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Spiritual Care

Von letzten Reisen

Simon Peng-Keller ist Professor für Spiritual Care an der UZH. Er versucht, Medizin und Theologie näher zusammenzubringen. Ein Portrait schildert, was ihn motiviert. Zum Thema Spiritual Care findet am Freitag eine Tagung zum «Beten im Kontext von Spiritual Care» statt.
Simona Ryser
Peng-Keller
Ein Pionier. Simon Peng-Keller ist der erster Professor für Spiritual Care an der UZH.

Hätte er einst den Militärdienst nicht verweigert, wäre er jetzt nicht da, wo er ist. Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich und Seelsorger am Universitätsspital Zürich, erinnert sich mit einem Schmunzeln an die Zeit. Der Richter verurteilte ihn damals, 1992, zu sieben Monaten Arbeitsleistung. Er konnte wählen, wo er diese abdienen wollte. Das war wie ein Geschenk – ein bezahltes Praktikum, das ihm die Augen öffnete für sein berufliches Engagement.

Peng-Keller entschied sich für die Seelsorge im Kantonsspital Luzern. Zuvor erhielt er ein Clinical Pastoral Training – im Spital wurde er dann neben der Seelsorge auch als Gehilfe in die Diät-küche eingeteilt. Und so kam es, dass er im Untergeschoss Kartoffeln rüstete und danach in den Obergeschossen kranke Menschen am Lebensende besuchte. Peng-Keller war 20 Jahre alt, als er das erste Mal bewusst mit dem Sterben konfrontiert wurde. In seiner Zeit als Hilfspfleger begleitete er manche Menschen bis in den Tod.

Mehr Raum für spirituelle Fragen

Es war eine prägende Erfahrung. Die Spannung zwischen der intimen letzten Lebensphase und dem rationalisierten Spitalbetrieb fiel ihm schon damals auf. Die Diskrepanz zwischen den seelischen Bedürfnissen und Nöten der Menschen  einerseits und den institutionellen Rahmenbedingungen andererseits machte ihm zu schaffen. Prompt wurde der Praktikant gerügt, er sei zu wenig effizient bei der Pflege.

Er stiess sich daran, dass Pflege und Medizin sich oft darauf beschränkten, die physische Versorgung sicherzustellen. Genau diese Lücke will die neu geschaffene Professur für Spiritual Care schliessen, die Simon Peng-Keller heute an der Universität Zürich aufbaut. Den seelischen und spirituellen Fragen soll in der Medizin mehr Raum gegeben werden.

Heutzutage suchen viele Menschen nach Spiritualität, gerade auch in der letzten Lebensphase. Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat festgestellt, dass in der palliativen Pflege neben der physischen und psychosozialen Betreuung etwas fehlt, sagt Peng-Keller. Explizit fordert das BAG, bei der Sterbebegleitung die spirituelle Ebene zu berücksichtigen. Die Spiritual-Care-Professur soll hier auf professioneller Ebene Hilfestellung leisten.

Getrennte Welten versöhnen

In seiner langjährigen Erfahrung als Seelsorger hat Peng-Keller beobachtet, wie Ärztinnen, Mediziner und Pflegepersonal in hochsensiblen Situationen, wie sie das Lebensende eines Menschen mit sich bringen, an Grenzen kommen. Auch Hausärzte, so hat eine Umfrage der Universität Basel gezeigt, wünschen sich in diesem Bereich ein Weiterbildungsangebot. «Wenn am Lebensende eines Patienten plötzlich spirituelle Fragen wichtig werden, sind die Ärzte oft am Ende ihres Lateins», sagt Peng-Keller, lehnt sich im Stuhl zurück und denkt nach.

Dabei arbeiteten Arzt und Seelsorger bis ins 19. Jahrhundert eng zusammen. «Je ausgeklügelter die Medizin wurde, desto stärker wurde auch das naturwissenschaftliche Paradigma», erklärt er, «die beiden Bereiche drifteten auseinander.» Heutzutage nimmt man die Seelsorge und die Medizin als völlig getrennte Welten wahr. Spiritual Care will die beiden gewissermassen wieder versöhnen.

Kommunikationskompetenz zu vermitteln

Die Spiritual-Care-Professur an der Universität Zürich hat das Ziel, angehenden Berufsleuten in Seelsorge und Medizin die Kommunikationskompetenz zu vermitteln, um sensibel mit existenziellen und religiösen Fragen umzugehen. Spirituelle Fragen sollen im Gespräch mit dem Patienten aufkommen dürfen und auch in therapeutische Entscheidungen miteinbezogen werden.

Die Lehre ist interdisziplinär angelegt – und praxisnah. Studierende der Medizin und der Theologie erhalten die Möglichkeit, am Universitätsspital und in anderen Institutionen, während zehn Wochen schwerkranke Patienten zu begleiten. «Eigentlich ist es ja umgekehrt», sagt er. «Die Patienten begleiten die Studierenden während ihres Praktikums.» Dabei sollen ihre Wahrnehmung und Empathiefähigkeit geschult werden, indem sie ihre Beobachtungen und Erfahrungen reflektieren.