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Wenn 300 User am gleichen Dokument schreiben

Dank dem am Institut für Informatik entwickelten Text-Datensystem TeNDaX können mehr als 300 Personen gleichzeitig an einem einzigen Dokument arbeiten. TeNDaX ist eine Weltneuheit in der Dokumenterstellung und -bearbeitung, die die Universität Zürich nun zur Patentierung angemeldet hat.
Marita Fuchs

«Forschung ist in der Regel schwer vermittelbar. Häufig handelt es sich um kleine Puzzleteile, die dann zum grossen Ganzen beitragen, aber jedes für sich eher weniger spektakulär erscheinen», sagte Professor Klaus Dittrich vom Institut für Informatik am Dienstag an der öffentlichen Projektvorstellung von TeNDaX (Text Native Database Extension).

Mit TeNDaX wurde hingegen in nur drei Jahren mit einem bescheidenen Budget von 350'000 Franken der Prototyp eines kompletten praxistauglichen Dokumentverarbeitungssystem entwickelt. Das besondere daran: Theoretisch können pro Server 382 Benutzer auf der ganzen Welt gemeinsam an einem Dokument arbeiten und das bei 180 Anschlägen in der Minute.

Klaus Dittrich vom Institut für Informatik freut sich über den gelungenen Prototypen.

Alle Änderungen werden in einer Datenbank gespeichert und die Bearbeitungsprozesse jedes einzelnen Benutzers können nachverfolgt werden. Ausserdem kann jeder sehen, was der Andere gerade tut. Damit werden Dokumenterstellung und Bearbeitungsprozesse transparent gemacht.

«Beim letzten Evaluationsbericht hätte TeNDaX uns sehr geholfen», erzählte Dittrich, «denn zwölf Professoren und Sekretärinnen mussten an einem Dokument arbeiten und zwar unter Zeitdruck.» Dabei sei es sehr schwierig gewesen, den Überblick zu behalten und nachzuvollziehen, welche der kopierten Versionen die Masterversion sei.

Praktischer Nutzen

An einem Round-table-Gespräch wurde der praktische Nutzen der Weltneuheit klar: Dr. Wolfgang Natus von Hoffmann-La Roche meinte, insbesondere bei wertvollen Dokumenten, in die viel Zeit und Arbeit investiert werde, sei TeNDaX sehr nützlich. Als Beispiel nannte er die Entwicklung eines neuen Medikamentes: Da entstünden global tausende von Dokumenten, deren Verwaltung eine grosse und kostspielige Aufgabe sei.

Texte bisher Daten zweiter Klasse

Hinter TeNDaX steckt eine neue Philosophie des Umgangs mit Texten. Wie Projektleiter Thomas Hodel-Widmer erläuterte, werden bisher alle bedeutungsvollen Daten eines Unternehmens beispielsweise in einer Datenbank abgelegt. Nur die Textdokumente lägen irgendwo auf den Rechnern der einzelnen Mitarbeiter. «Unser Ansatz will dem Text die nötige Bedeutung zuweisen und ihn auch in Datenbanken ablegen und damit systematisieren.»

Projektleiter Thomas Hodel-Widmer will mit TeNDaX auch eine neue Philosophie im Umgang mit Textdokumenten bewirken.

Als kleinste Einheit werden nicht Sätze oder Wörter, sondern Zeichen gespeichert. Kritische Reaktionen auf diese Idee habe es vor allem aufgrund des hohen Speicherbedarfs gegeben, erzählte Widmer. Speicherplatz sei jedoch heute kein Thema mehr. Die leistungsfähige Datenbank «Caché» der Firma InterSystems habe sie in ihrer Forschung unterstützt.

Entstehungsgeschichte von Dokumenten nachvollziehen

Durch die im Hintergrund gespeicherten Metadaten kann jede Art von Transaktion des Dokumentes nachvollzogen werden. So könne im Nachhinein recherchiert werden, wie ein Dokument entstanden sei, sagte Widmer. Beispielsweise werden Textblöcke, die mit copy-paste eingefügt wurden, speziell identifiziert, weil der Prozess des Einfügens schneller sei als die Eingabe per Tastatur. Dennis Weiss, ein Student der Informatik, der das System getestet hat, wies auf eine weitere Funktionalität hin: Wolle der Chef genau wissen, wie viel jeder aus einem Team am Dokument gearbeitet habe, so könne er sich das prozentual ausrechnen lassen.

TeNDaX ermöglicht, die Entstehungsgeschichte eines Dokumentes jederzeit zu rekonstruieren, erklärt Dennis Weiss.

Erstes Softwarepatent der Universität

Prorektor Alexander Borbély lobte in seiner Ansprache die richtungweisende Verquickung von Forschung und Lehre im Projekt TeNDaX, denn Studierende seien nicht nur Rezipienten gewesen, sondern hätten aktiv an der Forschung teilgenommen. Dreissig Diplomandinnen und Diplomanden seien beteiligt gewesen. Die aus dem Projekt entstandene praktische Umsetzung von Forschung, die auch kommerziell attraktiv sei, habe die Universität dazu veranlasst, das Patent anzumelden.

Alexander Borbély, Prorektor Forschung der Universität Zürich, sieht eine zukunftsweisende Verbindung von Forschung und Lehre.

Neue Kultur

Die neuen Möglichkeiten seien aber auch ein Kulturschock, meinte ein Besucher der Veranstaltung, denndie meisten würden doch lieber erst den Text allein für sich formulieren, als allen zu zeigen, wie sie schreiben und korrigieren. Das System hat jedoch auch dafür eine Lösung: Man kann bestimmte Zonen des Dokumentes sperren und erst mal in Ruhe für sich bearbeiten.