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European Girls‘ Mathematical Olympiad

Junge Menschen für Mathematik begeistern

Diese Woche startet an der Universität Zürich und an der ETH Zürich die European Girls‘ Mathematical Olympiad (EGMO). Anna Beliakova, Professorin für Mathematik an der UZH, setzt sich seit Jahren für die Mathematik-Förderung ein. Im Gespräch mit UZH News erklärt sie, warum Anlässe wie die Mathematik-Olympiade wichtig sind, um junge Frauen für Mathematik zu begeistern.
Lena Serck-Hanssen
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Will Jugendliche für Mathe begeistern: Mathematik-Professorin Anna Beliakova der UZH.

Frau Beliakova, die EGMO richtet sich spezifisch an junge Frauen. Braucht es diese Geschlechtertrennung?

Ja, es ist tatsächlich so, dass sich viele junge Frauen eher entfalten können, wenn sie unter sich sind. Es lässt sich beobachten, dass in geschlechtergemischten Gruppen junge Männer oft dominieren und sich junge Frauen seltener zu Wort melden, als wenn sie unter sich sind. In Frankreich zum Beispiel gab es Gymnasien mit reinen Mädchenklassen, aus denen sehr viele begabte Mathematikerinnen hervorgegangen sind. Ich versuche deshalb auch bei den Erstsemestrigen an der Universität frauenspezifische Gruppen zu bilden, damit junge Frauen lernen, mehr Selbstbewusstsein zu erlangen. Die EGMO ist auch ein Anreiz, damit mehr Frauen an den nationalen Ausscheidungs-Wettbewerben in Mathematik mitmachen, da hier der Frauenanteil gering ist.

Kann an dieser Olympiade jede mitmachen, die einfach gut ist in Mathe?

Nein, so einfach ist es nicht. Es braucht neben der Begabung auch viel Ausdauer  und Fleiss. Da die Prüfungsaufgaben nicht einfach Schulstoff behandeln, muss man sich für diese Wettbewerbe speziell vorbereiten. Das erfordert ein überdurchschnittliches Interesse.

Die Schweiz als Gastgeberland stellt zwei Teams mit insgesamt sieben jungen Frauen. Dabei fällt auf, dass die meisten der Schweizer Teilnehmerinnen einen osteuropäischen oder asiatischen Nachnamen tragen. Was bedeutet dies?

Ich kann mich nur zu den osteuropäischen Teilnehmerinnen äussern, denke aber, das ist wie beim Tennis. Viele der grossen schweizerischen Tennisspielerinnen haben osteuropäische Wurzeln. Um in einem Fach wirklich gut zu werden, muss man Einsatz leisten. In der osteuropäischen Kultur sind es Eltern gewohnt, von ihren Kindern diesen Einsatz einzufordern. Natürlich muss ein Kind auch begabt sein, aber Begabung ist nicht alles, es braucht auch Fleiss. Übrigens kommen solche Olympiaden ursprünglich auch aus Osteuropa.

Sie engagieren sich seit langem in der Mathematik-Förderung und haben 2007 die Junior Euler Society gegründet. Diese richtet sich an Jugendliche, die an Mathematik besonders interessiert sind. Weshalb braucht es dieses Angebot?

Es ist leider so, dass begabte Schüler gerade bei Lehrkräften, die selber nicht so an Mathematik interessiert sind, oft zu kurz kommen. Das ist schade, nicht nur für den Schüler oder die Schülerin selbst, sondern auch für die Zukunft des betreffenden Landes. Ich denke, da braucht es einen gewissen Kulturwandel, um den Stellenwert der Mathematik zu stärken. Das ist aber nicht einfach herbeizuführen.  In vielen Köpfen steckt die Vorstellung, dass Mathematik schwierig ist und eine Mathematikerin einfach schnell und gut rechnen kann. Dabei ist Mathematik viel mehr als das. Es braucht Phantasie, Kreativität und Vorstellungsvermögen, um Probleme der Naturwissenschaften mathematisch abbilden und lösen zu können.

Genau diese Fähigkeiten und die Begeisterung für Mathematik wollen wir mit der Junior Euler Society bei den Jugendlichen wecken und fördern. Denn Mathematik ist eine notwendige Kernkompetenz, um andere naturwissenschaftliche Fächer erst richtig betreiben zu können.

Sie sprechen die naturwissenschaftlichen Fächer an. Was braucht es, um die MINT-Förderung allgemein weiter voranzutreiben?

Es braucht sehr viele verschiedene Massnahmen auf unterschiedlichen Ebenen. Anlässe wie die EGMO oder andere Wissenschafts-Olympiaden oder –Wettbewerbe auf allen Schulstufen sind eine Möglichkeit, um das Interesse zu wecken und die Kinder oder Jugendlichen zu animieren, sich mehr mit der Materie zu beschäftigen. Natürlich spielen dabei auch die Eltern eine zentrale Rolle.

Eine der wichtigsten gesellschaftlichen Massnahmen jedoch sollte es sein, gute Lehrkräfte auszubilden. Man hat zeigen können, dass die Kompetenz in MINT-Fächern besonders stark mit der Eignung der Lehrkräfte korreliert. Das heisst, man muss Mathematik-Lehrer ausbilden, die ihr Fach beherrschen, es mit Herzblut betreiben und es schaffen, ihre Schüler zu begeistern. Das heutige System in der Ausbildung von Sekundarlehrkräften beispielsweise leistet hier zu wenig. So kann etwa eine Person Mathematik unterrichten, die selber an der Matur das Leistungsziel in Mathematik nicht erreicht und in der Ausbildung zur Sekundarlehrkraft nur zwölf Kreditpunkte im Fach Mathematik erworben hat.

Ich sehe in diesen Entwicklungen bedenkliche Tendenzen, die zu einer Schwächung der MINT-Fächer führen.  Zusammen mit anderen versuche ich hier Gegensteuer zu geben, damit die Mathematik in der Ausbildung der Lehrkräfte die angemessene Bedeutung erhält.