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BrainFair 2015

Im Reich der Sinne

Die BrainFair 2015 widmet sich der Sinneswahrnehmung. An einem Podium zum Tastsinn wurde klar: Tasten und spüren sind wichtige Wahrnehmungen, speziell für blinde Menschen. Neue Technologien versuchen, den Tastsinn zu imitieren.
Adrian Ritter
Podium zum Tastsinn an der BrainFair 2015 (von links): Neurologe Hans Jung, Retina-Suisse-Geschäftsleiterin Christina Fasser und Informatiker Matthias Harders. (Bild: Adrian Ritter)

Druck, Schmerz, Kälte und Wärme: Der Tastsinn liefert uns wertvolle Informationen über unsere Umgebung und allfällige Bedrohungen. Zu verdanken haben wir das dem grössten Organ des menschlichen Körpers – der Haut. Verschiedene Rezeptorarten darin liefern verschiedene Hirnareale mit haptischen Informationen, zeigte Professor Hans Jung am Mittwochabend an einer BrainFair-Veranstaltung auf. Jung ist Leitender Arzt an der Klinik für Neurologie am Universitätsspital Zürich.

Die Farbe der Kleider erspüren

Wie wichtig ein funktionierender Tastsinn ist, zeigte Christina Fasser auf, Geschäftsleiterin von Retina Suisse, einer Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Sehbehinderung. «Für blinde Menschen wie mich ist der Tastsinn der Ersatz für das Sehen», sagte Fasser. Wenn sie etwa ein Kleid mit einer bestimmten Farbe aus dem Schrank nehmen wolle, könne sie sich dies auch über die Beschaffenheit des Stoffes oder der Grösse der Knöpfe am Kleid erschliessen – weil sie die Entsprechungen von Stoff und Farbe auswendig wisse.

Dass Blinde grundsätzlich sensorisch hochbegabt seien, sei ein Mythos: «Sie sind genauso verschieden wie Sehende, setzen ihre Sinne aber anders sein.» Dass das Spüren insbesonderen mit den Händen dabei so zentral ist, habe einen gravieren Nachteil: «Mit dem Tastsinn ist die Welt so klein, wie sie eben berührbar ist», sagte Fasser. Gesichter von unbekannten Menschen blieben unbekannt, weil sie diese ja nicht berühren dürfe.

Den Tastsinn nutzen Blinde auch mit Hilfsmitteln wie der Blindenschrift und dem weissen Stock. Mit dem Stock als «verlängerten Fingern», so Fasser, lassen sich Hindernisse erspüren. Dies müsse aber erlernt werden. Das bestätigte auch Neurologe Hans Jung: Blinde, die dies trainieren, wiesen deutlich grössere Hirnareale auf, die für das Tasten zuständig sind. 

Als Neurologe behandelt Hans Jung auch Störungen des Tastsinns, sogenannte Polyneuropathien. Drei bis fünf Prozent der über 60-Jährigen leiden an entsprechenden Symptomen wie einer verminderten Sensibilität, Kribbeln und Kältegefühl etwa in den Füssen und Beinen. Wenn häufige Ursachen wie Diabetes oder Vitamin-B12-Mangel erkannt und behandelt werden, verschwinden oft auch diese Störungen des Tastsinns wieder, so Jung.

Auf dem Weg zum echten «Touch»-Screen

Den Tastsinn technisch nutzbar zu machen, ist das Ziel von Matthias Harders. Er leitet eine Forschungsgruppe an der Universität Innsbruck, die sich mit Computerhaptik befasst. Die Idee: Tastempfindungen erzeugen, ohne dass reale Gegenstände involviert sind.

Dazu werden beispielsweise die Kräfte gemessen, die entstehen, wenn eine Person eine gespannte Feder zusammendrückt. Dann stülpt sich die Person einen verkabelten Fingerhut über und erhält dieselbe Kraft als Druck auf den Finger ausgeübt. In Forschungslabors werden derzeit Handschuhe und Roboterarme entwickelt, die solche virtuellen Tastempfindungen erzeugen können. Genutzt wird die Technologie versuchsweise bereits von Chirurgen. Sie können so beim Üben von Operationen auch den realistischen Widerstand etwa beim Schnitt in eine Leber spüren.

Aber auch Smartphone-Nutzer könnten in Zukunft neuartige Erfahrungen machen, indem der «Touch»-Screen wirklich zum Tasterlebnis wird. Durch weiterentwickelte Bildschirmoberflächen könnte sich das Foto von einem Samtkleid auf dem Handy in Zukunft auch samtig anfühlen, wenn man mit dem Finger darüberfährt. Oder kleine Luftkissen an der Oberfläche des Bildschirms könnten eine Tastatur entstehen lassen, die das Tippen zum Tasterlebnis werden lässt.

1Veranstaltungen widmen sich dem Geruchssinn, dem Gleichgewichtssinn, dem Sehen und der Frage nach einem «Siebten Sinn».

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