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100 Jahre UZH Hauptgebäude

Reenactment eines Kunstskandals

Der 27-jährige Zürcher Maler Paul Bodmer sollte vor 100 Jahren den Neubau der Universität mit Wandgemälden künstlerisch gestalten. Sein avantgardistisches Projekt sorgte für einen veritablen Eklat. Aus Anlass der Jubiläumsfeierlichkeinen spielt ein Film-Reenactment den Kunstskandal nach.
Thomas Müller

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Reenactment-Filmszene: Uli Reyer, emeritierter Zoologieprofessor der UZH, spielt den Architekten Karl Moser. 

Zürich, Anfang 1914. Der Aufbruch in die Moderne ist in der Limmatstadt zu spüren, auch in der Kunst. Das von Architekt Karl Moser (1860–1836) entworfene Universitätsgebäude steht kurz vor der Fertigstellung. Für die Kunst am Bau kommen junge Künstler zum Einsatz, unter ihnen der kaum bekannte 27-jährige Zürcher Maler Paul Bodmer. Er legt ein avantgardistisches Projekt vor – und es kommt zum Eklat.

Der nun entstandene zehnminütige Film über den Kunstskandal versetzt das Publikum zurück in eine Zeit, in der Männer bei der Begrüssung noch steif den Hut zogen und Studenten piekfein in Anzug und Krawatte zur Vorlesung eilten. Er spielt die historisch verbürgten Ereignisse als sogenanntes Reenactment, einer Neuinszenierung, nach. «Basis dafür waren minutiöse Recherchen im Universitätsarchiv», erläutert Stephan Läuppi von den Multimedia & E-Learning Services (MELS) der Informatikdienste der UZH, der das Filmprojekt geleitet hat und für Drehbuch, Regie und Schnitt verantwortlich ist.

Hausschreinerei besorgte die Bauten

Fotografien aus dem Archiv und von Nachkommen Bodmers lieferten wertvolle Anhaltspunkte für den Film. Etwa zu Details wie dem Malgerüst, das die Hausschreinerei der UZH für die Dreharbeiten originalgetreu nachgebaut hat.

Zudem kann der Film nun einzelne Phasen des Wandgemäldes dokumentieren, wie sie noch nie öffentlich zu sehen waren. Aufschlussreich ist auch die Korrespondenz zwischen Universität, Regierung und Künstler. «Es ist verblüffend, wie unverblümt damals verbal ausgeteilt wurde», sagt Läuppi.

Kraftausdrücke der Dozenten

Bodmers Projekt für das Dozentenzimmer wurde nie verwirklicht. Er durfte nur noch auf dem Korridor malen, stiess mit seinen androgynen Figuren, floralen Elementen und fantasievollen Pferden bei den Hütern von Konventionen wie Naturtreue und Ebenmass aber auf schroffe Ablehnung. Die Universität sei nicht der Ort für jugendliche Versuche, beschied der Regierungsrat: «Das Ganze ist höchst unerfreulich, der Künstler hat nicht das Recht, die Form nach seiner Empfindung und der augenblicklichen Inspiration zu bilden.»

Filmcrew und Schauspieler bei den Dreharbeiten: Die Uraufführung des Reenactments findet am 17. April, an der Eröffnungsfeier zum 100-Jahre-Jubiläum, statt.

Bodmer übermalte sein erstes Werk. Doch die so entstandene zweite Fassung brachte die Dozenten vollends zum Toben. Das «abscheuliche» Werk sei zu beseitigen, «die neuen Wandmalereien können nur als Schmierereien und Schweinereien bezeichnet werden». Manche Studenten fühlten sich offenbar ermuntert, die Bilder mit Schirm- und Stockhieben zu traktieren. Der Regierungsrat befand, Bodmer besitze «nicht das Vermögen, seine künstlerischen Erlebnisse überzeugend darzustellen». 1916 musste der Künstler seine Gemälde übertünchen.

Charakterköpfe als Darsteller

Vier Rollen waren für den Film zu besetzen. Der Zufall half beim Casting mit. Er sei verblüfft gewesen, als er zum ersten Mal ein Foto von Architekt Karl Moser gesehen habe, erzählt Stephan Läuppi. «Das ist doch der Uli Reyer, den ich von der Darwin-Ausstellung her kenne», sagte er sich. Tatsächlich ist die Ähnlichkeit zwischen dem Charakterkopf des 2012 emeritierten Zoologieprofessors und dem des Architekten frappant – und Reyer spielte diese Rolle auch absolut überzeugend. Auf Paul Bodmer wiederum passte die Erscheinung Philipp Messmers, des stellvertretenden Leiters des Universitätsarchivs. Im Kostümfundus des Opernhauses wurden die Darsteller zeitgemäss eingekleidet, der Dreh konnte Anfang Februar in den Semesterferien beginnen.

Oh Schreck, die Feder schreibt nicht!

Technische Herausforderungen, etwa die aufwendige Beleuchtung im schummrigen Korridor, waren für die Crew absehbar. Trotz bester Planung bargen die Dreharbeiten aber Überraschungen. «Die Szene mit der schwungvollen Unterschrift von Architekt Moser mussten wir ein Dutzend Mal drehen», bekennt Kameramann Reini Briegel. Zunächst versagte unerwartet die historisch korrekte Stahlfeder. Entweder produzierte sie riesige Kleckse – oder gar keine Schrift. Doch irgendwann klappte alles und die Szene war im Kasten.

Der Film zu den Bodmer-Fresken ist an der Eröffnungsfeier zum Jubiläum erstmals zu sehen. Dann werden auch einige Fresken Bodmers enthüllt, die 98 Jahre nach der Übermalung restauriert worden sind. Nach Ostern ist der Film auch online auf der Website www.haus-der-wissenschaft.uzh.ch zu sehen.