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Weltraumforschung

«Die Schweiz ist eine Weltraum-Nation»

Das Europa Institut an der UZH ist bekannt für seine Gesprächsrunden mit hochkarätigen Gästen. Gestern tauschten sich Weltraum-Experten aus den USA und der Schweiz online über ihre gute Zusammenarbeit bei der Erkundung des Outer Space aus – unter ihnen der erste Schweizer Astronaut Claude Nicollier.
Brigitte Blöchlinger
«Super Arbeitsplatz!» Der erste Schweizer Astronaut Claude Nicollier (Mitte und rechts) ist auch Jahrzehnte nach seinem Einsatz im Weltraum begeistert von der Raumfahrt.

 

Die Begeisterung für das Weltall war selbst vor dem Bildschirm zuhause spürbar. Moderator und Europa-Institut-Direktor Prof. Andreas Kellerhals freute sich sichtlich über die hochkarätige Runde, die sich anlässlich des Swiss Day online eingefunden hatte, um über die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit der USA mit der Schweiz bei der Erforschung des Weltalls zu sprechen.

Seit Apollo 11 

«Together in Outer Space: Swiss–U.S. Collaboration Through the Years» hiess die Online-Veranstaltung des Europa Instituts. Dass die Schweiz schon lange eine beachtliche Rolle bei der Erforschung des Weltalls spielt, wurde in den Referaten schnell klar. So war die Schweiz bereits bei der ersten bemannten Mondlandung 1969 dabei, und zwar über die Universität Bern, die sich am Sonnenwindsegel-Experiment beteiligt hatte und anschliessend die Zusammensetzung der gesammelten Ionen und Elektronen, die von der Sonne mit hoher Geschwindigkeit ins Weltall strömen (aber nur auf den Mond und nicht auf die Erde gelangen), untersuchte. Ein paar Jahre später, 1975, war die Schweiz eines der zehn Gründungsmitglieder der European Space Agency ESA. Bis heute ist sie ein sehr aktives und wichtiges ESA-Mitglied geblieben.

Wissenschaft und Industrie

Nicht nur die Universitäten und Hochschulen spülen Fachkräfte und Know-how in die Weltraumforschung, auch die Industrie treibt die Erkundung des Weltraums voran. Deshalb war als Online-Referentin auch Boeing's Vice President International Sales and Strategic Partnerships, Maria Laine, eingeladen. Auch aus Sicht von Boeing sei die Schweiz wichtig, sagte Laine. Seit den 1990er-Jahren arbeite Boeing mit Hunderten von Schweizern Partnern für viele Milliarden von Franken zusammen – und kein Ende absehbar. Boeing suche international immer nach den besten Fachkräften aus dem Ingenieurswesen, aus Forschung und Innovation, und da spiele die Schweiz an vorderster Front mit. – Ein Beispiel dafür ist die Obwaldner Firma Maxon, die bei der aktuell stattfindenden ESA/NASA-Mars-Mission die Minimotoren der Drohne entwickelt hat, dank denen der kleine Helikopter durch die dünne Mars-Luft fliegen soll. 

Die Schweiz ist tatsächlich eine Weltraum-Nation: Wissenschaftsdirektor bei der NASA ist Thomas Zurbuchen (kleines Bild rechts), der in Heiligenschwendi oberhalb des Thunersees aufgewachsen ist.

Zusammen Grosses erreichen

Innovation und Kooperation sind für die Weltraumforschung zentral, fand auch Arthur (Bill) Beckman der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA (Director NASA Programs for Boeing Global Sales). Nachdem Russland und die USA anfangs vor allem nach dem eigenen Ruhm getrachtet hatten, seien bald schon internationale Kooperationen erfolgreicher gewesen. Insofern stellten Weltraumexpeditionen heute auch ein Modell dar, wie Nationen zusammen Grosses erreichen können. Wobei sich als Kooperationspartner mehr und mehr auch Privatpersonen bemerkbar machten. Auch diese könnten den Markt mit ihren innovativen Ideen bereichern.

Risikobereitschaft braucht es

Ein Schweizer, der bei der Erforschung des Weltalls an vorderster Front tätig ist, ist Thomas Zurbuchen. Er studierte an der Universität Bern und ist seit 2016 Wissenschaftsdirektor der NASA. Dank einem Budget von rund sieben Milliarden Franken kann er entscheiden, wohin die Reise im All gehen soll. Zurbuchen bestätigte in seinem Referat, dass zwei Drittel aller NASA-Missionen international seien und die NASA mit 130 Ländern zusammenarbeite. Er betonte, wie wichtig es sei, dass bei der Nutzung und Erforschung des Weltraums ein transparenter, friedlicher Wettbewerb herrsche, mit klaren Regeln, verantwortungsvollen Entscheiden und Open Data. Die Schweiz sei dafür bestens qualifiziert. Sie verfüge über entsprechende Kaderschmieden und habe viele innovative Unternehmungen hervorgebracht, die klein angefangen und mittlerweile weltweit bekannte Marken seien – auch in der Raumfahrt seien grosse Ziele nur mit einer entsprechend hohen Risikobereitschaft realisierbar.

Der schönste Arbeitsplatz

Das grösste Risiko bei der bemannten Raumfahrt besteht darin, «die Crew zu verlieren», gab ein weiterer Schweizer Gastreferent, Claude Nicollier, zu bedenken. Er wusste, wovon der sprach – Nicollier war der erste Schweizer Astronaut. Er hatte in den 1960er-Jahren das Glück, von der NASA für die Ausbildung zum Astronauten ausgewählt worden zu sein. Nach zwölf Jahren Vorbereitungszeit in einem super Team, wie er sagte, war er schliesslich zwischen 1992 und 1999 insgesamt 2000 Stunden im Weltraum. Für viele ist der in Vevey geborene promovierte Astrophysiker, Swiss-Airforce-Pilot und Astronaut ein Held.

Auch in der Online-Gesprächsrunde fiel Claude Nicollier durch seine ungebrochene Begeisterung und Faszination für die Welten jenseits unseres Planeten auf. So kommentierte er das Foto von seiner Mission von 1993, ausserhalb des Raumschiffs das Hubble-Weltraumteleskop zu fixieren, lachend mit den Worten: «Super Arbeitsplatz». Die Zuhörerinnen und Zuhörer vor den Bildschirmen zuhause hoben fast selbst ein wenig von ihren Bürostühlen ab, als er sagte: «Die Schweiz ist eine Weltraum-Nation» und dem Testflug des Ingenuity-Helikopters mit den Obwaldner Minimotoren, der auf den nächsten Tag geplant war, viel Erfolg wünschte. Dass der Test dann verschoben werden musste, hätte seine Begeisterung wohl nicht gebremst. Schliesslich heisst die Mars-Mission «Perseverance», Beharrlichkeit.