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Iranische Salzmumien

Persischer Ötzi

Im Zusammenhang mit der aktuellen Mumien-Ausstellung an der Universität Zürich berichten Wissenschaftler in einer Begleitveranstaltung über neueste Entwicklungen in der Mumienforschung. Unter anderem werden die sensationellen Salzmumienfunde aus Iran vorgestellt.  
Marita Fuchs

Persien im Jahr 500 vor Christus. Im Salzbergwerk von Chehrabad im Nordwesten des Landes lösen Arbeiter ein kostbares Gut aus der Erde: Steinsalz ist so begehrt und teuer wie Gold. Unter den Arbeitern sind junge und ältere Männer. Mit kleinen Öllampen beleuchten sie die Gesteinsadern, abgeschlagenes Salz wird in Ledertaschen geborgen. Die Arbeiter befinden sich etwa 15 Meter unter Tage. Ihre Arbeit ist gefährlich, bricht eine Salzsäule weg, stürzt die Erde ein und begräbt sie unter sich.

Iran 1993. Arbeiter machen in der Nähe von Chehrabad einen sensationeller Fund: Salzmumien. Sie wurden anders als ägyptische Mumien, nicht mit Absicht konserviert, sondern auf natürlichem Wege durch Austrocknung. «Sechs Individuen konnten bis jetzt freigelegt werden. Für die Wissenschaft eröffnet sich damit ein grossartiges Forschungsfeld», sagt Frank Rühli, Mediziner und Mumienforscher an der Universität Zürich.

Der Stiefel eines Salzarbeiters, ausgestellt im iranischen Bastan Museum.

Einer der Arbeiter, ein junger, etwa 16-jähriger Mann, kauerte in abwehrender Schutzhaltung, als er starb. Seine Mumie ist nahezu unversehrt. «Das Salz konservierte nicht nur seinen Körper, sondern auch die Kleidung und alle Gegenstände, die Salzarbeiter bei sich trugen», sagt Rühli. Die Mumie des jungen Mannes trägt Kleidungsstücke aus achämenidischer Zeit (500 v. Christus), Historiker kannten sie bisher nur von den Reliefs aus Persepolis.

Mobile Spezialistengruppe

Andere Individuen lassen sich der sassanidischen Zeit (500 n. Christus) zuordnen. «Anhand neuester Grabungen gehen wir davon aus, dass es drei oder mehr Bergbauunglücke am selben Ort gegeben hat», sagt Thomas Stöllner, Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Stöllner ist vor zehn Tagen vom Grabungsgebiet zurückgekommen und berichtet von sensationellen Funden, über die er in seinem Vortrag in der Reihe «Mumien: Mensch, Medizin, Magie» an der Universität Zürich am 13. Dezember berichten wird (siehe unten).

Kopf einer Salzmumie aus einem Salzminengrab in Iran.

Bis heute können die Forscher noch nicht genau sagen, wie die Arbeiter organisiert waren, ob es Männer aus der Umgebung oder Wanderarbeiter waren, die als Bergbauspezialisten unter Tage arbeiteten. Histologische Befunde zeigen, dass der kauernde Junge sich vor allem von Fischen und Meeresfrüchten ernährt hat. Vielleicht stammte er aus der Gegend am Kaspischen Meer. «Das spricht für den Einsatz einer mobilen Spezialistengruppe», sagt Stöllner. Neben zahlreichen anderen Funden hat das Team um Stöllner neu eine Latrine entdeckt, die Aufschluss geben kann über Gesundheit, Ernährung und Sozialverhalten der Arbeiter.

Etwa so gross wie ein halbes Fussballfeld: Grabungsstätte im Iran. 

Suche nach genetischen Markern

Forscher der iranischen Antikenbehörde, Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum, der University of Oxford und der Universität Zürich arbeiten in Chehrabad im lockeren Verband zusammen – finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und durch private Stiftungen.

UZH-Forscher Frank Rühli und seine Mitarbeiter führen vor allem genetische Untersuchungen anhand von diversen Gewebeproben durch. «Wir untersuchen die DNA, um Rückschlüsse auf die Herkunft der Mumien ziehen zu können. Des Weiteren interessiert uns, welche Krankheitsgenmarker die Menschen damals hatten», sagt Rühli. Im Detail sucht er zum Beispiel nach Laktoseintoleranz oder Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, um festzustellen, welche Veränderungen und Krankheiten Menschen schon lange begleiten und wie sie sich im Laufe der Evolution entwickelt haben.