der Grundhaltung des wissenschaftlichen Arbeitens vertraut gemacht. Dass gegen diese Prinzipien verstossen werden kann, wissentlich oder versehentlich, liegt in der Natur der Sache. Klar ist aber auch: Das Arbeiten mit Plagiaten ist unzulässig.

Ist es vorstellbar, dass die Universität Zürich in einen vergleichbaren Fall verwickelt werden könnte?

Vorstellbar ist vieles. Die Universität Zürich setzt sich bereits seit Jahren mit der Thematik auseinander. Zentral dabei ist, dass nicht ein Element allein die Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten sicher stellen muss. So setzt die UZH auf Prävention und Information, stellt aber auch Instrumente und Verfahren bereit, die im Falle eines Verdachts angewendet werden. Zudem begleiten die Dozierenden die Studierenden durch das Studium und haben so zahlreiche Gelegenheiten, sich ein Bild von deren Fortschritt im Studium sowie von deren wissenschaftlicher Grundhaltung zu machen.

Sind Plagiate an der Universität Zürich ein Problem?

Wenn die Frage darauf abzielt, ob es auch an der Universität Zürich Plagiatsfälle gegeben hat und gibt, so kann sie eindeutig mit Ja beantwortet werden. Auch an der Universität Zürich gibt es Arbeiten, bei denen die Prüfenden den Verdacht haben, dass plagiiert wurde, und es gab in der Tat auch Fälle, bei denen Sanktionen ausgesprochen wurden. Kein Problem sind Plagiate aber in dem Sinne als es sich dabei in keiner Weise um ein unkontrollierbares Phänomen handelt. Die weitaus meisten Studierenden arbeiten wissenschaftlich einwandfrei und geben sich alle Mühe, die wissenschaftlichen Standards korrekt anzuwenden.

Wer ist verantwortlich für Qualität und Rechtschaffenheit der akademischen Abschlussarbeiten an der Universität Zürich?

Die Verantwortung liegt bei den Stellen, die für die akademische Bildung zuständig sind, das heisst, bei den Fakultäten und bei den Lehrstühlen. Dort werden die Arbeiten überprüft und bewertet, auch mit Blick auf das methodisch saubere Arbeiten.

An der Universität St. Gallen werden alle Abschlussarbeiten und Dissertationen auch elektronisch eingereicht und dann überprüft. Wie wird das an der Universität Zürich gehandhabt?

Die Fakultäten und Lehrstühle haben ihre eigenen Usanzen. Doch immer häufiger wird auch eine Abgabe der Arbeiten in elektronischer Form verlangt.

Auf welchen Stufen werden die wissenschaftlichen Arbeiten überprüft?

Alle Arbeiten werden unseren Grundsätzen entsprechend an den Lehrstühlen unter Verantwortung der Professorinnen und Professoren überprüft, die grösseren Arbeiten auch von ihnen selbst. Im Verdachtsfall kann eine softwaregestützte Analyse erfolgen.

In aller Regel finden zudem mündliche Prüfungen statt, mit denen auch die Urheberschaft der abgelieferten Texte verifiziert werden kann. Gerade zur Verhinderung des technisch nicht aufdeckbaren Ghostwritings ist diese Massnahme wichtig. Aus akademischer Sicht hat eine mündliche Prüfung oder auch eine Präsentation vor einem erweiterten Fachpublikum darüber hinaus einen eigenen Wert, da hier wesentliche Kompetenzen der mündlichen Argumentationsführung unter Beweis gestellt werden können.

Die Universität Zürich verwendet für die Überprüfung der Arbeiten die Software «Docoloc». Beim Softwaretest 2010 der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin erhielt das Programm das Prädikat «für die Lehre kaum brauchbar». Wie beurteilen Sie die Software?

Die Universität Zürich stellt bei der Enttarnung von Plagiaten nicht allein auf den Einsatz einer Software, sondern wie gesagt auch auf Prävention und ergänzende Prüfungsformen ab. Neben «Docoloc» kommen auch noch andere Instrumente zum Einsatz.

Wie ein kürzlich in der Tagespresse erschienener Artikel zeigt, gibt es keine in allen Punkten überzeugende Software zur Aufdeckung von Plagiaten. Alle haben Vor- und Nachteile. So eignen sich solche Systeme kaum, um etwa Fälle von Ghostwriting aufzudecken. Bei der Wahl von «Docoloc» waren für uns neben der Leistungsfähigkeit zur Plagiatsentdeckung auch Aspekte wie Urheberrechtsschutz, Handhabbarkeit oder Suchalgorithmus von Bedeutung.

Mit welchen Konsequenzen müssen Studierende und Doktorierende rechnen, wenn sie mit Plagiaten erwischt werden?

Die Strafen richten sich nach den Bestimmungen der Disziplinarordnung. Es können unterschiedliche Sanktionen bis hin zum Ausschluss vom Studium für bis zu sechs Semester ausgesprochen werden.

Was unternimmt die Universität Zürich, um Studierende auf die Problematik des Plagiierens aufmerksam zu machen?

Die Unterweisung im korrekten wissenschaftlichen Arbeiten ist Aufgabe der Fakultäten und der Dozierenden und diese Aufgabe erfüllten sie auch schon vor der öffentlichen Diskussion um die Plagiatsthematik. Vom Bereich Lehre aus erinnern wir immer wieder an die Thematik und stellen zentral und online die relevanten Informationen und Hilfsmittel bereit.

Welche Konsequenzen hat der Fall «zu Guttenberg» für die Reputation der Hochschulen und die von ihnen vergebenen Titel?

Der Fall «zu Guttenberg» zeigt auf, mit welcher Verantwortung Hochschulen umgehen müssen. Er zeigt aber auch, dass sie sich grundsätzlich der Problematik des wissenschaftlich unkorrekten Arbeitens bewusst sind und insbesondere auf die neuen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit dem Internet und der elektronischen Verfügbarkeit von Texten entstanden sind, angemessen reagiert haben.

Darüber hinaus macht der Fall deutlich, dass auch wissenschaftliche Rezensionen einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung in der Scientific community leisten. In diesem mehrfachen Sinne hat der Fall «zu Guttenberg» auch sein Gutes, weil er für die Thematik sensibilisiert und auf die möglichen Folgen von wissenschaftlichem Fehlverhalten aufmerksam macht.