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Sonderausstellung im Zoologischen Museum 

Genügsame Extremsportler

Karge Futterstellen, steile Hänge und Witterungsumschwünge. Der Steinbock überlebt unter schwierigsten Bedingungen und in den verschiedensten Regionen der Erde. Dem zähen Extremsportler unter den Wildziegen ist die neue Ausstellung im Zoologischen Museum gewidmet.
Marita Fuchs

Da die Steinböcke im Winter in den Alpen kein grosses Nahrungsangebot haben, stellt sich die Frage, wie sie physiologisch die harte Winterzeit überdauern. Die Ausstellung im Zoologischen Museum gibt Antworten.

Einer der Guckkästen in der neuen Ausstellung des Zoologischen Museums hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich: Er zeigt den prächtigsten Schlossraum des Castello Sarre im italienischen Aosta, der über und über mit Steinbockhörnern ausgeschmückt ist. Ein unglaublicher Anblick, der die immense Vielfalt des Steinbockgeweihs eindrücklich demonstriert.

Das Geweih des Steinbocks galt lange als Beweis für Jägerglück und Jagdgeschick. Dass aber der Steinbock selbst ein «… ein wunderlich, verwegenes Thier» ist – so der Untertitel der Ausstellung (ein Zitat des Zürcher Naturforschers Conrad Gessner), zeigt die neue Ausstellung eindrücklich.

Der Schlossraum des Castello Sarre im italienischen Aosta ist über und über mit Steinbockhörnern ausgeschmückt und zeigt die Vielfalt des Steinbockgeweihs.

Des Königs letzte Steinböcke

Das Castello Sarre in Aosta spielte bereits im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle für Steinböcke. Es war nämlich ihr letztes Refugium, nachdem sie in den Alpen beinahe vollständig ausgerottet worden waren. Wilddiebe haben vor 100 Jahren dem italienischen König einige Exemplare entwendet, um sie in den Bergen auszusetzen und den kleinen Bestand aufzufrischen. Die Steinböcke des Castello Sarre sind also die «Väter und Mütter» der 1906 wieder angesiedelten Steinböcke in der Schweiz. Heute gibt es mehrere Kolonien in den Schweizer Alpen, insgesamt etwa 14'000 Tiere.

«Durch die Fast-Ausrottung der Tiere ist auch die genetische Vielfalt verloren gegangen», erzählt Professor Lukas Keller vom Zoologischen Museum der Universität Zürich. «Wie ausgeprägt dieser so genannte genetische Flaschenhals noch heute ist, können wir durch genetische Methoden nachweisen. Inzucht bei Steinböcken ist noch immer verbreitet.» Dem Besucher wird das anschaulich vermittelt: mit einem Computerspiel kann er selbst erfahren, welche Schwierigkeiten das Aussetzen von Steinböcken auf neue Gebiete hat und was man dabei beachten muss. Spielend lernen so auch Kinder, dass genetische Vielfalt beispielsweise auch vor Krankheiten schützt. Denn wenn alle Steinböcke ähnliche Gene haben, sind sie sehr anfällig für Krankheiten, die dann gleich eine ganze Population ausrotten können.

Alle Wildziegen der Welt sind in der Ausstellung als lebensgrosse Silhouetten nebeneinander dargestellt und es wird erklärt, wie diese Vielfalt entstand.

Stressphasen am Horn erkennbar

Professor Lukas Keller hat zusammen mit dem Leiter des Bündner Naturmuseums in Chur, Jürg Paul Müller, die Ausstellung konzipiert und betreut. Besucher können sich die einzelnen Ausstellungsschwerpunkte in beliebiger Reihenfolge anschauen und sich ganz von ihrem Auge und Interesse leiten lassen. «Wir haben die Ausstellung offen konzipiert», sagt Jürg Paul Müller, «so dass die Besucher selbstständig von Modul zu Modul gehen können.» Das auch, weil die Ausstellung demnächst in Chur, Rom und Genf gezeigt werden soll. Durch den flexiblen Aufbau können die Museen die einzelnen Objekte so arrangieren, wie es vor Ort sinnvoll erscheint.

Das Bündner Naturmuseum hat eine ansehnliche Sammlung von Hörnern der neuen Ausstellung zur Verfügung gestellt. Die Hörner geben Auskunft über Lebensbedingungen und Lebensphasen des einzelnen Tieres: Die Schmuckknoten und Jahresringe sind ganz unterschiedlich stark ausgeprägt. Leidet ein Tier unter Stress, wächst der Jahresring kaum und das Horn bleibt klein.

Hunger- und Überlebenskünstler

Wie können die Steinböcke im Winter unter widrigsten Bedingungen überleben? Da die Steinböcke im Winter in den Alpen kein grosses Nahrungsangebot haben, stellt sich die Frage, wie sie physiologisch die harte Winterzeit überdauern. Dass die wendigen Kletterer auch Hungerkünstler sind, erklären die Schauwände. Die Steinböcke verkleinern ihre Mägen und verlieren bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts. «Nach neuesten Forschungen mit Hirschen an der Universität Wien vermuten wir, dass die Steinböcke – ebenso wie Hirsche – auch ihre Körpertemperatur senken können», sagt Lukas Keller. Für Säugetiere eine Ausnahme.

Ebenfalls überraschend die Information, dass es Steinböcke nicht nur in den Alpen gibt, sondern auch in Afrika und Asien, dort allerdings in anderer Färbung und mit gedrehten oder korkenzieherartigen Hörnern.