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Medizin

Lymphgefässe verbreiten Metastasen

Lymphgefässe tragen aktiv dazu bei, dass sich Metastasen von Tumoren im Körper ausbreiten. Diese unerwartete Erkenntnis ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit im Rahmen der Forschungsinitiative Skintegrity.
Florian Meyer
Lymphgefässe (grün) verstärken die Ausbreitung von Krebszellen aus Metastasen (rot). (Bild: Science Advances / Michael Detmar Group)

 

Forschende von ETH Zürich und Universitätsspital Zürich/Universität Zürich haben einen neuen Mechanismus entdeckt, wie sich Krebszellen in Mäusen und Menschen von Organ zu Organ ausbreiten. Eine unerwartet aktive Rolle spielen dabei die Lymphgefässe. Diese transportieren Gewebeflüssigkeiten und haben auch eine wichtige Rolle für das Immunsystem.

«Wir konnten zum ersten Mal zeigen, dass die Lymphgefässe die Ausbreitung von Krebs nicht nur bei Primärtumoren verstärken, sondern auch dann, wenn der Tumor bereits in weiter entfernten Körperteilen auftritt», sagt Qiaoli Ma, Doktorandin am ETH-Institut für Pharmazeutische Wissenschaften und Erstautorin der im Online-Wissenschaftsmagazin «Science Advances» veröffentlichten Studie.

Primärtumore sind bösartige Tumore, von denen aus sich die Krebszellen ausbreiten und zur Bildung weiterer Krebsgeschwulste in entfernteren Körperteilen führen – so genannte Metastasen.

Tumorzellen nutzen Lymphgefässe

Für Primärtumore hat die Forschungsgruppe von Michael Detmar, Professor für Pharmacogenomics, zu der Qiaoli Ma gehört, schon in einer früheren Arbeit nachgewiesen, dass sich der Krebs nicht nur über die Blutbahnen, sondern auch über neugebildete Lymphgefässe ausbreiten kann. «Die Überraschung der aktuellen Studie war, dass die Lymphgefässe eine verstärkende Rolle spielen, wenn sich die Metastasen nicht vom Primärtumor, sondern von anderen Organen aus absiedeln», sagt Detmar.

Ein erstes Ergebnis erhielten die ETH-Forschenden anhand anonymer Daten von Hautkrebs-Patienten des Universitätsspitals Zürich, die sie zusammen mit den Forschungsgruppen von Reinhard Dummer, UZH-Professor für Dermatologie und stellvertretender Direktor der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich, und Mitchell Paul Levesque, UZH-Professor für Experimentelle Hautkrebsforschung und Forschungsgruppenleiter an der Dermatologischen Klinik, auswerteten.

Anhand der Daten von Patienten, die an einem Melanom erkrankt waren, stellten sie fest, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der sich Metastasen von Organ zu Organ verbreiten, mit der Dichte und dem Wachstum der Lymphgefässe in der metastasierten Lunge zusammenhing. Je mehr Lymphgefässe die Lunge enthielt, umso mehr wuchsen die Tumore auch in entfernten Organen. Zudem sanken die Überlebenschancen der Patienten. Die Tumorzellen nutzen also die Lymphgefässe und deren Wachstum, um sich im Körper auszubreiten.

Für Haut- und Brustkrebs belegt

Diesen Zusammenhang konnten die Forschenden in Mausmodellen überprüfen und belegen. Die Mausmodelle stammen von Krebsforschenden der Universität von Kalifornien in San Francisco. Alle Experimente dieser Studie hat die Kantonale Ethikkommission Zürich bewilligt. «Mit Hilfe von Mausmodellen mit erhöhter Lymphgefässdichte in der Lunge stellten wir sowohl für Haut- als auch für Brustkrebs fest, dass sich vermehrt metastatische Tumorzellen in  im Gewebe und in den Lymphknoten der Lunge befanden, und dass ein grösseres Wachstum von Lymphgefässen in Lungenmetastasen und eine grössere Verbreitung in anderen Organen zusammenhängen», sagt Qiaoli Ma.

Die Dichte der Lymphgefässe kann somit Anhaltspunkte geben, um den Verlauf einer fortgeschrittenen Krebserkrankung zu prognostizieren. Detmar denkt an ein – noch zu entwickelndes – bildgebendes Verfahren, dass die Lymphgefässdichte abbildet. Noch weiter in der Zukunft liegt ein allfälliger Therapie-Ansatz: «Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine höhere Dichte an Lymphgefässen den Abbau von Tumoren durch das Immunsystem erschwert. Möglicherweise könnte die Unterdrückung dieser Funktion der Lymphgefässe zur Behandlung von Krebs beitragen», sagt Detmar

Erfolg für Skintegrity

Die aktuelle Studie entstand im Rahmen der Forschungsinitiative Skintegrity. Dabei bündeln 26 Forschungsgruppen der ETH, der Universität Zürich und der universitären Zürcher Spitäler ihre Expertise und Infrastruktur, um gemeinsam wichtige medizinische Fragestellungen rund um die Haut anzugehen.

«Unsere Studie ist ein Erfolgsbeispiel für die enge Zusammenarbeit von Grundlagenforschenden der ETH mit Klinikern der Universität und des Universitätsspitals Zürich», sagt Detmar. Für die Studie nutzen Ma und Detmar auch die Biobank mit Biopsieproben und isolierten Hautzellen, die im Rahmen von Skintegrity aufgebaut und von Levesque und Dummer geleitet wird. Die gemeinsame Expertise der pharmazeutischen Grundlagenforschenden und der klinischen Mediziner war nötig, um die Daten aufzubereiten und auszuwerten. «Skintegrity hat den Rahmen für die Forschungszusammenarbeit geschaffen und damit diese Studie ermöglicht», sagt Detmar.