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Klinischer Forschungsschwerpunkt

Das Immunsystem nachbauen

Verbesserte Heilmethoden für schwere Blutkrankheiten und Infektionen stehen im Zentrum des Programms «Human Hemato-Lymphatic Diseases». Es ist eines von elf Klinischen Forschungsschwerpunkten der Universität Zürich. UZH News stellt diese in loser Folge vor.
Stefan Stöcklin
Bessere Kankheitsmodelle: Markus G. Manz und sein Team bilden das menschliche Immunsystem nach. (Bild: zVg)

Fast alle Menschen beherbergen in ihrem Körper unbemerkt das Eppstein-Barr-Virus, ohne zu erkranken. Doch manchmal bricht das persistierende Virus aus und verursacht ein Lymphom – einen Krebs im lymphatischen System. Damit bezeichnen Ärzte das Netzwerk aus Organen, Gefässen und Zellen, dessen Hauptaufgabe die Immunabwehr ist. Eng damit verbunden ist die Reifung der Blut- und Immunzellen aus den Blutstammzellen des Knochenmarks. Durch spontane Mutationen in diesen Vorläuferzellen können sich gefährliche Krankheiten wie Leukämien entwickeln.

Der klinische Forschungsschwerpunkt «Human Hemato-Lymphatic Diseases» zielt auf verbesserte Heilungsmethoden für Krankheiten des lymphatischen und blutbildenden Systems. «Wir arbeiten an prädiktiven Modellen zur Untersuchung von Krankheits- und Therapiemechanismen des Menschen», sagt Markus G. Manz, Professor für Hämatologie und Direktor der Klinik für Hämatologie des Universitätsspitals Zürich.

Kein einfaches Unterfangen. Denn das Immunsystem des Menschen ist neben dem Gehirn wohl das komplizierteste Organ des Körpers. Verschiedene Zelltypen und Botenstoffe arbeiten in einem dichten Räderwerk zusammen und generieren massgeschneiderte Immunantworten für Erreger und Fremdstoffe (Antigene).

Labiles Gleichgewicht

Eine der schwierigsten Aufgaben ist dabei die Unterscheidung zwischen fremd und eigen. Gleichsam einem Seiltänzer steht das System in einem labilen Gleichgewicht, das durch minimale Störungen eine Abwehrreaktion auslösen oder unterdrücken kann. So führt eine Störung im Fall des EB-Virus dazu, dass die Bremsen, die das Virus hemmen, plötzlich gelockert werden und die Krankheit ausbricht.  

Dieses Abwehrsystem aus Zellen des lymphatischen Systems und Botenstoffen hat sich im Verlaufe der Evolution über Jahrtausende entwickelt und ist im tiefsten Wortsinn «menschlich». Das stellt die Forscherinnen und Forscher vor das Problem der Übertragbarkeit: Untersuchungen in Tiermodellen sind nur bedingt für den Menschen gültig. Entsprechend entwickeln die Forschenden in dem Programm geeignete Tiermodelle, die ein dem Menschen vergleichbares Immunsystem aufweisen.

Auf diesem Gebiet sind den Forschenden um Markus G. Manz wegweisende Experimente gelungen, die zu Mäusen geführt haben, die wichtige Komponenten des menschlichen Abwehrsystems aufweisen (siehe Links). Die Wissenschaftler injizieren dazu neugeborenen Tieren Blutstammzellen aus dem menschlichen Knochenmark. Gleichzeitig können die Tiere aufgrund genetischer Veränderungen Zellsignale des menschlichen Immunsystems bilden. Sie bauen deshalb ein dem Menschen vergleichbares Immunsystem auf.

Verbesserte Tiermodelle

«Diese Tiermodelle eignen sich, um Krankheitsprozesse besser zu verstehen und präklinisch Therapien zu testen», sagt der Hämatologe Manz. Forschungsgruppen aus verschiedenen Gebieten haben sich im KFSP zusammengeschlossen, um diese Möglichkeiten zu nutzen.

Manz und sein Team erforschen anhand der Tiermodelle Erkrankungen wie das Myelodysplastische Syndrom. Bei dieser Erkrankung der Knochenmarkszellen funktioniert die Blutbildung, das heisst die Reifung der Stammzellen, nicht mehr richtig. Christian Münz, Professor für Experimentelle Immunologie, analysiert die molekularen Vorgänge im Immunsystem, die das Epstein-Barr-Virus aktivieren. Der Kinder-Onkologe Jean-Pierre Bourquin studiert anhand der Tiermodelle die Biologie und Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie (ALL), einem weiteren Blutkrebs, der durch Mutationen der Blutvorläuferzellen ausgelöst wird. Hier dienen die präklinischen Versuche dazu, die für den Patienten effizienteste Therapie zu testen.

Im weiteren erforscht Roberto Speck, Professor für Infektiologie, neue Möglichkeiten zur Abwehr von HIV durch die Generierung von Immunzellen, die gegenüber dem Virus resistent sind. Schliesslich befasst sich Adriano Aguzzi, Professor für Neuropathologie, mit einer speziellen Klasse dendritischer Zellen, die Antigene aufnehmen und das Abwehrsystem aktivieren können sowie mit Proteinablagerungserkrankungen des Immun- und Nervensystems.

Schneller zu neuen Therapien

Die verschiedenen Forschungsgruppen fokussieren auf unterschiedliche Krankheitsprozesse, gemeinsam ist den Forschern des Universitätsspitals, des Kinderspitals und der Universität Zürich die Nähe zur Klinik: «Wir möchten dank den neuen Erkenntnissen vor allem die klinische Forschung beschleunigen», sagt Markus G. Manz.

Exemplarisch sind die Arbeiten von Jean-Pierre Bourquin, der mit den Tiermodellen die Medikamentenwahl optimieren kann, denn nicht alle Therapeutika sind gleich gut geeignet. Vergleichbare Versuche bei betroffenen Patienten wären aus ethischen Gründen nicht durchführbar und würden viel länger dauern. So aber dienen die Tiermodelle zur Auswahl der besten Therapie und verkörpern in einem gewissen Sinn das Prinzip der personalisierten Medizin  und der translationalen Forschung. «Wir verbinden präklinische Erkenntnisse und klinische Anwendungen möglichst eng», sagt Markus G. Manz. Prioritäres Ziel sind  therapeutische Fortschritte.