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Globale Antworten für die Bioethik

Welche Regelungen brauchen Organspenden? Unter welchen Bedingungen soll es erlaubt sein, an Menschen zu forschen? Die Bioethik ist vor Fragen gestellt, für die es in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Antworten gibt. Ein Workshop an der Universität Zürich geht der Frage nach, inwiefern eine kulturübergreifende Bioethik nötig und möglich ist.
Adrian Ritter

Biomedizinische Forschung ist vor vielfältige und komplexe ethische Fragen gestellt. Ein Workshop am Ethik-Zentrum sucht nach kulturübergreifenden Antworten.

Vom 30. März bis 1. April findet am Ethik-Zentrum der Universität Zürich der Workshop «Zur Möglichkeit einer kulturübergreifenden Bioethik» statt. unipublic hat bei der Professorin Nikola Biller-Andorno, Inhaberin des Lehrstuhls für Biomedizinische Ethik, nachgefragt, was die Teilnehmer dabei beschäftigen wird.

Woraus ergibt sich die Fragestellung der kulturübergreifenden Bioethik?

Die biomedizinische Forschung erlebt eine Globalisierung, indem immer öfter im internationalen Verbund geforscht wird. Dabei stellt sich zum Beispiel die Frage, welche Regeln für die Teilnehmer von Studien gelten sollen. Forschende und die Pharmaindustrie betonen immer wieder die Notwendigkeit von global gültigen Regeln. Gleichzeitig ergibt sich die Frage der kulturübergreifenden Bioethik auch aus dem Fach selber, indem wir uns als Bioethikerinnen und Bioethiker immer wieder fragen müssen, vor welchem Hintergrund man eine Position vertritt und inwiefern diese allgemeingültig sein kann.

Wie geht der Workshop das Thema an?

Wir werden uns vor allem mit drei Fragen beschäftigen: Gibt es bereits eine kulturübergreifende Ethik, ist eine solche wünschenswert oder notwendig und, falls ja, welche Rahmenbedingungen ermöglichen solche gemeinsamen Standards?

Gibt es denn eine kulturübergreifende Ethik?

Es gibt zunehmend kulturübergreifende Regelungen, wie etwa die Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes zur Forschungsethik, die Bioethik-Konvention des Europarates oder verschiedene Erklärungen der UNESCO. Aus ethischer Sicht stellt sich allerdings die Frage, ob hinter diesen Übereinkommen wirklich gemeinsame ethische Überzeugungen stehen und auch die Bevölkerung diese Werte teilt.

So ist zum Beispiel in vielen Ländern gesetzlich geregelt, dass eine Organspende - der vorher zugestimmt wurde - erst zum Zeitpunkt des Hirntodes vorgenommen werden darf. Auch in Japan besteht diese Regelung, in der Bevölkerung allerdings ist diese nicht unbedingt anerkannt, denn aufgrund der kulturellen und religiösen Tradition betrachtet man den Übergang zwischen Leben und Tod als fliessend.

«Wichtig ist, dass bioethische Regelungen nicht losgelöst von der philosophischen Diskussion entstehen»: Prof. Nikola Biller-Andorno ist Inhaberin des Lehrstuhls für Biomedizinische Ethik an der Universität Zürich.

Zeigen sich solche kulturellen Unterschiede auch bei den Ethikern selber?

Ja, es gab zum Beispiel in den 1990er Jahren die sogenannte «asiatische Wertedebatte», in der sich asiatische Ethiker gegen den westlichen Individualismus wandten. Sie argumentierten, dass in ihrem Kulturkreis beispielsweise die Einwilligung in eine medizinische Behandlung keine individuelle, sondern eine Familienangelegenheit sei.

Wie geht die Bioethik mit solchen Diskussionen um?

Wichtig ist, die philosophischen Begründungen der jeweiligen Positionen genau anzuschauen. Es ist eine schwierige Frage, worin unterschiedliche ethische Vorstellungen begründet sind: Ist es die Religion? Wenn ja, die dogmatisch festgelegte oder die gelebte? Wie spielen religiöse Überzeugungen und die jeweilige politische Situation zusammen? Vielleicht stellen sich aber auch die Lebensumstände als wichtig heraus und die erwähnten Familienentscheidungen sind weniger religiös als weltlich bedingt, indem die Familie auch das finanzielle Risiko einer individuellen Entscheidung tragen muss.

Gibt es überhaupt eine Basis für eine kulturübergreifende Bioethik?

Durchaus. Die Diskussion bewegt sich ja in gewisser Weise im Windschatten der Menschenrechte. Auch dabei ist es gelungen, einen Grundkonsens zu erzielen. Nötig sind zumindest Fragmente einer normativen Theorie, die als allgemeingültig anerkannt werden. Ein solches Element sehe ich im Instrumentalisierungsverbot, wie es die Kantsche Ethik enthält. Es besagt, dass niemand einen anderen Menschen als Instrument für seine eigenen Zwecke missbrauchen darf.

Wenn solche Elemente bestehen, dann dürfte es gelingen, eine kulturübergreifende Bioethik zu formulieren?

Grundsätzlich ist es möglich. Die Gefahr besteht allerdings, dass globale Regelungen zuwenig breit abgestützt sind. Dies kann der Fall sein, wenn es vor allem die westlichen, forschungsstarken Länder sind, die solche Regelungen in einem zu engen Kreis selber formulieren. Wichtig wäre, dass dieser Prozess partizipativ und transparent abläuft und entsprechend legitimiert ist.

Welcher Rahmen kann dies ermöglichen?

Am besten geeignet ist vermutlich der Rahmen von internationalen Organisationen. Allerdings müssen diese den Mitgliedländern gegenüber selbstsicher und unabhängig auftreten können. Auch unser Workshop soll dazu beitragen, in die Richtung eines Konsenses zu arbeiten. Ich habe selber zwei Jahre bei der WHO gearbeitet und sehe die Notwendigkeit von Regelungen.

Wichtig ist aber, dass diese nicht losgelöst von der philosophischen Diskussion entstehen. Insofern wird auch der Workshop «kulturübergreifend» sein, indem er Praktiker aus internationalen Organisationen und Fachpersonen aus Philosophie, Rechtswissenschaft, Medizin und Kulturwissenschaften an einen Tisch bringt.