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Right Livelihood Award

«Wir werden weiter schreiben»

Die türkische Zeitung Cumhuriyet ist mit dem diesjährigen Right Livelihood Award ausgezeichnet worden. Sie steht für das Recht auf Pressefreiheit ein. Gestern war Can Dündar, bis Sommer 2016 Chefredaktor von Cumhuriyet, Gast an der Universität Zürich.
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An der Preisverleihung: Ole von Uexküll, Direktor Right Livelihood Award Foundation Stockholm, Can Dündar, ehemaliger Chefredaktor der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet, Roger de Weck, Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR.

Nein, vorstellen können wir uns das nicht, dass man wie Can Dündar wegen eines publizierten Artikels zu lebenslanger Haft verurteilt werden soll. Oder vielleicht müsste man eher sagen: Wir können uns das nicht mehr oder möglicherweise noch nicht vorstellen. Denn die Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit ist auch im westlichen Europa nicht so alt und demokratische Werte zur Zeit mehr als auch schon in Gefahr. Wie Bernd Roeck, Professor für Allgemeine Geschichte der Neuzeit, Stiftungsrat der Right Livelihood Award Foundation Schweiz und Organisator des Anlasses, in seiner Einführung darlegte, hat im Westen die Entwicklung hin zu Meinungs- und Redefreiheit viel Zeit und Blutvergiessen gefordert.

Die Aufklärung und vernünftiges Handelns im Sinne Kants habe den Grundstein für die Tätigkeit eines unabhängigen Journalisten gelegt. Als zweiter wichtiger Entwicklungsschritt unserer offenen Gesellschaft nannte Roeck den Buchdruck und damit die Möglichkeit, Wissen weit zu verbreiten. Das hohe Gut der Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit müsse auf alle Fälle verteidigt werden, wolle man nicht die Arbeit von unzähligen Menschen, die sich im Laufe der Jahrhunderte dafür eingesetzt hätten, zunichte machen. Can Dündar, der mit Cumhuriyet für dieses Gut kämpfe, sprach Roeck seine höchste Achtung aus.

Vom Mut des Journalisten

Can Dündar war bis Sommer 2016 Chefredaktor der Zeitung Cumhuriyet. Aufgrund eines publizierten Artikels im Mai 2015 wurde er im November 2015 wegen des Verdachts auf Spionage und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Im Februar 2016 hielt das türkische Verfassungsgericht die Untersuchungshaft gegen Dündar für ungesetzlich und Dündar wurde frei.

Im März 2016 begann der Prozess gegen Dündar, bei dem die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft forderte. Verurteilt wurde Dündar letztlich zu knapp sechs Jahren. Einem Schusswaffenattentat im Mai 2016 entkam er dank seiner Frau und seinem Anwalt, die den Attentäter abwehren konnten. Anfang Juli 2016 reiste Dündar aus der Türkei aus. Seiner Frau, Dilek Dündar, wurde der Pass entzogen und sie so faktisch mit dem Ausreiseverbot belegt. Dündar, als Chefredaktor zurückgetreten, schreibt weiterhin für Cumhuriyet.

Im Interview mit Roger de Weck, Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR, führte Can Dündar aus, wie schwierig die Situation in der Türkei geworden sei für alle, die sich für demokratische Werte und eine moderne, säkulare Türkei einsetzten. Nach 37 Jahren Tätigkeit als Journalist sei er dieses Jahr zum ersten Mal im Gefängnis gesessen, das erste Mal Opfer eines Attentatversuchs geworden und das erste Mal ins Exil geflüchtet. «Früher konnte ein Journalist gefragt werden, ob er wirklich glaube, dass er schreiben könne. Heute wird ein Journalist gefragt, ob er den Mut dazu habe», so Dündar lakonisch.

Kampf für die Pressefreiheit

Doch auch wenn er seine Freiheit verloren habe und einige seiner Kollegen getötet worden seien oder im Gefängnis sässen, kämpfe er weiter für die Pressefreiheit. Dabei machte Dündar keinen Hehl daraus, dass er vom westlichen Europa mehr erhoffe. «Europa muss für demokratische Werte wie die Pressefreiheit einstehen und diese verteidigen», plädierte Dündar und machte klar, dass ein Untergang dieser Werte einer Katastrophe gleich käme. Deshalb sei auch die Isolation nicht der richtige Weg, Europa brauche die Türkei und die Türkei brauche Europa. Er glaube nach wie vor an sein Land und an die guten Kräfte, die Jugend und an die vielen Menschen in der Türkei, die sich eine moderne, laizistische und demokratische Türkei wünschten. Deshalb gäbe es für ihn auch nur eines: nicht aufgeben und weiter schreiben.