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RNA-Forschung

Das Geheimnis der Prionen knacken

Prionenforscher Adriano Aguzzi nutzt zusammen mit einem interdisziplinär zusammengesetzten Team kleine RNA-Moleküle, um vertiefte Einblicke in Krankheitsprozesse zu gewinnen. «Small RNAs» ist einer der elf Klinischen Forschungsschwerpunkte der Universität Zürich. UZH News stellt diese in loser Folge vor.
Stefan Stöcklin
Mit automatisierten Experimenten und RNA-Technologie zu einem besseren Krankheitsverständnis: Neuropathologe Adriano Aguzzi.(Bild: Stefan Stöcklin)

Als die Genetiker vor wenigen Jahren die wichtige Rolle kleiner RNA-Moleküle entdeckten, war für Adriano Aguzzi sofort klar, dass sie auch bei der Erforschung von Prionenerkrankungen nützlich sein würden. Denn diese mit der Erbsubstanz DNA verwandten Moleküle stimmen die Genwirkungen aufeinander ab und regulieren in den Zellen das Netzwerk der Proteine. Im Fall der Prionen, mit denen sich der Zürcher Wissenschaftler, Professor für Neuropathologie am Universitätsspital, seit drei Jahrzehnten befasst, sind diese zellulären Vorgänge von besonderem Interesse.

Die ebenso erstaunlichen wie furchterregenden Prionen lösen neurodegenerative Erkrankungen wie Creutzfeldt-Jakob bei Menschen, den Rinderwahnsinn BSE oder Scrapie bei Schafen aus. Gemeinsam ist den tödlichen Krankheiten die Pathogenese, bei der gesunde Prion-Proteine im Gehirn degenerieren und in einem Jahre dauernden Prozess das Zentralnervensystem zerstören.

Prionen-Spezialist Aguzzi hat die Möglichkeiten zum vertieften Krankheitsverständnis im Klinischen Forschungsschwerpunkt «Small RNAs in pathogenesis, diagnosis and therapy of human diseases» umgesetzt. Und zwar nicht nur für Prionenkrankheiten, sondern auch für weitere Leiden. «Wir stellen für verschiedene klinische Disziplinen eine technische Plattform bereit, um mithilfe der RNA-Technologien neue Einsichten in Krankheiten zu gewinnen», sagt Neuropathologe Aguzzi.

Tausende von Messungen im Tag

Die technische Plattform ist ein gut vier Meter langer und zwei Meter hoher Industrieroboter im Erdgeschoss des Instituts für Neuropathologie des Universitätsspitals Zürich. Die imposante Maschine führt in Serie automatisierte Experimente mit winzigen Mengen von Zellen und RNA-Molekülen durch.

Im Vollbetrieb registriert der Roboter um die 17000 Messpunkte pro Tag. Sie geben Auskunft über die Wirkungen der 30000 menschlichen Gene auf die Produktion bestimmter Proteine, zum Beispiel der Prionen. «Wir betreiben High-Throughput-Screening auf höchstem technischen Niveau», erläutert Aguzzi bei der Besichtigung der Apparatur.

Im Fall der Prionenerkrankungen eröffnen diese RNA-Studien die Möglichkeit, die genetischen Netzwerke zu identifizieren, die in den Erkrankungsprozess involviert sind. «Zwar wissen wir fast alles über die Funktion und Aufgabe der Prionen», sagt Aguzzi. Nur wenig  sei hingegen über die zellulären Vorgänge bekannt, die zur infektiösen Form des Proteins führten. So ist es bis heute nicht gelungen, im Reagenzglas gesunde in krankmachende Prionen zu überführen. Aguzzi möchte dieses «letzte Rätsel» knacken, wie er sagt.

Das vertiefte Verständnis sei nicht nur von grundsätzlichem Interesse, daraus könnten sich auch neue Therapieansätze ergeben. Wie der Prionen-Experte ausführt, haben sich die Erwartungen an die High-Tech-Maschine voll und ganz erfüllt. «Dank den RNA-Experimenten haben wir Gene entdeckt, an die wir sonst nicht herangekommen wären», freut sich der Wissenschafler. Sein Forschungsteam klärt nun deren Rolle bei der Entstehung der Prionen-Krankheit.

Weitere Krankheiten unter der RNA-Lupe

Das Prinzip der Genom-Analyse auf der Basis von kleinen RNA-Molekülen ist nicht auf Prionen-Erkrankungen beschränkt. Mithilfe der Technologie lässt sich jedes Gen in einer Zelle ausschalten und die Folgen auf ein biochemisches Netzwerk der Wahl untersuchen. Voraussetzung dafür ist, dass ein Nachweisverfahren, ein sogenannter Assay, existiert. Das macht die Technologie für andere Krankheiten interessant, die im Rahmen des Klinischen Forschungsschwerpunktes erforscht werden.

So beschäftigt sich das Forschungsteam um Jan Krützfeldt, Professor für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsspital, mit der Entwicklung von Insulinresistenzen in Muskeln und der Rolle von Mitochondrien, in denen die biochemische Energie zur Muskelbewegung generiert wird.

Die Neurowissenschaftlerin Magdalini Polymenidou, Assistenzprofessorin am Institut für Molecular Life Sciences der UZH, erforscht mithilfe von kleinen RNAs neurodegenerative Erkrankungen wie die ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) und die FTDL (Frontotemporale Lobärdegeneration). Auch in ihren Projekten geht es darum, bisher unbekannte Schlüsselmoleküle der Krankheitsprozesse zu identifizieren.

Markus Stoffel, Professor am Institute for Molecular Health Sciences der ETH Zürich, erforscht die Wirkung regulierender RNA-Moleküle auf den Stoffwechsel von Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse, die das Hormon Insulin herstellen. Besonders interessiert sind die Forscher an den Vorgängen, die zur Entstehung von Tumoren in diesen Zellen führen. Denn RNA-Moleküle sind in die Krebsentstehung involviert.

Weiterer Forschungsroboter kommt

Adriano Aguzzi ist begeistert von den neuen Möglichkeiten, die sich mit den RNA-Technologien ergeben. Dank steter Weiterentwicklung lassen sich  die Experimente mit immer kleineren Mengen – unterdessen im Nanoliter-Bereich – und in Serie durchführen. Der klinische Forschungsschwerpunkt zeigt, dass für diese neuen Technologien ein grosser Bedarf besteht. «Die Technologieplattform ist ausgelastet und läuft Tag und Nacht», sagt Aguzzi.

So erstaunt nicht, dass sich das Universitätsspital ein weiteres High-Tech-Gerät zulegen will, das ebenfalls zum Studium der RNA-Interferenz dient. Aguzzi weist darauf hin, dass das Budget für den Maschinenpark nicht Teil des Forschungsschwerpunktes ist. Finanziell unterstützt wird hingegen die Nutzung zur Erforschung der erwähnten Krankheiten.