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Im Rampenlicht

Aufsteigender Stern am Ökonomenhimmel

Der Ökonom David Dorn ist einer der auffälligsten Vertreter seiner Zunft. Berühmt machten ihn Studien zum China-Handel.
Stefan Stöcklin

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David Dorn im Chinagarten; der Ökonom interessiert sich für die aufstrebende Handelsmacht China.

Wir leben in besonderen Zeiten. Die weinrot gestrichenen Gänge des Instituts für Volkswirtschaftslehre sind menschenleer. Auch David Dorn hat sich im Homeoffice eingerichtet und kommt eigens zur Verabredung in sein Büro im dritten Stock, Maske über Nase und Mund. Am Arbeitsplatz fallen zwei Fotoabzüge an den Wänden auf: Der eine zeigt einen Blick auf die City von Chicago mit dem Art Institute, der andere orientalische Ornamente auf einer Tür in Südspanien. Beide Bilder markieren wichtige Stationen in der kurzen und steilen Karriere Dorns, der 2014 im Alter von 35 Jahren an die UZH berufen wurde und zu den meistzitierten Wissenschaftlern seiner Zunft gehört.

Flair für Zahlen und Datenanalysen

Unter Einhaltung der Abstandsregeln entfernen wir den Mundschutz (was zum Interviewzeitpunk noch möglich war). Hinter der Maske kommt das freundliche Gesicht des Forschers hervor, in den unauffälligen Zügen lauert eine Spur von Schalk. David Dorn wägt seine Worte ab und spricht wohlüberlegt über seinen Werdegang und berufliche Interessen.

Aufgewachsen ist der Wissenschaftler im zürcherischen Dielsdorf im Schosse einer Akademikerfamilie. Die Mutter arbeitete als Biologin und Professorin an der ETH in Zürich, der Vater als Chemiker in der Industrie. Ein naturwissenschaftliches Studium wäre naheliegend gewesen, doch den jungen Mann zog es Richtung Ökonomie an die Hochschule St. Gallen. Schnell einmal konzentrierte er sich auf die Volkswirtschaft, weil ihn wirtschaftliche Zusammenhänge und soziale Aspekte interessieren und ihm die Arbeitsmethoden liegen: «Ich arbeite gerne empirisch mit Daten und Zahlenanalysen.» 2004 schloss Dorn sein Studium der Ökonomie an der HSG mit dem Lizenziat ab. «Ich hatte ursprünglich keine akademische Karriere im Sinn», sagt David Dorn. Im Laufe seines Studiums las er allerdings mit zunehmendem Interesse aktuelle Forschungsarbeiten über Arbeitsmärkte, Einkommensverteilung und Ungleichheit. Also entschloss er sich zu einer Doktorarbeit zu diesen Themen über die Situation in den USA – dies, weil dort die aussagekräftigsten Daten zur Verfügung standen.

The China Syndrome

Die Arbeit führte den jungen Ökonomen folgerichtig in die USA. Besonders angezogen fühlte sich Dorn von den angelsächsischen Policy Schools, an denen Forschende aus Disziplinen wie Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie aktuelle gesellschaftsrelevante Fragen analysieren. Er organisierte sich Aufenthalte an der Harris School of Public Policy Studies der Uni-versität von Chicago und anderen renommierten Instituten. 2009 schloss er seine Dissertation mit drei Essays über den amerikanischen Arbeitsmarkt ab.

Nach der erfolgreichen Promotion war die akademische Laufbahn naheliegend: Zielstrebig bewarb sich der frischgebackene Doktor an über 100 Universitäten für eine Professur und erhielt 2009 den Zuschlag am CEMFI in Madrid, einer Graduate School der spanischen Nationalbank. An diesem «grossartigen Institut» nahm er den Einfluss der aufstrebenden Handelsmacht China auf den amerikanischen Arbeitsmarkt unter die Lupe und landete einen Coup: Die mit zwei amerikanischen Autoren 2013 unter dem Titel «The China Syndrome: Local Labor Market Effects of Import Competition in the United States» publizierte Studie schlug ein und gehört zu den meistzitierten ökonomischen Untersuchungen des letzten Jahrzehnts. Warum? Die Autoren konnten erstmals empirisch zeigen, dass die seit den 1990er-Jahren in die USA importierten Billigprodukte aus China zu dramatischen Fabrikschliessungen und einer Reihe von negativen und langfristigen Auswirkungen geführt hatten, darunter soziales Elend und Alkoholismus. «Wir widerlegten das gängige Dogma, dass Arbeitsmärkte rasch und flexibel auf Schocks des globalisierten Handels reagieren», sagt Dorn. Aufgrund seiner Einblicke in diese Verwerfungen war der USA-Kenner Dorn einer der wenigen, die Trumps Wahlsieg 2016 voraussagten.

Mitglied der COVID-19 Science Task Force

Die spektakuläre Arbeit öffnete Dorn die akademischen Türen. 2014 kam er mit 35 Jahren als mit Abstand jüngster ordentlicher Professor ans Institut für Volkswirtschaftslehre der UZH, an dem Ernst Fehr das UBS Center for Economics in Society aufbaute. An der UZH kann Dorn seine Studien zu Handel, Politik und Globalisierung in einem «motivierenden und kollegialen» Team vorantreiben. Demnächst auch im Rahmen des Universitären Forschungsschwerpunkts «Equality of Opportunity», bei dem es um wirtschaftliche und soziale Veränderungen geht, die zu Ungleichheit führen oder davon verursacht werden.

Im Gespräch fallen oft die Begriffe «Wirkung» und «Einfluss». Dorn ist ein Wissenschaftler, der gesellschaftliche Entwicklungen besser verstehen und zur Lösung akuter Fragen beitragen möchte. So ist es kein Zufall, dass er auch in der COVID-19 Science Task Force des -Bundes aktiv und häufig Interviewpartner der Medien zu Fragen des Arbeitsmarkts und der Globalisierung ist. Das Interesse freut ihn, wobei die Medienpräsenz aber auch grosse Verantwortung mit sich bringt. «Man muss bei den Fakten bleiben und nicht selbstverliebt kommentieren», sagt er. Eine Gefahr, welcher der selbstbewusste Ökonom nie erlegen ist.

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