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Verhältnis von Politik und Medien

Tauschgeschäft im Bundeshaus

Die Politik richtet sich immer stärker nach den Bedürfnissen der Medien aus. Wie Journalisten und Politiker miteinander umgehen und welche Werthaltungen dabei mitspielen, untersuchen Kommunikationswissenschaftler der Universität Zürich derzeit im Rahmen eines europäischen Forschungsprojektes.
Adrian Ritter

Politiker im Medieninteresse: Symbiose oder Konflikt? Das Forschungsprojekt «Political Communication Cultures in Western Europe» geht dem Verhältnis von Politikern und Journalisten nach.

Der Journalist will eine knackige Geschichte, die Politikerin hat die Wiederwahl vor Augen. Nichts leichter also, als sich zu verbünden und Information gegen Publizität zu tauschen. Dieses Grundmuster der Interessen zwischen Politikern und Journalisten ist in allen Ländern ähnlich.

«Medialisierung» nennt die Publizistikwissenschaft das Phänomen, dass die politische Kommunikation sich immer stärker nach den Gesetzmässigkeiten der Medien richtet. So haben die politischen Parteien der Schweiz in den vergangenen Jahren ihre Kommunikationsabteilungen stark ausgebaut, wie PD Dr. Patrick Donges in seiner Forschung am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung (IPMZ) kürzlich gezeigt hat.

Strategien im Vergleich

Doch was müssen Politiker genau tun, um sich selbst und ihre Themen auf die mediale Agenda zu bringen? Und inwiefern unterscheiden sich die Strategien der Akteure im internationalen Vergleich? Diesen Fragen geht das Forschungsprojekt «Political Communication Cultures in Western Europe» nach, finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und von der European Science Foundation (ESF).

In sieben Ländern (Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, Spanien, Schweden und Schweiz) wird derzeit untersucht, wie hochrangige Vertreter aus Politik und Medien ihr gegenseitiges Verhältnis einschätzen und wie sie miteinander interagieren. In der Schweiz sind Prof. Otfried Jarren, PD Dr. Patrick Donges und die Doktorandin Stephanie Schwab vom IPMZ am Projekt beteiligt.

Prof. Otfried Jarren, Stephanie Schwab und Patrick Donges (fehlt auf dem Bild) vom IPMZ nehmen für die Schweiz am Forschungsprojekt teil.

Blick auf die Elite

Im Frühsommer sind in allen beteiligten Ländern im Rahmen einer «Elitebefragung» jeweils rund 300 Personen befragt worden. Ausgesucht wurden Akteure, welche die politische Kommunikation auf nationaler Ebene massgeblich mitgestalten: Chefredaktoren und Politikjournalisten, Regierungs- und Parlamentsmitglieder, Parteikader, Generalsekretäre, aber auch Personen mit leitenden Funktionen in der Verwaltung, Verbänden oder PR-Agenturen.

Die Forschungsfragen betreffen einerseits das berufliche Selbstverständnis der Politiker und Journalisten. Andererseits fragen die Forscher auch danach, inwiefern Meinungsumfragen oder einzelne Medien den politischen Prozess beeinflussen.

Als Erklärungsfaktoren für Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern kommen unter anderem die Form des Regierungssystems oder die Bedeutung des öffentlichen Rundfunks in Frage. «Wir erwarten, dass Politiker in Ländern mit stark kommerzialisierten Medien ihre Öffentlichkeitsarbeit eher nach der medialen Logik ausrichten müssen als in Ländern, in denen der öffentliche Rundfunk noch eine wichtige Stellung einnimmt», sagt Stephanie Schwab.

Gespannt sei man auch, inwiefern die Gratispresse die politische Kommunikation beeinflusse, sagt Otfried Jarren mit Blick darauf, dass gerade in der Schweiz eine starke Gratispresse existiert.

Harmonie mit Reibungsflächen

Erste Auswertungen der Befragung liegen bereits vor, publiziert werden die Ergebnisse 2009. So zeigt sich beispielsweise schon, dass die Befragten der Aussage zustimmen, wonach in der Berichterstattung über Politik unterhaltende Elemente an Bedeutung gewinnen - Information und Entertainment verschmelzen zu «Infotainment».

Das Verhältnis zwischen Politkern und Journalisten wird dabei mehrheitlich als harmonisch-kooperativ bezeichnet. Dennoch werden auch Konflikte wahrgenommen. Journalisten haben ein Interesse daran, geheime, vermeintlich «off the record» gemachte Aussagen zu veröffentlichen. Die Politiker wiederum geben als häufigsten Konfliktgrund an, dass ihre Statements durch die Medien verzerrt wiedergegeben werden.

Gelockerte Banden

Prof. Ulrich Saxer, ehemaliger Direktor des IPMZ, hatte das Zusammenspiel zwischen Parlamentariern und Bundeshausjournalisten Anfang der 1990er Jahre ebenfalls untersucht. Er stellte damals eine grosse Vertrautheit zwischen den beiden Berufsgruppen fest, nicht zuletzt bedingt durch die räumliche Nähe im Bundeshaus. Journalisten kritisierten Politiker damals kaum.

«Wir vermuten, dass Journalisten heute politisch unabhängiger sind, da sich die traditionellen Banden zwischen Politik und Medienunternehmen, wie etwa Parteiblätter, in den letzten Jahrzehnten gelockert haben», so Otfried Jarren.