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Bundesrat Alain Berset an der UZH

Plädoyer für einen grossen Kompromiss

Bundesrat Alain Berset sprach gestern an der UZH über die Rentenreform und ihre Bedeutung für die Schweiz. Der Bundesrat betonte die Dringlichkeit der Reform «Altersvorsorge 2020». Sie sei auch ein Lackmustest für die politische Kultur in der Schweiz. 
Marita Fuchs

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Bundesrat Berset sprach sich für ein Gesamtpaket aus: «Die Altersvorsorge scheibchenweise zu reformieren hat sich nicht bewährt.»

Alain Berset traf gestern im grossen Hörsaal B10 im Hauptgebäude auf ein grosses Publikum, das ihn mit stürmischem Applaus begrüsste. Berset begann mit einer Analyse der politischen Landschaft: Heute sei die Schweiz auf dem Weg von der Konkordanz zu einer Zentrifugaldemokratie. Das zeige auch die Abstimmung über die Masseneinwanderung. «Reale oder imaginäre Verlierer stehen den Nutzniessern offener Märkte seit dem Ende des kalten Krieges häufig schroff gegenüber», sagte Berset. Eine neue Unversöhnlichkeit sei die Folge. Fazit: Der Kompromiss sei zwar die Essenz demokratischer Politik, habe heute aber eine schlechte Presse.

In diesem Zusammenhang seien auch die skeptischen Reaktionen auf die Reform «Altersvorsorge 2020» nicht überraschend. Denn die Altersvorsorge 2020 sei nichts anderes als das Angebot eines grossen Kompromisses. Das sei heute besonders wichtig, wo das Schreckgespenst einer gespaltenen Nation wieder umgehe. «Die Zeit für eine Neokonkordanz ist gekommen», forderte Berset und zitierte augenzwinkernd den ehemaligen deutschen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, der einmal gesagt habe, ein Kompromiss sei die Kunst, einen Kuchen in so viele Stücke zu teilen, dass alle meinten, sie hätten das grösste Stück bekommen.

Den Wohlstand sichern

Berset war mit seinem Besuch der Einladung des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung (SIAF) gefolgt. Er sprach über die Rentenreform aus aktuellem Anlass: Bis zum 31. März ist die Reform noch in der Vernehmlassung bei Kantonen, Verbänden und Parteien. Bis Ende 2014 will der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur Reform Altersvorsorge 2020 vorlegen.

Die Reform – die umstritten ist – solle dafür sorgen, dass das Leistungsniveau der Altersvorsorge erhalten bleibe, um ein würdiges Alter zu gewährleisten, sagte Berset. Die Bewältigung der demografischen Herausforderung sei nicht gratis zu haben, aber der Preis habe einen sozialen Gegenwert. Deshalb müsse die Senkung des Umwandlungssatzes vollständig kompensiert werden. Die Leistungen der Altersvorsorge würden dabei langfristig gesichert. Ein zusätzlicher Prozentpunkt Mehrwertsteuer verhindere zum Beispiel die Erhöhung des AHV-Rentenalters um 17 Monate. Die Leistungen von AHV und beruflicher Vorsorge müssten nun den geänderten gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst werden, insbesondere in Bezug auf die Flexibilität beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand.

Berset spannte in seinem Vortrag einen weiten Bogen und ging nicht im Detail auf die einzelnen Punkte der Rentenreform ein, sondern betonte eher deren Dringlichkeit. Die Reform sei notwendig, um den Wohlstand der Schweiz weiterhin zu gewährleisten, mahnte er an.

Gesamtpaket geschnürt

Der Bundesrat betonte, dass die Altersvorsorge 2020 nicht Plan A sei, sondern bereits Plan B. Plan A sei in den letzten zehn Jahren gescheitert, auch an der Urne. Die Altersvorsorge scheibchenweise zu reformieren, habe sich nicht bewährt. Berset erinnerte an die Abstimmung zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf  6,4 Prozent, die mit fast drei Viertel der Stimmen abgelehnt wurde. Und jetzt, vier Jahre später, sei mit der Altersvorsorge 2020 eine Absenkung auf 6,0 Prozent vorgesehen, allerdings sei sie eingebettet in ein Gesamtpaket mit klaren Rahmenbedingungen.

Eine Reform, die eine Chance vor dem Stimmvolk haben soll, braucht Transparenz und ausgewiesene gerechte Lösungen, meinte Berset. Transparenz schaffe Vertrauen und dadurch könne man Mehrheiten gewinnen. Ein Gesamtpakt wie die Altersvorsorge 2020 den Stimmberechtigten vorzulegen, sei in der Schweiz zwar ungewöhnlich, doch letztlich sei die Reform sehr schweizerisch: vernünftig und auf das Machbare ausgerichtet.