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Bakterien zum Schweigen bringen

Bakterien sind allgegenwärtig und können für Mensch und Natur nützlich oder bedrohlich sein. Ihre Wirkung entfalten sie allerdings nur, wenn sie sich gegenseitig «absprechen». Diese Kommunikation zwischen Bakterien versucht Professor Eberl vom Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich zu verhindern. In einem Referat berichtete er über den Stand der Forschung.
Adrian Ritter

Untersucht am Institut für Pflanzenbiologie die Wirkung von Knoblauch und anderen Gemüsen, Früchten und Gewürzen auf ihre Wirksamkeit gegen Bakterien: Professor Leo Eberl.

Seit 3,6 Milliarden Jahren existieren Bakterien auf der Erde und lange Zeit war die Vermehrung das einzige, was man ihnen zutraute. «Alle verfügbaren Oberflächen in der Natur sind von Bakterien besiedelt», sagte Professor Leo Eberl in seinem Referat bei der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich am Dienstag. «Biofilme» nennt die Wissenschaft diese Ansammlungen von Bakterien auf Oberflächen. Im medizinischen Bereich könne ihre Wirkung verheerend sein, wenn man bedenke, dass 60 Prozent aller Infektionen auf Biofilme zurückzuführen sind, so Eberl.

Einzelgänger sind chancenlos

Erst seit rund 20 Jahren ist die Forschung dem Rätsel auf der Spur, wie Bakterien ihre Wirkung entfalten. Heute weiss man, dass sie sich nicht nur vermehren, sondern in Gruppen organisieren und miteinander kommunizieren können. «Für ein einzelnes Bakterium ist es sinnlos, einen Organismus anzugreifen, da dessen Immunsystem ihn erfolgreich wird abwehren können», so Eberl.

Bakterien brauchen daher eine kritische Masse, in der Mikrobiologie «Quorum sensing» genannt. Der Begriff stammt aus der Rechtswissenschaft und meint die Beschlussfähigkeit eines Gremiums ab einer bestimmten Grösse. Bei Bakterien bedeutet es, dass bestimmte Gene erst aktiviert und damit eine bestimmte Wirkung erst ausgelöst wird, wenn Bakterien eine genügend hohe Konzentration von Signalstoffen anderer Bakterien in der Umgebung feststellen.

Was das Antibiotikum in diesem Test nicht alleine schaffte, gelang bei der zusätzlichen Zugabe von Knoblauch-Extrakt unten rechts im Bild: Der bakterielle Biofilm (grün) wird zerstört.

Am Reden hindern statt töten?

Wenn es demzufolge gelingt, die Kommunikation zwischen Bakterien zu unterbinden, kann eine Krankheit verhindert oder gestoppt werden, ohne dass die Bakterien selber getötet werden. Damit, so hofft Eberl, lassen sich Resistenzen wie bei den Antibiotika verhindern, wo einzelne resistente Bakterien überleben und sich weiter verbreiten können.

Auf der Suche nach Stoffen, welche die bakterielle Kommunikation verhindern können, stiessen die Forscher zuerst auf Wirkstoffe aus Algen. Diese waren zwar wirksam, zeigten im Tierversuch allerdings gravierende Nebenwirkungen. Die weitere Suche erwies sich bei Pflanzen, Früchten und Gewürzen als erfolgreich.

Zahlreiche Naturprodukte enhalten Wirkstoffe, welche die Kommunikation zwischen Bakterien verhindern.

Knoblauch stresst Bakterien

Dass beispielsweise Knoblauch eine antibakterielle Wirkung hat, war bereits bekannt. Eberl und seine Forschungspartner in Dänemark konnten nun zeigen, dass Knoblauch die kommunikativen Signalstoffe der Bakterien blockiert.

In Versuchen erwiesen sich Antibiotika nicht immer in der Lage, einen Biofilm vollständig zu zerstören. Wurde dem Biofilm zusätzlich Knoblauch-Extrakt zugefügt, wurden die Bakterien vollständig zerstört. «Knoblauch scheint die Bakterien anfälliger zu machen gegenüber Stress», vermutet Eberl.

Welcher Stoff im Knoblauch dies zu leisten vermag, ist allerdings noch unbekannt. Auch weiteren Fragen wird Eberl in nächster Zeit nachgehen: Lässt sich der gesuchte Stoff synthetisch herstellen? Und warum wirkt Knoblauch aus Spanien stärker als solcher aus anderen Ländern? Weitergehen wird auch die Suche nach anderen Pflanzen und Wirkstoffen. In einer Studie haben sich beispielsweise 70 Prozent der Kräuter der Traditionellen Chinesischen Medizin als effektiv erwiesen, die bakterielle Kommunikation zu unterbinden.

Warten auf die Industrie

Leo Eberl interessiert das «Quorum sensing» speziell im Hinblick auf eine mögliche Behandlung der zystischen Fibrose (auch Mukoviszidose genannt), einer tödlichen Infektionskrankheit der Lunge. Soeben haben er und seine Forschungspartner eine namhafte finanzielle Unterstützung von einem deutschen Verband für Mukoviszidose erhalten. Erste klinische Versuche sind für Ende 2007 geplant.

Auf das Interesse der Industrie allerdings wartet Leo Eberl noch: «Die Firmen sind zurückhaltend, weil sich Naturstoffe in Europa nicht patentieren lassen. Für mich allerdings ist klar, dass die Kommunikation zwischen Bakterien ein äusserst attraktives Ziel zur Entwicklung neuer Therapieansätze ist.»