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Osthilfe als Investition in die Zukunft

Bundesrätin Doris Leuthard sprach im Rahmen des Abstimmungskampfes zum Osthilfegesetz an der Universität Zürich. Sie warb für ein Ja als Investition in die Zukunft der osteuropäischen Länder wie auch des Wirtschaftsplatzes Schweiz.
Adrian Ritter

«Es geht um die Festigung von Frieden, Sicherheit, Stabilität und Wachstum in Europa»: Bundesrätin Doris Leuthard zu Gast an der Universität Zürich.

In mehr als 1000 Projekten hat sich die Schweiz seit 1990 in Osteuropa engagiert. Sie ermöglichte damit zum Beispiel in Ländern wie Lettland und Litauen verbesserten Zugang zu medizinischer Versorgung, sauberem Wasser oder Rückkehrhilfe für kriegsvertriebene Bosnier und Kosovaren. Diese «traditionelle Osthilfe» soll weitergeführt werden, wozu eine neue gesetzliche Grundlage notwendig ist.

Dieser Teil des «Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas», über welches am 26. November abgestimmt wird, ist unbestritten. Ergriffen wurde das Referendum wegen dem zweiten Teil der Vorlage: Die Zahlung von insgesamt einer Milliarde Franken – der so genannte «Kohäsionsbeitrag» - an die zehn neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Kein Umweg über Brüssel

Über zehn Jahre verteilt soll sich die Schweiz damit am wirtschaftlichen und sozialen Aufbau dieser Länder beteiligen, mit jährlichen Zahlungen von 100 Millionen Franken. Das Geld fliesse allerdings nicht in den EU-Kohäsionsfonds in Brüssel, betonte Bundesrätin Leuthard am Mittwoch in ihrem Kurzreferat in der Aula der Universität Zürich. Durch «geschickte Verhandlungen» habe man erreichen können, einen eigenen Weg zu gehen. Die Schweiz wählt die zu unterstützenden Projekte selber aus und finanziert und überwacht diese direkt. Im Vordergrund stehen dabei gemäss der Bundesrätin Bereiche wie Bildung/Forschung, Sicherheit und Umwelt.

Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt in den zehn neuen EU-Staaten bei rund 50 Prozent des EU-Durchschnittes. Rund die Hälfte des Kohäsionsbeitrages der Schweiz ist für konkrete Projekte in Polen vorgesehen. Im Bild: Altstadt der polnischen Hafenstadt Danzig.

Warum aber soll sich die Schweiz als Nicht-Mitglied der EU an deren Ost-Erweiterung beteiligen, wurde Leuthard aus dem Publikum gefragt. Weil die Schweiz davon profitieren wird, gab sich diese überzeugt: «Es geht um die Festigung von Frieden, Sicherheit, Stabilität und Wachstum in Europa».

Unser Beitrag sei eine gute Investition in den bilateralen Weg und gute nachbarschaftliche Beziehungen mit der EU. Andererseits führe die Osterweiterung der EU zu mehr Sicherheit in Europa, was nicht zuletzt Migrationsströme verhindern und die internationale Kriminalität eindämmen könne.

Wirtschaft profitiert

Die Schweiz profitiere aber auch wirtschaftlich von der Festigung der neuen «dynamischen Volkswirtschaften». Seit 1990 seien allein im industriellen Bereich rund 800 Mio. Franken an Lieferaufträgen an die Schweizer Wirtschaft zurückgeflossen. Für diese Vorteile sei der Preis von jährlich 100 Mio. Franken durchaus angemessen, sagte Leuthard und erinnerte daran, dass die EU selber jährlich 33 Milliarden Franken in den Kohäsionsfonds zahle und sich beispielsweise das Nicht-EU-Mitglied Norwegen sogar mit insgesamt 1,6 Milliarden Franken beteilige.

Kritische Fragen zum Kohäsionsbeitrag: Doris Leuthard im Podiumsgespräch mit Studierenden, neben ihr Moderator Prof. Andreas Kellerhals vom Europa Institut an der Universität Zürich.

«Fass ohne Boden?»

Die Finanzierung des Kohäsionsbeitrages erfolge budgetneutral, indem jährlich 60 Mio. Franken bei der traditionellen Osthilfe eingespart werde und 40 Mio. Franken durch Mehreinnahmen unter anderem aus der Zinsbesteuerung von EU-Steuerpflichtigen erfolge.

Diese Finanzierung war einer der Kritikpunkte in der Podiumsdiskussion, in der sich Doris Leuthard den Fragen und Einwänden von Studierenden stellte. Es sei keine echte Kompensation, wenn die Osthilfe mit Mehreinnahmen verrechnet werde und die vorgeschlagene Regelung ermögliche unbegrenzte Folgezahlungen ohne Referendumsmöglichkeit, wurde etwa kritisiert.

Die vorgeschlagene Finanzierung sei ein «guter Kompromiss» zwischen Sparen und Mehreinnahmen, erwiderte Leuthard. Von einem «Fass ohne Boden» könne keine Rede sein, denn das Gesetz sei auf zehn Jahre befristet und der zu leistende Betrag fix. Zahlungen an allfällige zukünftige Mitglieder der EU wie Rumänien und Bulgarien würden einen Rahmenkredit erfordern, der wie bei Finanzvorlagen üblich dem Parlament vorgelegt würde.

Prinzipien statt nur Finanzen diskutieren

Bundesrätin Leuthard wünschte sich, die Diskussion um das Gesetz würde sich nicht so oft auf Details der Finanzierung beschränken, sondern grundsätzliche politische Fragen in den Vordergrund stellen: Wollen wir einen Beitrag leisten an die Unterstützung dieser Länder?

Im Falle eines «Nein» am 26. November würde sich der Goodwill der EU gegenüber der Schweiz vermutlich in Grenzen halten, meinte die Bundesrätin mit Blick beispielsweise auf gewisse Handelserleichterungen, welche die EU der Schweiz nicht aufgrund von Verträgen, sondern «als Freunde» gewährt. Eine neue Vorlage zum Osthilfegesetz bräuchte mindestens ein Jahr, in welchem bilaterale Dossiers in Brüssel wohl liegen blieben.

Ihr «Ja» zur Osthilfe wolle sie aber nicht als Schritt in Richtung EU-Beitritt verstanden wissen, meinte Leuthard in Abgrenzung zur Argumentation der jungen Beitrittsbefürworter auf dem Podium. «Der Beitritt zur EU bleibt zwar in der Europapolitik eine Option, aber in den nächsten zehn Jahren wird er wohl auch nicht mehr sein als eine Option.»