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Alzheimer-Krankheit

Das Gedächtnis bewahren

Assistenzprofessor Lawrence Rajendran arbeitet in der Abteilung für Psychiatrische Forschung der Universität Zürich an Hemmstoffen, die die Alzheimer-Krankheit mindern können. Die VELUX-Stiftung unterstützt ihn dabei mit 1.6 Millionen Schweizer Franken.
Marita Fuchs

Plötzlich fehlen mitten im Gespräch die Worte, man vergisst, wie das eigene Kind heisst oder was man zu Mittag gegessen hat: Laut einer von der Mediziner-Zeitschrift «The Lancet» veröffentlichten Schätzung wird die Zahl der Alzheimer-Kranken durch die geburtenstarken Baby-Boomer-Jahrgänge und längere Lebenserwartung bis 2020 auf 42 Millionen weltweit ansteigen; 2040 würden es dann schon 81 Millionen sein.

Hilft nicht auf Dauer: Knoten im Taschentuch als Erinnerungsstütze.

«Der Bedarf nach einem wirksamen Medikament wächst mit der zunehmenden Lebenserwartung der Menschen», sagt Alzheimer-Forscher Professor Lawrence Rajendran von der Universität Zürich, «denn gerade ältere Menschen bedroht der Gedächtnisverlust.» Deshalb hat sich der Zellbiologe schon während seiner Post-Doc-Anstellung am Max-Planck-Institut in Dresden dafür entschieden, die zellularen und genetischen Aspekte der Alzheimer-Krankheit zu erforschen.

Erinnerungsverluste durch zerstörte Nervenzellen

Die Demenz-Erkrankung, die 1906 vom deutschen Arzt Alois Alzheimer entdeckt wurde, hat ihre Ursache in der Ablagerung des Proteins β-Amyloid ausserhalb der Gehirnzellen. Dadurch werden Nervenzellen zerstört, was zu Erinnerungsverlusten und schliesslich auch zu Ausfällen bei Sprache und Körpermotorik führt.

Zudem treten innerhalb der Hirnzellen Ablagerungen auf. Es ist aber unklar, ob diese Ursache oder Folge von Alzheimer sind. Die Ablagerungen entstehen, wenn ein Membranprotein vom Enzym «β-Sekretase» zerschnitten wird.

Lawrence Rajendran: «Wir möchten die genetischen Ursachen der Alzheimer-Krankheit in ihrer ganzen Komplexität erfassen.»

Rajendran ist seit Sommer 2009 Assistenzprofessor an der Universität Zürich. Schon am Max-Planck-Institut in Dresden hatte er zusammen mit Forscher Kai Simons an einem neuartigen Ansatz zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit gearbeitet.

Dabei haben die Forscher untersucht, wann genau das Enzym seine zerstörerische Arbeit aufnimmt. Sie konnten nachweisen, dass es in die Zelle eingeschleust wird – auf dem gleichen Weg, wie etwa die Zellen Nährstoffe aufnehmen. Sobald das zerstörerische Enzym in der Zelle ist, stösst es die Bildung der Ablagerungen an, die dann auf lange Sicht für die Erinnerungsverluste verantwortlich sind.

Zelluläre Zerstörung hemmen

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse hat Rajendran einen β-Sekretase-Hemmer entwickelt. Wie sich herausstellte, waren diese Hemmstoffe um ein Vielfaches effektiver, als die bisher auf dem Markt erhältlichen Präparate.

«Es war eine grosse Herausforderung, die Hemmstoffe an genau die richtige Stelle in der Zelle zu bringen», erklärt Rajendran. Getestet hat er das an Alzheimer-Fliegen – Fruchtfliegen, denen menschliche Alzheimer-Gene implantiert wurden.

Genetische Ursache der Ablagerungen

Rajendran arbeitet jetzt weiter an einer Therapie gegen den Gedächtnisverlust beim Menschen. Das auf sechs Jahre angelegte Forschungsprojekt will der Frage nachgehen, wie viele und welche Gene im menschlichen Körper die Ablagerungen in den Gehirnzellen verursachen. Der Mensch hat etwa 25'000 Gene. «Wir wollen herausfinden, wie viele davon das Potential haben, die Alzheimer-Krankheit anzustossen», erläutert Rajendran.

«Wir möchten die genetischen Ursachen in ihrer ganzen Komplexität erfassen», sagt Rajendran. «Dazu gehört es auch, individuelle medizinische Zusammenhänge zu erfassen, denn jeder Mensch hat eigene Genkombinationen, die sich auch unterschiedlich auf die Alzheimer-Krankheit auswirken.»

Finanziell unterstützt wird er von der VELUX-Stiftung mit 1.6 Millionen Schweizer Franken und vom Nationalen Forschungsschwerpunkt «Neurale Plastizität und Reparatur». Technisch gut ausgestattet ist sein Labor jetzt schon: Eine neue Apparatur hilft ihm, Geneffekte bei der Alzheimer-Krankheit seriell und in kurzer Zeit zu testen.

Sehr eng zusammen arbeitet Rajendran mit den Alzheimer-Forschern Roger Nitsch und Christoph Hock von der Universität Zürich, die 2011 mit klinischen Tests für einen Wirkstoff gegen Alzheimer starten. «Der Austausch mit den Kollegen ist für mich sehr wichtig, ich verfolge ihre Arbeit und wir treffen uns regelmässig, um unsere Forschungsergebnisse zu diskutieren», sagt Rajendran.

Traditionelle indische Medizin

Rajendran verfolgt noch eine zweite Spur gegen das Vergessen: Er untersucht Heilkräuter, die in der traditionellen indischen Medizin gegen Gedächtnisverlust schon seit Jahrhunderten verabreicht werden. «Aus meiner Heimat Indien beschafft mir ein befreundeter Wissenschaftler Heilkräuter, die wir auf ihre Wirkung bei der Alzheimer-Krankheit hin untersuchen», erzählt Rajendran.