Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Gleichstellung

Thomas, Anna und Maria in der Chefetage

Unternehmen und Hochschulen sollten sich beeilen, mehr Chefinnen zu gewinnen, sagte Kerstin Pull von der Universität Tübingen am diesjährigen Professorinnen-Apéro der UZH. Die UZH-Peer Mentoring Gruppe CareerElixier zielt genau in diese Richtung.
Marita Fuchs
Der Professorinnen-Apéro ist ein willkommener Anlass zum fakultätsübergreifenden Austausch und fand zum 13. Mal statt. (Bild: Frank Brüderli)

Gleich und gleich gesellt sich gern. Vor allem in der Chefetage. Dort gilt das sogenannte Thomas-Prinzip: Wenn der Chef Thomas heisst, umgibt er sich möglichst mit Menschen, die ebenfalls Thomas heissen – und nicht Maria oder Anna. Ein Chef besetzt also seine Führungsetage mit Kolleginnen und Kollegen, die ihm in Bezug auf Herkunft, Ausbildung oder Karriere möglichst ähnlich sind – und auch das gleiche Geschlecht haben. Diese Wahl werde aber meist unbewusst getroffen, sagte Kerstin Pull am vergangenen Montag an der UZH. Anlass für das Referat der Wirtschaftsprofessorin aus Tübingen war der alljährliche Professorinnen-Apéro.

Dieses Treffen hat Tradition, fand es doch zum 13. Mal statt. Die Veranstaltung biete die Möglichkeit, sich über die Fakultätsgrenzen hinweg auszutauschen und zu vernetzen – immer auch mit dem Blick auf die Förderung von Nachwuchsforschenden, die angesichts wachsender Studentinnen-Zahlen nicht in gleichem Masse nachziehen, sagte Christiane Löwe, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Diversität und nannte konkrete Zahlen: Im Jahr 2022 waren an der Universität Zürich 728 Professorinnen und Professoren tätig: 520 Männer und 208 Frauen.

Frauen in Top-Positionen sind nicht nur an Hochschulen, sondern auch in der Wirtschaft rar gesät. Über Realität und Chancen der Geschlechtervielfalt in Führungsetagen von Unternehmen sprach Kerstin Pull, Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Personal und Organisation an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Sie war im Frühjahrssemester 2022 als Inge Strauch-Gastprofessorin an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich tätig, die auch den diesjährigen Apéro ausrichtete und Kerstin Pull gebeten hatte, das Schwerpunktreferat zu halten. Im Anschluss kamen zudem drei Nachwuchswissenschaftlerinnen zu Wort. Sie gründeten die Peer Mentoring Gruppe «CareerElixier» mit dem Ziel, Doktorandinnen und Post-Docs der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät für eine Karriere in der Akademie oder der Wirtschaft zu motivieren, und sie bei der Entwicklung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen zu fördern und zu unterstützen.

Pull

Eine Quote könnte notwendig sein, um weibliche Talente systematisch zu identifizieren und zu fördern.

Kerstin Pull
Betriebswirtschaftlerin, Eberhard Karls Universität Tübingen

Die magische Zahl 30

Kerstin Pull stellte ihre Forschungsergebnisse zu drei Themen vor: Erstens die sogenannt «kritische Masse» von Frauen in Unternehmensvorständen, zweitens ihre Wirkung als Rollenmodelle und drittens das geschlechtsspezifische Lohngefälle auf höchster Führungsebene.

Auf der Grundlage der Theorie der kritischen Masse und mit Hilfe eines Datensatzes von 151 börsennotierten deutschen Unternehmen untersuchte Pull, ob der Zusammenhang zwischen Geschlechtervielfalt und Unternehmensperformance einer U-Form folgt. Sie fand Hinweise darauf, dass die Geschlechtervielfalt sich zunächst negativ auf die Unternehmensleistung auswirkt und erst nach Erreichen einer kritischen Masse von etwa 30 Prozent Frauen mit einer höheren Unternehmensleistung verbunden ist – dies im Vergleich mit rein männlich zusammengesetzten Vorständen.

Bei den von Pull untersuchten Unternehmen entspricht die kritische Masse von 30 Prozent Frauen einer absoluten Zahl von etwa drei Frauen im Vorstand und unterstützt damit neuere Studien über eine entsprechende «magische Zahl» von Frauen im Vorstand. Pull fasste zusammen:

•    Die Ernennung von Frauen in die Unternehmensvorstände führt nicht automatisch zu einer Steigerung der Unternehmensleistung.
•    Wenn man Frauen in den Vorstand beruft, sie aber nicht in die Diskussionen im Vorstand einbezieht, verpasst man eine Chance.
•    Die Chancen, dass Frauen in die Diskussionen im Vorstand integriert werden, sind höher, wenn mehr als eine Frau in den Vorstand berufen wird.
•    In ihrem eigenen Interesse sollten sich die Unternehmen bemühen, weibliche Talente systematisch zu identifizieren und zu fördern, um aus einem insgesamt grösseren Talentpool auswählen zu können.
•    Eine Quote könnte notwendig sein, um diesen Prozess in Gang zu setzen.

Rollenmodelle mit Signalwirkung

Es bleibt die Frage, wie sich Frauen in den Top-Etagen auch auf die Unternehmensattraktivität auswirken. Pull hat auch das untersucht und festgestellt, dass Frauen in Top-Führungspositionen die Attraktivität des entsprechenden Unternehmens als Arbeitgeber erhöhen, vor allem für Bewerberinnen. Allerdings verringere die Besetzung einer stereotyp weiblichen Führungsposition mit nur einer (symbolischen) Frau die Attraktivität des Arbeitgebers für Bewerberinnen.

Und wie reagieren Männer, die sich für das Unternehmen interessieren? «Frauen in Top-Führungspositionen halten männliche Bewerber nicht von einer Bewerbung ab. Ein 50-prozentiger Frauenanteil in höchsten Führungspositionen erhöht sogar die Attraktivität des entsprechenden Unternehmens als Arbeitgeber für Bewerber – im Gegensatz zu einem rein männlichen Vorstand», sagte Pull.

In der Zwickmühle

Das deutsche Statistische Bundesamt hat aufgezeichnet, dass sich die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern verringern, allerdings nur langsam. Im Jahr 2016 betrug der Unterschied bei den Löhnen 12 %, 2018 sank er auf 11,5 % und 2020 auf 10,8 %.
Weibliche Führungskräfte verdienen insgesamt 16,8 % weniger als ihre männlichen Kollegen, aber der Unterschied beträgt 9,3 % bei Stellen mit geringerer Verantwortung.

Es gibt ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle auf der höchsten Führungsebene. Pull erklärte, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle sich zum Teil dadurch erklären lasse, dass Frauen sich (selbst) für die weiblicheren (rollenkongruenten) und weniger gut bezahlten Funktionen entscheiden, wie zum Beispiel für das Personalwesen (HR) oder die Kommunikation.

Aber auch Frauen in Top-Führungspositionen, die sich (selbst) für die eher männlichen (rolleninkongruenten) Funktionen entscheiden wie zum Beispiel die Informatik-Abteilung (IT), müssten mit einer Gehaltseinbusse rechnen. Frauen in Top-Führungspositionen seien in einer so genannten Catch-22-Situation gefangen, also einer Zwickmühle, aus der sie kaum entkommen können.

bernays

Wir unterstützen uns gegenseitig in unserem Netzwerk bei der wissenschaftlichen Karriere.

Florence Bernays
Co-Gründerin von «CareerElixier»

Elixier der Karriere

Die Leiterinnen der Peer Mentoring Gruppe «CareerElixier» berichteten im Anschluss über ihre Erfahrungen. Florence Bernays erklärte, dass die Gruppe – die sich an Doktorandinnen und PostDocs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät richte – seit der Gründung angewachsen sei, und zwar auf heute 42 Mitgliederinnen – ein grosser Erfolg.

Die gegenseitige Unterstützung basiere auf vier Säulen, die für eine wissenschaftliche Karriere essentiell seien: Erstens die Förderung von Publikationstätigkeit und -fähigkeit, zweitens die Unterstützung beim Erwerb von Drittmitteln, drittens die Diskussion zur Vereinbarkeit von Karriere und Familie und viertens die Förderung von Lehrtätigkeiten.

Theresa Langenmayr berichtete über Herausforderungen und mögliche Strategien im Management von Peer Mentoring Gruppen. Insbesondere während und nach der Corona Pandemie, wäre es mitunter schwierig gewesen, das Engagement und die Dynamik der Gruppe aufrecht zu erhalten. Der aktive Einbezug von allen Mitgliederinnen bei der Planung und Durchführung des Programms habe jedoch geholfen, den Spirit zu bewahren.

Violetta Splitter, eine der Gründungsmitgliederinnen von CareerElixier, ist heute Gastprofessorin an der Universität der Künste Berlin. Sie betonte, wie wichtig die Gruppe für ihre Karriere gewesen sei, so hätten ihr zum Beispiel die Mock-Interviews geholfen, sich auf Vorstellungsgespräche vorzubereiten. Das Feedback der Gruppe sowie ein Workshop zum Thema Verhandlungsstrategien seien in dieser Karrierephase sehr wertvoll gewesen. Aber nicht nur das, sie hätte auch die emotionale Unterstützung geschätzt, die sie auch durch schwierige Zeiten getragen hätte. 

Weiterführende Informationen