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Föderalismus in Europa

Auf welcher politischen Ebene sollen welche Kompetenzen angesiedelt sein? Günther H. Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, plädierte in einem Referat für ein föderalistisches Europa, welches seine Verantwortung zur Friedenssicherung wahrnimmt.
Adrian Ritter

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Günther H. Oettinger, Ministerpräsident des Deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, zu Gast an der Universität Zürich.

Die Grenze Baden-Württembergs zur Schweiz sei heute die einzig verbliebene EU-Aussengrenze von Deutschland. Für eine harmonische Entwicklung bedürfe sie deshalb «besonderer Pflege», meinte Oettinger nicht zuletzt mit Blick auf die laufenden Diskussionen um ein Luftverkehrsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz.

Vom Föderalismus überzeugt

Waren es in der Geschichte Europas lange Zeit Feindschaften und Kriege, welche die Grenzziehungen prägten, so sei es inzwischen gelungen, die Demokratie als Grundlage für die Ordnung der Gegenwart und hoffentlich auch der Zukunft zu etablieren.

Wie aber soll Europa auf die Herausforderung der Globalisierung reagieren, wie die Arbeitslosigkeit senken? Wie soll sich Europa strukturieren, um im Kräftemessen mit Nordamerika und Asien mitzuhalten? «Wir in Deutschland sind vom Föderalismus überzeugt», meinte Ministerpräsident Oettinger. Allerdings habe der Föderalismus auch mit Gegenwind zu kämpfen und man dürfe gespannt sein auf die laufende Föderalismusreform in Deutschland, welche die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neue regeln soll. Oettinger erhofft sich davon, dass die Politik «schneller, logischer und nachvollziehbarer» wird.

Welche Kompetenzen sind sinnvollerweise auf der europäischen Ebene angesiedelt? Gemäss Ministerpräsident Oettinger sollte sich Brüssel vor allem Themen wie Sicherheit, Verkehr und Bildung kümmern. Im Bild: Gebäude des Rates der Europäischen Union.

Im Kamin zieht es nach oben

Von Zeit zu Zeit sei es notwendig, die Machtverteilung hinsichtlich ihrer Subsidiarität zu hinterfragen. Das Prinzip, dass eine Aufgabe nur an eine höhere politische Ebene abgegeben werden soll, wenn sie nicht auf der tieferen Ebene gelöst werden kann, sei nämlich immer in Gefahr: «Wie in einem Kamin zieht es die Kompetenzen tendenziell immer nach oben.» Dies gelte von der Stufe der Kommune bis zur Europäischen Union. Wegen der «Regelungswut» auf der europäischen Ebene wäre die neue EU-Verfassung unabhängig von ihrem Inhalt in einer Volksabstimmung in Deutschland ebenso abgelehnt worden wie in Frankreich und Holland, vermutete Oettinger.

Sicherheit, Verkehr und Wissen

Welche Aufgaben sollen sinnvollerweise auf europäischer Ebene gelöst werden? An erster Stelle steht für den Referenten die Herausforderung, dass die EU einen Beitrag leisten soll zum Weltfrieden und zur Stabilität in Europa. Die EU brauche eine europäische Verteidigungspolitik und entsprechend einen Aussenminister und einen Verteidigungsminister.

Geradezu «jämmerlich» sei es aber auch, wenn in unserem Nachbarkontinent Afrika Bürgerkriege und Menschenrechtsverletzungen eher die USA denn die EU auf den Plan rufen. Um Frieden, Gesundheit und Bildung in Afrika müsse sich auch Europa kümmern, denn «die Flüchtlinge kommen schlussendlich zu uns».

Märkte für Gesundheit und Tourismus

Ein zwingend europäisches Thema sieht Oettinger auch beim Verkehr. Eine «Harmonisierung der Mobilität» sei sowohl für die Wirtschaft wie auch die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger nötig. Dies könnte auch die Fluginfrastruktur und Flugsicherheit beinhalten.

Handlungsbedarf auf übergeordneter Ebene macht Oettinger schliesslich beim «Megathema» Bildung, Wissenschaft und Forschung aus. Europa müsse es gelingen, schneller in neue Märkte vorzustossen, neue Geschäftsfelder zu finden und zu erfinden. Solche Märkte sieht er unter anderem in der Gesundheit/Medizintechnik sowie in den Bereichen Kultur, Tourismus und Gastronomie. Zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz gebe es dabei durchaus Möglichkeiten der Partnerschaft.

Die Schweiz und Europa: «25 plus»

Die Schweiz müsse aber auch im Verbund mit der EU mittun, um die innovativen Kräfte zu bündeln. «25 plus» nannte der Referent diese Kooperation zwischen den 25 Mitgliedstaaten der EU und der Schweiz. Nur mit «25 plus» werde es gelingen, Zukunftsmärkte zu erobern und Produkte zu lancieren, die auf dem Weltmarkt erfolgreich sind.

Dabei gelte es aber, den erwähnten «Zug nach oben» nicht zu vergessen. Damit die Kompetenzen dort bleiben, wo sie am besten geregelt werden können, brauche es deshalb «ständige Kontrollfunktionen» zum Schutz des Föderalismus.

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