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Strukturbiologie

«Wir sind weltweit unter den Besten»

Eine illustre Schar führender Forschender trifft sich am Montag und Dienstag zum Symposium «Trends in Structural Biology» auf dem Campus Irchel der UZH. Das traditionsreiche Forschungsfeld ist und bleibt ein Kernthema der modernen Biologie, wie Andreas Plückthun ausführt.
Stefan Stöcklin

Andreas Plückthun kann zufrieden sein. Die Strukturbiologie der UZH hat weltweite Ausstrahlung. (Bild: Stefan Stöcklin)

Herr Plückthun: Die Strukturbiologie hat eine 50jährige Geschichte. Was sind die wichtigsten Themen, mit denen sich die Disziplin beschäftigt, was sind die Trends, wie es im Symposiumtitel heisst?

Andreas Plückthun: Es gibt eigentlich kein Gebiet in der molekularen Biologie, in dem die Strukturbiologie keine Rolle spielen würde. Deshalb hat die Disziplin in den letzten Jahrzehnten schon immer eine grosse Bedeutung gehabt und wird sie auch weiterhin haben.

Die Trends betreffen einerseits die Methoden, mit denen wir biologische Strukturen auf dem molekularen Niveau untersuchen. Am wichtigsten sind die Kristallographie, die Elektronen-Mikroskopie und die Kernspinspektroskopie (NMR).

Auf der technischen Ebene findet eine kontinuierliche Weiterentwicklung statt, was am Symposium gut zum Ausdruck kommt. Und ich darf sagen, dass sich die UZH bei den ersten beiden Techniken unter den weltweit führenden Institutionen befindet. Ich denke speziell an die Einzel-Molekül-Spektroskopie, wo die UZH extrem stark ist.

Was nehmen Sie und ihre Fachkollegen mit diesen Techniken unter die Lupe?

Eine wichtige Gruppe betrifft Biomoleküle, die Angriffspunkte sind von Medikamenten, zum Beispiel bei Krebs. Das können Rezeptoren auf der Oberfläche von Zellen oder Strukturen im Innern von Zellen sein. Hier liefern Strukturbiologen wichtige Details zur Gestalt und Funktionsweise der Moleküle. Ohne diese Kenntnisse ist die Entwicklung moderner Medikamente gar nicht mehr denkbar. Eine weitere Gruppe, die am Symposium eine wichtige Rolle spielt, sind Membranproteine. Das sind Moleküle, die in die Zellmembran eingebettet sind und beispielsweise als Transportkanäle oder Rezeptoren dienen. Wir verstehen dank Strukturuntersuchungen heute besser, wie diese Rezeptoren und Ionen- oder Transportkanäle funktionieren.

Haben Sie ein aktuelles Beispiel für ein Biomolekül, das an ihrem Institut erforscht wird?  

Die Arbeitsgruppe von Raimund Dutzler arbeitet an einem Ionenkanal und Ionentransporter, der bei vielen Krankheiten involviert ist. Meine Gruppe erforscht die sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Das sind auch integrale Membranproteine, die ebenfalls an vielen Krankheiten beteiligt sind.

Wieso ist ihr Verständnis wichtig?

Eine Zelle kann nur dank der Membran und ihren Poren leben, die aus Proteinen bestehen, die reguliert werden. Es geht einerseits darum, die Funktionsweise der Poren zu untersuchen. Und andrerseits ihre Regulation, das heisst die Bedingungen, unter denen sie sich öffnen und Signale ans Zelleinnere leiten. Denken sie nur an die elektrochemische Stimulation von Nervenzellen, die über Membranporen funktioniert, dann erkennen sie die grosse Bedeutung dieser Moleküle und ihrer dreidimensionalen Strukturen.

Auffallend viele Moleküle, die am Symposium debattiert werden, stammen aus Mikroorganismen. Was kann man von Einzellern lernen?

Es stimmt, in manchen Fällen würden wir gerne von Beginn weg Moleküle und Strukturen höherer Zellen von Tieren oder Pflanzen studieren. Aber die sind teils nicht zugänglich und zu komplex oder zu instabil. In dieser Situation sind Untersuchungen an Molekülen von Einzellern eine sinnvolle Alternative, weil sie oft leichter durchzuführen sind. Gleichzeitig muss man sagen, dass sehr viele biochemische Mechanismen in allen Lebewesen gleich oder ähnlich sind. So betrachtet ist es vernünftig, zuerst diese Strukturen bei einfachen Organismen zu untersuchen und sich danach auf die nächste Stufe zu bewegen.

Sie untersuchen die Strukturen einzelner Moleküle bis auf einzelne Atome hinunter. Kann man so auch die Funktionsweise ganzer Zellen oder Organe verstehen?

Ich denke schon, weil der Körper letztlich durch diese Mechanismen reguliert wird. Ionenkanäle zum Beispiel funktionieren auf Befehl eines externen Stimulus. Aber nur wenn man die Funktionsweise des Kanals versteht, kann man nachvollziehen, worin die physiologische Störung besteht. Das gilt auch für die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, die Signale von aussen ins Zellinnere vermitteln.

Immer mehr Molekularbiologen befassen sich heute mit dem grossen Ganzen, Stichwort Big Data und quantitative Biologie. Wie stehen die Strukturbiologen dazu?

Ich würde sagen, dass wir die ideale Ergänzung sind. Während sich die Kollegen in der quantitativen Biologie mit der Gesamtheit von Molekülen und Genen in einer Zelle befassen, um statistische Aussagen zu machen, konzentrieren wir uns auf einzelne biologische Akteure. Wir liefern die Verfeinerungen und Abklärungen der beobachteten Prozesse. 

Das Symposium ist aus dem Nationalen Forschungsschwerpunkt (NCCR) Structural Biology (2001 – 2013) entstanden. Wird es weiterhin stattfinden?

Ich hoffe natürlich sehr, dass das Symposium, das im Rahmen des NCCR auf die Beine gestellt worden ist und nun schon eine gewisse Tradition hat, fortgeführt werden kann. Wir sind in Westeuropa zu einem der führenden Orte auf dem Feld der Strukturbiologie geworden und haben junge Talente, die hier auftreten können. Das Symposium ist ein hervorragendes internationales Schaufenster und zeigt, was in Zürich läuft.