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Zündende Mischung aus Erfahrung und Entdeckungsfieber

Die Forschungsgruppe um Hugo Keller am Physik-Institut sucht nach einer wissenschaftlich stichhaltigen Erklärung für das Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung. Ein hochgestecktes, aber – so Kellers Überzeugung – kein unerreichbares Ziel.
David Werner

Die Hochtemperatur-Supraleitung ist eines der grossen Rätsel in der Physik. Über zwanzig Jahre nach deren Entdeckung versteht die Wissenschaft immer noch nicht genau, warum bestimmte Materialien den Strom bei vergleichsweise hohen Temperaturen ohne Widerstand transportieren können. Die Forschungsgruppe um Professor Hugo Keller hat sich der Suche nach der schlüssigen Erklärung verschrieben. Die Brisanz des Themas stimuliert das Team. Auch die Tatsache, dass sich der 82-jährige Nobelpreisträger K. Alex Müller, einer der beiden Entdecker des Phänomens, noch immer selbst an der Forschung beteiligt, trägt zur Motivation bei.

Wechselseitige Inspiration: Forschungsgruppe um Hugo Keller am Physik-Institut: (v.l.n.r.) Stephen Weyeneth, Simon Strässle, Hugo Keller, Ferenc Muranyi, Roman Puzniak, Praveen Prem, Björn Graneli, Bastian Wojek, Joseph Roos, Markus Bendele

Keller pflegt in seiner international zusammengesetzten Gruppe ein breites Spektrum an Methoden. Die Gruppenmitglieder haben entsprechend unterschiedlich gelagerte Spezialgebiete: Praveen Prem aus Kerala zum Beispiel bringt fundiertes Wissen der Chemie ein, Bastian Wojek verfügt über exzellente Kenntnisse in der Myon-Spin-Spektroskopie, und Gruppenneuling Ferenc Muranyi aus Budapest hat die Verantwortung für ein elektronparamagnetisches Resonanzspektrometer übernommen.

Tasten im Dunkeln

Die experimentelle Physik gleicht oft einem Tasten im Dunkeln. Nicht jedes Projekt gelingt auf Anhieb. Dank des hohen Diversifizierungsgrades der Gruppe hat, wer mit seinem Ansatz in eine Sackgasse gerät, immer die Möglichkeit, auf anderen Wegen weiterzukommen. Und wenn am Physik-Institut einmal ein Experiment nicht durchführbar ist, finden sich befreundete Institute im In- und Ausland, die ihre Laboreinrichtungen zur Verfügung stellen.

«Wer einem namhaften Forschungsteam angehört, dem stehen vielerorts Türen für Forschungsaufenthalte offen», sagt Simon Strässle. Er wird demnächst zu Röntgenuntersuchungen nach Stanford aufbrechen. Bastian Wojek und Markus Bendele haben ihre Laborplätze am Paul Scherrer Insitut, mit dem das Physik-Institut der UZH seit Jahren eng zusammenarbeitet, und Stephen Weyeneth ist soeben vom National High Magnetic Field Laboratory in Florida zurückgekehrt. Immer wieder bereichern auch Gastprofessoren aus dem Ausland Kellers Team durch ihre Anwesenheit, momentan gerade Roman Puzniak aus Warschau und Björn Graneli aus Schweden.

Testläufe für Argumente

Regelmässig halten sich die Gruppenmitglieder über ihre Projekte gegenseitig auf dem Laufenden. Fixpunkt in der Agenda ist ein wöchentliches Treffen. Hier laufen alle wichtigen Informationen zusammen, werden neue Schwierigkeiten diskutiert, Unsicherheiten geklärt, Zwischenergebnisse der Einzelprojekte kommentiert, ergänzt und hinterfragt.

So weiss jeder von jedem, wo er in seiner Arbeit steht. Teamdiskussionen fungieren in solchen Sitzungen oft als eigentliche Testläufe für Argumente, Thesen und neue Ideen. «Oft ist die Gruppe schlauer als der Einzelne», sagt Keller. Und Postdoktorand Simon Strässle ergänzt: « In jedem Fall ist sie skeptischer. Physikergruppen können richtige Einwandgeneratoren sein.»

Behindert es manchmal den eigenen Arbeitsfluss, wenn man Teamkollegen von eigenen Vorhaben überzeugen muss? «Im Gegenteil», sagt Doktorand Bastian Wojek, «es macht einen stolz, wenn Kollegen Interesse dafür zeigen, womit man sich gerade beschäftigt», Und wenn die Gruppe beim fünften Mal immer noch nicht versteht, was gemeint war? «Dann muss man lernen, sich genauer auszudrücken.»

Ohne Vertrauen geht nichts

Wer neu zu Kellers Gruppe stösst, lernt in den Wochensitzungen rasch, worauf es in diesem Team ankommt. Präzision, hohe Qualität und klare Formulierungen gelten mehr als schnelles Publizieren. In der Tradition seiner Vorgänger am Zürcher Physik-Institut pflegt Keller eine offene und kollegiale Kommunikation. Niemand wird blossgestellt, und keiner soll sich ängstigen müssen, dass seine Ideen von anderen abgekupfert werden oder brisante Forschungsergebnisse nach aussen dringen, bevor sie publiziert sind. «Ohne festes gegenseitiges Vertrauen», sagt Keller, «geht gar nichts».

Zündender Mix

Das Team wirkt als Katalysator und Korrektiv. Für das emotionale Gleichgewicht spielen die älteren Teammitglieder eine besondere Rolle. Joseph Roos etwa, Spezialist für Magnetresonanz, ist nach über dreissig Jahren am Physik-Institut nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen. Mit seinem Weitblick hat er schon manchen Doktoranden über Durstrecken hinweggeholfen.

Ohne Geduld und Frustrationstoleranz ist in der experimentellen Physik eben nichts zu erreichen, aber auch nicht ohne Risikofreude. Keller achtet deshalb bei der Zusammenstellung seiner Gruppe auf den zündenden Mix aus Erfahrung und jugendlicher Wissbegierde.

Coaching für Auftritte

Die Gruppe spielt auch bei der Präsentation der Forschungsergebnisse eine wichtige Rolle. Keller legt grossen Wert darauf, dass sich seine Doktoranden frühzeitig mit ihren Leistungen innerhalb der Fachgemeinschaft bemerkbar machen. Steht jemandem ein wichtiges Referat bevor, feilt jeweils das ganze Team an den optimalen Formulierungen. Einer guten Ausdrucksweise wird viel Gewicht beigemessen und der überzeugende Auftritt gezielt trainiert. Denn wer öffentlich vorträgt, repräsentiert nie bloss sich selbst, sondern zugleich die ganze Gruppe – und die hat einen guten Ruf zu verteidigen. Einen Ruf, von dem letztlich auch jeder Einzelne im Team profitiert.

Weiterführende Informationen

Hinweis

Dieser Artikel erschien im

als Teil des Dossiers «Forschen im Team»