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Permafrostforscher am steilen Hang

Forscher am Geografischen Institut können mittels eines Computermodells die Verbreitung und die Entwicklung des Permafrostes in steilen Felsabhängen abschätzen. Ihre Resultate tragen dazu bei, Naturgefahren besser beurteilen zu können.
Marita Fuchs

Ein heisser Sommer, ein aussergewöhnlich warmer November, was den Laien beunruhigt, beschäftigt auch die Forscher. Die Klimaerwärmung führt nicht nur zu Gletscherschwund, sie wärmt auch jenen unsichtbaren Kitt auf, der für die Standfestigkeit steiler Gebirgsflanken verantwortlich sein kann: den Permafrost. Er kommt in schattigen Hängen und Felswänden oberhalb der Baumgrenze vor. Der ständig gefrorene Boden kann unter den höchsten Alpengipfeln bis zu 1'000 Meter mächtig sein und bedeckt rund fünf Prozent der Fläche der Schweiz.

Die Geografen Jeannette Nötzli und Stephan Gruber rechnen in den kommenden Jahrzehnten mit einer weiteren Erwärmung in Permafrostgebieten.

Felspermafrost im Visier der Wissenschaft

Spektakulär war im Hitzesommer 2003 ein Felsabbruch am Matterhorn. Dutzende von Bergsteigern mussten per Hubschrauber gerettet werden. Der Auslöser: in ca. 3600 Metern Höhe hat sich das Eis unter dem Fels erwärmt und 1000 Kubikmeter Fels lösten sich auf der Südseite des Hörnligrats. Bei Temperaturen wenig unter dem Gefrierpunkt können reibungsarme Fels-, Wasser-, Eisgemische entstehen; die thermischen Bedingungen sind für die Stabilität von Felswänden von grosser Bedeutung, sagt Stephan Gruber, Oberassistent am Geografischen Institut. Allerdings sei die Erwärmung des Untergrundes ein sehr langsamer Prozess, der Jahrzehnte  bis Jahrhunderte dauern kann. Über die genauen Prozesse, die zum Beispiel zu solchen Felsabbrüchen wie am Matterhorn führen, sei  aber noch wenig bekannt, sagt Gruber. Die Erforschung von Felspermafrost steht noch ziemlich am Anfang. Systematisch wird Permafrostforschung in den Alpen erst seit den 1970er Jahren betrieben, Felspermafrostforschung sogar erst seit wenigen Jahren.

An der Eiger-Nordwand montiert Stephan Gruber Sensoren für die Temperaturmessung.

Wirkungen und Folgen erfassen

Erste vielversprechende Ergebnisse dieser Forschung zeigt jetzt ein von Stephan Gruber und der Geografin Jeannette Nötzli entwickeltes Computermodell, das dazu dient, flächenhaft die Verbreitung und Entwicklung des Permafrostes abzuschätzen. Für ihre Modell-Berechnungen beziehen die Wissenschaftler die Topographie der Alpen und ihre Vielseitigkeit mit ein. Die Berechnungen basieren auf langjährigen meteorologischen Messreihen und digitalen Geländemodellen. «Weil die Temperaturen in der Nordseite eines Berges auch von der wärmeren Südseite beeinflusst werden, reicht es nicht, nur die Oberfläche zu betrachten. Das Modell kann darum mit einem 3D-Modell gekoppelt werden, um auch die Wärmeflüsse und Temperaturen im Untergrund zu bestimmen», sagt Jeannette Nötzli.

Treffsicheres Modell

Wie gut das Modell der beiden Wissenschaftler die Realität abbildet, überprüfen Gruber und Nötzli mit Hilfe von Sensoren, die seit mehreren Jahren in über dreissig Felswänden zwischen 2500 und 4500 Metern Höhe montiert sind. Um die Messungen der Sensoren zu erfassen, steigen die beiden Forscher selbst in die eisigen Höhen. Diese Arbeit erfordert enorm viel Zeit und gute Planung, denn nicht jede Jahreszeit eignet sich für den Aufstieg am Berg, erzählt Jeannette Nötzli. Ausserdem können nicht überall im Berg Sensoren angebracht werden. «Deshalb sind unsere Prognosen so wichtig: durch Berechnungen können wir die Situation auch abgelegener Felsregionen einschätzen», sagt Stephan Gruber. Dass die prognostizierten Computermodell-Daten mit den Messungen im Gebirge eine hohe Übereinstimmung zeigten, freut sie natürlich sehr: «Das Modell hat sich bewährt.»

Praxistaugliche Ergebnisse

Die Resultate haben schnell Eingang in die Praxis gefunden. Ergebnisse der Modellrechnungen wurden für die Permafrostkarten des eidgenössischen Bundesamts für Umwelt verwendet, die den Berggemeinden zur Überprüfung der so genannten Gefahrenkarten dienen. Diese Karten werden auch zu Rate gezogen, wenn beispielsweise neue Bauvorhaben geplant sind.

In einem neueren Projekt arbeitet das Team am Geografischen Institut mit neuen Messgeräten, die mittels drahtloser Kommunikation und Mobilfunk mit den Rechnern an der Universität in Verbindung stehen. Bis es soweit ist, müssen Jeannette Nötzli und Stephan Gruber noch einige Male ihre Bergausrüstung packen.