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Psychologie

Krisen meistern

Warum kommen manche Menschen mit schweren seelischen Belastungen besser zurecht als andere? Die Resilienzforschung sucht darauf Antworten. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern will nun gemeinsame Grundlagen für diesen noch jungen Forschungszweig schaffen.
Valeria Heintges
Wenn nach schweren Schicksalsschlägen die Sonne wieder aufgeht: Forschende untersuchen, wie Menschen mit seelischen Belastungen fertig werden.

 

Menschen reagieren auf dramatische Ereignisse sehr unterschiedlich. Nach den Attentaten auf das World Trade Center, nach grossen Unfällen oder nach Terroranschlägen wie in den USA, in Israel, Frankreich oder England erleiden manche Menschen schwere psychische Erkrankungen, zum Beispiel sogenannte posttraumatische Belastungsstörungen. Andere können schon bald wieder ihrem Alltag nachgehen. Und manche gehen sogar gestärkt aus einer solchen Situation hervor. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als Resilienz oder als psychische Widerstandsfähigkeit bezeichnet.

Die Resilienzforschung ist ein relativ junges psychologisches Forschungsgebiet, da man sich bisher vor allem darauf konzentriert hat, die nach Krisen auftretenden Erkrankungen zu untersuchen und zu behandeln. Wenn die Mechanismen bekannt sind, die vor Erkrankungen schützen, kann sowohl die Prävention als auch die Therapie danach ausgerichtet werden. An der UZH, die international im Bereich der Stressforschung hervorragend aufgestellt ist, wird das Thema Resilienz aus verschiedensten Perspektiven untersucht.

Eine gemeinsame Strategie

Birgit Kleim, Professorin für Experimentelle Psychopathologie und Psychotherapie an der UZH und Leitende Klinische Psychologin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, hat deshalb gemeinsam mit Kollegen ein Positionspapier verfasst, das am 16. Oktober unter dem Titel «The resilience framework as a strategy to combat stress-related disorders» im Fachjournal Nature Human Behaviour erscheint. 38 Forschende aus den USA, Israel und Europa wollen damit die Forschung stärken und eine gemeinsame Grundlage stellen. «Wir wollen eine gemeinsame Strategie und gemeinsame Richtlinien erarbeiten, wie wir Resilienz als individuellen Anpassungsprozess an Stress untersuchen können. Dafür wollen wir uns miteinander vernetzen, auf Konferenzen austauschen und Forschende auf das Thema aufmerksam machen», erklärt Birgit Kleim.

Anschlag auf das World Trade Center

Studien zum Thema Resilienz gibt es schon viele. Aber sie sind oft schwer zu vergleichen oder zusammenzuführen, weil sie von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen. Sehr gute Ergebnisse lieferten bisher vor allem Längsschnittstudien, die mehrere Wochen oder Monate umfassen. George Bonnano von der Columbia University zum Beispiel hatte die Gelegenheit, Probanden in New York vor und nach den Anschlägen auf das World Trade Center über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Viele seiner Probanden erwiesen sich als resilient, konnten das Erlebte also gut verarbeiten – aber nicht alle: Einige entwickelten früher oder später deutliche Symptome psychischer Störungen.

Psychologin Birgit Kleim bewegt sich auf dem jungen Feld der Resilienzforschung: «Es ist jetzt wichtig, interdisziplinär an dieses Thema heranzugehen.»

Soziale und biologische Faktoren

In vielen der bisher zum Thema Resilienz veröffentlichen Studien stellte sich heraus, dass sowohl biologische als auch soziale Eigenschaften einen Einfluss auf die Stressresilienz haben: Wer etwa ein gesichertes soziales Netz hat, kommt eher wieder auf die Beine.

«Es ist jetzt wichtig, interdisziplinär an das Thema heranzugehen», sagt Birgit Kleim. «Das aber geht nur, wenn die Forschungsgemeinschaft zusammen daran arbeitet.» Erforscht werden müsste etwa, welche Rolle genetische Faktoren bei der Resilienz spielen, welche Gehirnregionen wie involviert sind, wie die Prozesse der Verarbeitung ablaufen und wie sich soziale Unterstützung auswirkt. Und vor allem auch, wie all diese Faktoren zusammenspielen. Ein soeben bewilligtes EU-Projekt mit dem Titel DynaMORE, an auch die Universität Zürich beteiligt ist, wird sich ab kommendem Jahr all diesen Fragen widmen. Am Projekt sind neben der UZH auch die Universitäten Mainz, Berlin, Freiburg, Löwen, Nimwegen, Tel Aviv, Warschau sowie das belgisch-niederländische Forschungszentrum IMEC beteiligt.

Birgit Kleim wird im Rahmen dieses Grossprojekts eng mit der Entwicklungspsychologin Lilly Shanahan und dem Soziologien Michael Shanahan zusammenarbeiten, die beide an der UZH forschen. Ziel des Projektes ist es, die psychisch-biologischen Prozesse, die bei der Stressbewältigung ablaufen, in mathematischen Modellen abzubilden. Dieses Modell lernt anhand individueller Daten, welche Anfälligkeiten und Schutzmechanismen eine Person in welchem Masse besitzt. «Unsere Aufgabe an der UZH wird es sein, aufgrund dieser Modelle personalisierte Trainingsprogramme zu entwickeln, die es gefährdeten Menschen ermöglichen, ihre seelischen Widerstandskräfte zu stärken», sagt Birgit Kleim.