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Kunstgeschichte

Von der Kunstmesse zum kulturellen Event

Die Art Basel, die heute zum vierzigsten Mal ihre Tore öffnet, nimmt unter den Kunstmessen weltweit eine Sonderstellung ein. In ihrer Dissertation hat die Zürcher Kunsthistorikerin Ilona Genoni untersucht, was den Unterscheid ausmacht. Es ist die Mischung von «Exklusivität und Event».
Sascha Renner

Ilona Genoni hat einen Lehrauftrag am Kunsthistorischen Institut zu «Kunst und Kommerz».
UZH News: Frau Genoni, stimmt es, dass an der Art Basel kein Weg vorbeiführt?

Ilona Genoni: Tatsächlich, alle Wege führen nach Basel. Keine wichtige Galerie kann es sich erlauben, nicht an der Art dabei zu sein. Die Messe ist wichtig für den Umsatz, für den Kontakt zu Kunden, für den Kontakt zu neuen Sammlern, für das Image, für das Prestige. Der Düsseldorfer Galerist Hans Mayer etwa sagt, dass er in Basel siebzig Prozent seines Jahresumsatzes mache.

UZH News: Was macht die Art Basel «so anders, so attraktiv», um den Titel Ihrer Dissertation zu zitieren?

Genoni: Die Art Basel profitiert heute davon, dass Erfolg Erfolg nach sich zieht. Sie gilt als die beste Kunstmesse der Welt mit den wichtigsten Galerien, dafür bieten unter anderem die Selektionskriterien Gewähr. Ein Trumpf ist ihr Datum: Seit ihrer Gründung 1970 findet die Art unmittelbar zwischen der Biennale von Venedig und der Kasseler Documenta statt, also dann, wenn die internationale Kunstkarawane durch Europa zieht.

Ein weiterer Vorteil ist der Standort Schweiz mit seinen steuerlichen und rechtlichen Vorteilen. Etwa das fehlende Folgerecht, also die prozentuale Beteiligung des Künstlers am Weiterveräusserungserlös seines Werks.

UZH News: Schon 1972, im dritten Jahr der Art, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung: «Die Basler Kunstmesse scheint endgültig zur Institution geworden, die weltweit nicht ihresgleichen hat.» Wie war dieser rasante Aufstieg möglich?

Genoni: Man darf nicht vergessen, dass die Kunstmesse als Form der Kunstvermittlung und -vermarktung damals ganz neu war: Kunst aus der ganzen Welt, konzentriert an einem Ort, für jedermann zugänglich – das kam an beim Publikum und bei den Sammlern. Bereits an der ersten Art waren gute Galerien vertreten wie etwa Marlborough. Ernst Beyeler, Mitbegründer der Art, hat dabei eine entscheidende Rolle gespielt: Sein Name lockte renommierte Galerien nach Basel.

UZH News: Hat die Art Basel das Handeln mit Kunst verändert?

Genoni: Sie hat es erweitert. Bis in die Sechzigerjahre kaufte man in Galerien oder direkt aus Ausstellungen. In Basel hingegen wurde Kunst plötzlich als Ware gehandelt: in einer Messehalle, einem Industrieraum, wo sonst Näh- und Waschmaschinen verkauft werden.

Zum Vergleich: Der Kölner Kunstmarkt, die heutige Art Cologne, fand in einem gotischen Festsaal statt. Die Art machte die Kunst zugänglicher und den Kunsthandel transparenter. Dass die Kunst die heiligen Hallen der Museen und Galerien verliess, hat anfangs für heftige Diskussionen gesorgt. Innert weniger Jahre hatte sich die Messe aber als neue Vertriebsform und Begegnungsort durchgesetzt. Das Modell wurde mit überwältigendem Erfolg kopiert, rund 600 Messen werben heute um Galerien und Sammler.

UZH News: Welche Ziele verfolgten die Gründer mit der Art Basel?

Genoni: Sie reagierten damit auf den Kölner Kunstmarkt. Diese älteste, 1967 gegründete Kunstmesse war sehr selektiv: Sie galt als elitäre Klubveranstaltung mit fast ausschliesslich deutschen Galerien. Die Art hingegen war von Beginn weg offen und international ausgerichtet. Anderseits wollten sich die Basler Galeristen gegen die Konzentration des Kunsthandels in Zürich zur Wehr setzen. Es waren die Zürcher Galerien von Bruno Bischofberger, Renée Ziegler, Gianfranco und Annemarie Verna und anderen, die den Handel mit internationaler Gegenwartskunst in der Schweiz dominierten. Auch die beiden grossen Auktionshäuser, Christie’s und Sotheby’s, wählten Zürich als Standort. Basel drohte ins Hintertreffen zu geraten.

UZH News: Welches waren die entscheidenden Entwicklungsphasen der Art Basel?

Genoni: In ihrer Anfangszeit war die Art eine reine Warenmesse, auf der Kunstwerke gehandelt wurden. Diese Definition der Messe erweiterte der damalige Direktor der Art, Lorenzo A. Rudolf, im Jahr 1993: Er organisierte Veranstaltungen, die nicht direkt mit dem Verkauf von Kunst zu tun hatten.

Rudolf führte ausserdem Selektionskriterien ein – nur wenige Galerien waren bis dahin abgewiesen worden. Dieses Konzept – Qualität respektive Exklusivität und Event – baute Sam Keller, zwischen 2000 und 2007 Direktor der Art, gezielt aus. Mit zahlreichen, nicht kommerziellen Crossover-Veranstaltungen und kuratierten Formaten erweiterte er die klassische Tradeshow und machte sie zur komplexen kulturellen Grossveranstaltung. Es gelang ihm, auch Künstler, Kritiker und Museumsleute einzubinden.

UZH News: Sehen Sie die aktuelle Wirtschaftskrise nur als Bedrohung oder auch als Chance für die Kunst und den Kunstmarkt?

Genoni: Für die Art Basel ist die Krise eine Chance. Die Geschichte zeigt, dass die Art ihren Vorsprung auf andere Messen in Krisenjahren stets ausbauen konnte. Was auch in schwierigen Zeiten gut geht, sind qualitätsvolle Werke, sichere, bleibende Werte. Und die findet man eben am ehesten in Basel.

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