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Islam und Medien

Zwischen Zerrbild und Wirklichkeit

Wie berichten Medien in der Schweiz und in Deutschland über den Islam und welche Bilder entstehen dabei in den Köpfen der Leserinnen und Leser? Im Rahmen der Islamwoche an der UZH diskutierten Expertinnen und Experten diese Frage.
Marita Fuchs

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Die Medien neigen zur Skandalisierung: Patrik Ettinger, Antonia Moser und Eren Güvercin im Gespräch (v.l.n.r.).

Menschen islamischen Glaubens sehen sich in der Schweiz und in Europa seit 9/11 mit vielen Vorurteilen und Zerrbildern konfrontiert, sagte gestern Eren Güvercin, freier Journalist und Autor an einer Podiumsdiskussion, zu der die Muslimische Studenten-Assoziation Zürich eingeladen hatte. Zusammen mit Antonia Moser, Journalistin beim Schweizer Radio und Fernsehen, und Patrik Ettinger, Mitarbeiter des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Universität Zürich (fög), diskutierte er über Bilder des Islam, die im medialen Diskurs entstehen.

Die Verknüpfung von Gewalt mit Islam in den Schweizer Medien sei sehr stark, das zeigten Medienanalysen, sagte Ettinger. Interessant sei, dass der Islam und die Lebensrealität von Musliminnen und Muslimen in der Schweiz bis 2004 kein Thema in den Medien waren. Zur Thematisierung des Islam kam es in der Schweiz infolge internationaler Berichterstattung, die im Zusammenhang mit Krieg, Terror und Gewalt stand, sagte Ettinger. Die Übertragung von internationalen Kontexten in nationale Kontexte sei insofern irreführend gewesen, als der Zusammenhang von Islam und Gewalt im nationalen Kontext der Schweiz nicht zutreffend war».

Berichte über den Islam kämen oftmals in reisserischer und übertriebener Form daher, betonte Güvercin, der für verschiedene Tageszeitungen und Hörfunksender wie FAZ, taz, Focus, WDR, Deutschlandradio und Islamische Zeitung schreibt. Bereits die Schlagzeilen zeigten das. Aber auch Sendungen wie «Hart aber fair» von Frank Plasberg im Zweiten Deutschen Fernsehen, die sich einer gewissen Ausgewogenheit rühmten, arbeiteten mit Zuspitzungen. Zudem würden immer wieder dieselben Expertinnen und Experten geladen, von denen die Journalisten sich knackige Aussagen versprechen. Und nicht nur das: In manchen Artikeln würden momentan türkische Politik, deutsche Innenpolitik, Islam und Religion auf verwirrende Weise vermengt, sagte Antonia Moser.

Emotionalisierung und Skandalisierung

Die negative Islamberichterstattung habe natürlich auch reale Gründe, relativierte Güvercin. In Syrien finde eine Katastrophe statt. «Es gibt negative Entwicklungen in der islamischen Realität, über die wir auch kritisch berichten müssen.» Die Frage sei aber, warum positive Entwicklungen nicht ihren verdienten Platz in den Medien erhielten. Ob in Deutschland, der Schweiz oder in der Türkei – die Medien seien auf Skandalisierenden und Übertreibungen aus, beklagte sich Güvercin.

«Ich kenne niemanden, der regelmässig in den Medien vorkommt und nicht das Gefühl hat, verzerrt dargestellt worden zu sein», entgegnete Ettinger. Medienberichterstattung sei immer zugespitzt. Neu aber sei in der Tat die zunehmende Emotionalisierung  und Skandalisierung. Allerdings dürfe man nicht pauschal von den Medien sprechen. Man müsse differenzieren. Der Trend gehe jedoch in die Richtung, dass es immer weniger Redaktionen gebe, die genügend Zeit hätten für eine gute Recherche und für Journalisten mit dem nötigen Know-How. «Der Regelfall in heutigen Redaktionen sieht so aus, dass fast alle über alles schreiben.» Dabei, so Ettinger, würden umhinterfragte Muster reproduziert.

Das Problem sei, dass diese Berichterstattung Bilder des Islam entwerfen, die man nicht so leicht aus den Köpfen bekomme, sagte Güvercin. Hinzu komme, dass Politiker diese Bilder ständig reproduzierten. Dabei müsse man sich fragen, welche Auswirkungen der mediale Diskurs, auf die jungen Muslime habe, die in der Schweiz oder in Deutschland leben und die das Gefühl bekommen könnten, nicht zur Gesellschaft zu gehören. Ettinger zitierte einen jungen Schweizer, der nach der Minarettinitiative gesagt habe: «Früher war ich aufgrund meines Nachnamens ein Jugo, heute bin ich aufgrund meines Vornamens ein Muslim.»

Durch das Fremde das Selbst bewahren

Patrik Ettiger brachte noch eine soziologische Betrachtungsweise in die Diskussion mit ein: Die Problematisierung von Minderheiten sei immer ein starkes Indiz für die Befindlichkeit der Mehrheit. Durch die Hervorhebung des Fremden werde das Eigene rückversichert. Wenn die Zukunft unsicher werde und die eigene Identität betroffen sei, zum Beispiel durch raschen sozialen Wandel, dann könne das Fremde zur Abgrenzung dienen.

Doch wie kann man gegensteuern? Die drei Gesprächsteilnehmer waren sich einig: Die Muslime selbst müssten auch aktiv werden. Sie sollten souverän kommunizieren und eigene Themen setzen, forderte Güvercin. Sie dürften nicht nur einen Rechtfertigungskurs fahren. Nur so könne man jungen Musliminnen und Muslimen eine Perspektive geben.