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Erweiterte Universitätsleitung und Stände

«Verantwortung fürs Ganze übernehmen»

Die Erweiterte Universitätsleitung soll breiter abgestützt werden, und das administrative und technische Personal soll als vierter Stand anerkannt werden. Diese und weitere Neuerungen schlägt die Universitätsleitung im Zusammenhang mit dem Projekt «Organisationsentwicklung UZH» vor. Welche Überlegungen dahinter stehen, erklärt Rektor Michael Hengartner im Interview.
Interview: David Werner

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«Die Erweiterte Universitätsleitung wird vielstimmiger sein als bisher, und der Austausch unter den Fakultäten in diesem Gremium wird intensiver sein als heute», sagt Rektor Michael Hengartner. (Bild: Frank Brüderli)

Um den wachsenden Anforderungen an die Universität gerecht zu werden, ist eine Reorganisation der universitären Governance unabdingbar. Zwei von insgesamt vier Teilen des Projekts «Organisationsentwicklung UZH» befinden sich seit Juni in der universitätsinternen Vernehmlassung – nämlich erstens ein Vorschlag zur Neustrukturierung der Universitätsleitung und zweitens ein Vorschlag zur Neuregelung der Habilitation und der Titularprofessur. Nun stellt die Universitätsleitung das dritte und das vierte Teilprojekt zur Diskussion. Gegenstand dieser Projekte sind die Erweiterte Universitätsleitung und die Stände.

1. Erweiterte Universitätsleitung (EUL)

Herr Hengartner, lassen Sie uns zuerst über die Erweiterte Universitätsleitung sprechen, das oberste akademische Organ der UZH. Welche Kompetenzen sollen der EUL neu übertragen werden?

Michael Hengartner: Die EUL soll neu bei der strategischen Entwicklung von Studium und Lehre mitwirken. Sie soll die Studienordnungen genehmigen, die von Fakultäten erlassen werden. Wie bis anhin wird die EUL zudem die studienrechtlichen Verordnungen der Fakultäten zuhanden des Universitätsrats verabschieden.

Warum erachten Sie die Kompetenzerweiterung der EUL in den Bereichen Studium und Lehre für sinnvoll?

Weil es in diesen Bereichen besonders wichtig ist, dass sich die Fakultäten untereinander abstimmen, wenn sie neue Regelungen erarbeiten. Wie sollen Haupt- und Nebenfächer gewichtet werden? Wie viele Stellen nach dem Komma sollen Abschlussnoten haben? In welcher Sprache sollen Diplome verfasst sein? Es gibt zahlreiche Fragen dieser Art. Jede Fakultät hat dafür Regelungen festgelegt. Zukünftig müssen die Fakultäten darauf achten, dass ihre Regelungen mit jenen der anderen Fakultäten harmonieren, damit es Studierenden nicht unnötig schwer gemacht wird, Studiengänge verschiedener Fakultäten zu kombinieren. Um diese Harmonisierung zu erreichen, brauchen wir ein der universitären Lehrkommission übergeordnetes Gremium, welches in den Bereichen Lehre und Studium die Funktion einer Drehscheibe übernimmt; ein Gremium, das sicherstellt, dass die Fakultäten zusammenarbeiten und ihre Regelungen in Lehre und Studium aufeinander abstimmen. Die EUL in der vorgeschlagenen Zusammensetzung und mit den vorgeschlagenen Kompetenzen sollte dies leisten können.

Studienordnungen sind komplexe Regelwerke. Kann man den Mitgliedern der EUL zumuten, sich detailliert damit zu befassen?

Warum sollte man einem Mitglied der EUL weniger zumuten können als den Mitgliedern der Fakultätsversammlung, die bisher die Studienordnungen verabschiedet haben? Worauf es uns ankommt, ist, dass die Fakultäten enger zusammenarbeiten. Deshalb soll zukünftig die EUL anstelle der Fakultätsversammlungen abschliessend über die Studienordnungen befinden. Wenn ich als Mitglied der Fakultät A höre, dass Fakultät B eine neue Regelung plant, kann ich auf die allfällige Inkompatibilität mit den Regelungen meiner eigenen Fakultät hinweisen, oder ich kann die Regelung als gute Idee aufgreifen und meiner eigenen Fakultät zur Nachahmung empfehlen. Die Fakultäten sollen sich gegenseitig besser abstimmen als bisher und mehr voneinander lernen. Das ist der beste Weg, um die UZH in organisatorischer Sicht weiterzubringen.

Die EUL zählte bisher 18 stimmberechtigte Mitglieder, zukünftig soll sie 31 umfassen. Was wird mit dieser Vergrösserung bezweckt?

Die Stärke unserer Universität liegt in ihrer Vielfalt, und diese Stärke möchten wir weiterhin pflegen. Gleichzeitig möchten wir verhindern, dass die einzelnen Teile der UZH auseinanderdriften. Da wir zentralistische Organisationsformen unbedingt vermeiden wollen, müssen die Fakultäten mehr Verantwortung bei der Führung der UZH übernehmen und sich untereinander besser koordinieren, damit die Gesamtuniversität auf Kurs bleibt. Das gilt besonders für die Gestaltung von Lehre und Studium. Wir schlagen daher vor, dass nicht nur – wie bisher – die Dekane, sondern auch die Prodekane Lehre als stimmberechtigte Mitglieder in der EUL vertreten sind.

Die Fakultäten sollen also künftig mit jeweils zwei Personen statt mit einer Person in der EUL vertreten sein. Auch die Vertretung der Stände wird vergrössert: Jeder Stand soll neu drei statt wie bisher zwei Delegierte in die EUL entsenden. Warum?

Ganz einfach: damit die Stände im Verhältnis weiterhin etwa so stark vertreten sind wie bisher.

Das erste Teilprojekt zur Organisationsreform der UZH, das schon im Juni in die Vernehmlassung ging, betraf die Struktur der Universitätsleitung, kurz UL. Zur UL sollen zukünftig auch die Dekane gehören. UZH News berichtete darüber. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Vergrösserung der EUL und der Vergrösserung der UL?

Ein Zusammenhang besteht insofern, als die Gründe für die Vergrösserung dieselben sind: In beiden Fällen geht es darum, die Fakultäten besser in die Führung der Gesamtuniversität einzubinden und eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten zu ermöglichen.

Dient die Vergrösserung der EUL auch dem Ziel, die Gewichte zwischen der UL und der EUL auszubalancieren?

Nein, denn der Einfluss, den ein Gremium hat, hängt ja nicht von seiner Grösse ab, sondern von seiner Funktion und seinen Kompetenzen. Im Universitätsgesetz sind die Funktion und die Kompetenzen der UL und der EUL genau festgelegt. Die UL ist demgemäss das oberste operative, die EUL das oberste akademische Organ. Daran wollen wir grundsätzlich nichts ändern. Wir schlagen aber vor, die Kompetenzbereiche der EUL inhaltlich etwas zu modifizieren.

Organigramm der Leitungsstruktur der UZH (Ausschnitt): Die Universitätsleitung ist das oberste operative, die Erweiterte Universitätsleitung das oberste akademische Organ der UZH.

Ursprünglich gab es die Idee, einen repräsentativen Senat mit Delegierten der Stände und der Professorenschaft einzuführen, der an die Stelle von EUL und Senat tritt. Welche Funktion hätte dieser repräsentative Senat erfüllt?

Die Idee eines repräsentativen Senats entsprang dem Bedürfnis nach einem Leitungsgremium, das gross genug ist, um die Vielstimmigkeit der UZH abzubilden, und zugleich klein genug ist, um noch grundsätzliche Diskussionen zuzulassen – zum Beispiel über die Frage, was die UZH unter Nachwuchsförderung versteht, oder über die Frage, unter welchen Bedingungen es sich die UZH gestatten soll, einen Webfilter einzubauen. Der Vollsenat, dem alle Professorinnen und Professoren der UZH angehören, ist für solche Diskussionen zu gross.

Warum wird diese Idee eines repräsentativen Senats nun doch nicht weiterverfolgt?

Weil sich herausgestellt hat, dass die Professorinnen und Professoren sehr am bestehenden Vollsenat hängen. Der Senat hat zwar nur eine Hauptkompetenz, nämlich die Nominationswahl des Rektors und der Prorektoren zuhanden des Universitätsrates. Er erfüllt aber eine wichtige soziale Funktion als Vollversammlung der Professorenschaft. Wir haben uns deshalb entschlossen, den Senat in seiner angestammten Form zu belassen. Stattdessen wollen wir nun die EUL breiter aufstellen.

Wird die vergrösserte EUL die Funktion des ursprünglich projektierten repräsentativen Senats ausfüllen können?

Ja, die EUL in der von uns vorgeschlagenen Zusammensetzung wäre gross genug, um die Diversität der UZH abzubilden, und sie wäre zugleich klein genug, um Grundsatzdiskussionen über strategische Themen zu ermöglichen.

Zusammengefasst: Wie wird sich der Charakter der heutigen EUL verändern, wenn das vorgeschlagene Modell eingeführt wird?

Die EUL wird vielstimmiger sein als bisher, und der Austausch unter den Fakultäten in diesem Gremium wird intensiver sein als heute.

2. Stände

In die Vernehmlassung geht auch ein Vorschlag zur Reorganisation der Stände. Der heutige Stand des Mittelbaus soll auf die beiden neuen Stände «wissenschaftlicher Nachwuchs» und «wissenschaftliche Mitarbeitende» aufgeteilt werden. Mit welchem Gewinn?

Wir ordnen die Stände neu anhand der Funktionen oder der Laufbahnphase ihrer Mitglieder, was eine klarere Zuordnung ermöglicht und sicherstellt, dass ein Stand Personen mit ähnlichen Anliegen zusammenführt. Zum Stand des wissenschaftlichen Nachwuchses gehören Personen auf wissenschaftlichen Qualifikationsstellen, also Assistierende, Oberassistierende, Doktorierende und Postdoktorierende. Auch Doktorierende ohne Anstellung an der UZH sind diesem Stand zugeordnet. Etabliertes wissenschaftliches Personal, das aktiv in Forschung und Lehre tätig ist, wird durch den Stand der wissenschaftlichen Mitarbeitenden repräsentiert. Der Stand der Studierenden setzt sich aus Studierenden der Bachelor- und Masterstufe zusammen.

Warum soll es den bisherigen Stand der Privatdozierenden zukünftig nicht mehr geben?

Mit dem Vorschlag zur Neuregelung von Habilitation und Titularprofessur, der bereits seit Juni in der universitätsinternen Vernehmlassung ist, erübrigt sich ein Stand der Privatdozierenden. Privatdozierende sollen zukünftig entweder im Stand der wissenschaftlichen Mitarbeiter oder – falls sie überwiegend eine Tätigkeit in der Universitätsverwaltung ausüben – im Stand des administrativ-technischen Personals vertreten sein. Aber natürlich steht es den Privatdozierenden frei, sich weiterhin in einem privatrechtlich organisierten Verein zu organisieren, falls sie dies wünschen. Dieser Verein würde dann allerdings keinen eigenen Stand mehr repräsentieren.

Zukünftig sollen nicht drei, sondern vier Stände die Geschicke der UZH mitbestimmen können. Als ein neuer, vierter Stand ist das administrative und technische Personal der UZH vorgesehen. Welche Überlegung steckt hinter diesem Vorschlag?

Wer zum administrativen und technischen Personal der UZH gehört, sollte sich als vollwertiges Mitglied der universitären Community und nicht als Mitarbeiter zweiter Klasse fühlen, denn ohne Service und Support wären Forschung und Lehre an der UZH gar nicht möglich. Jeder, der an der UZH arbeitet, sollte die Möglichkeit haben, mitzubestimmen, wie sich die UZH weiterentwickeln soll. Dem Zusammengehörigkeitsgefühl an der UZH kann dies nur zuträglich sein. Bisher können Vertreter des administrativen und technischen Personals mit beratender Stimme an den Sitzungen der EUL und anderer universitärer Gremien teilnehmen. Ich fand die Beiträge dieser Delegierten immer konstruktiv, anregend und nützlich. Die universitären Dienstleister haben eine spezifische Sicht auf die UZH. Diese Perspektive sollte in die Entscheidungsprozesse  einfliessen. Auch aus diesem Grund ist es meiner Meinung nach höchste Zeit, dem administrativen und technischen Personal als viertem Stand Mitbestimmungsrechte einzuräumen.

Warum sind eigentlich die Professorinnen und Professoren in keinem eigenen Stand organisiert?

Die Universitätsleitung hat die Möglichkeit diskutiert, einen Stand der Professorenschaft einzuführen. Es gäbe dafür Vorbilder an anderen Universitäten. An der UZH gibt es diese Tradition aber nicht, und ich habe den Eindruck, dass die Professorinnen und Professoren der UZH auch kein Bedürfnis verspüren, daran etwas zu ändern. Wahrscheinlich liegt dies daran, dass sie bereits genügend Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten haben.

Die Studierenden der UZH sind seit kurzem in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft organisiert, dadurch können sie gegenüber der Universität als eigenständige Rechtspersönlichkeit auftreten. Warum wird davon abgesehen, auch die übrigen Stände, die in privatrechtlichen Vereinen organisiert sind, in öffentlich-rechtliche Körperschaften umzuwandeln?

Auf den ersten Blick mag eine öffentlich-rechtliche Körperschaft attraktiv erscheinen. Sie agiert rechtlich gesehen auf Augenhöhe mit der Gesamtinstitution Universität, sie kann eine selbsttragende Organisation werden und als Rechtspersönlichkeit eigene Rechte geltend machen, während ein Stand «nur» ein Teil der Universität ist. Was für die Studierenden aber angemessen ist, wäre im Falle des Universitätspersonals eine komplizierte, wenig zweckdienliche und staatsrechtlich gesehen problematische Angelegenheit. Das hat eine juristische Expertise ergeben, die wir auf Anregung der Vereinigung des akademischen Mittelbaus in Auftrag gegeben haben.

Wandelt man die Stände in öffentlich-rechtliche Organisationen um, zwingt man die Mitarbeitenden der Universität, sich ausdrücklich für oder gegen eine Mitgliedschaft zu entscheiden. Wer sich dagegen entscheidet, wird ausgeschlossen und ist somit durch die Organisation nicht mehr repräsentiert. Die Stände «wissenschaftlicher Nachwuchs», «wissenschaftliche Mitarbeitende» und «administratives und technisches Personal» würden also eher geschwächt und gespalten als gestärkt, wenn sie in öffentlich-rechtliche Körperschaften umgewandelt würden.

Im Universitätsgesetz gab es bisher nur zwei Kategorien von Universitätsangehörigen –  das Universitätspersonal und die Studierenden. Die Universitätsleitung schlägt vor, als dritte Kategorie die Alumni einzuführen. Das sind insgesamt rund 100'000 Menschen. Sind all diese Alumni der Universität wirklich noch so nahe, dass sie als «Angehörige» der UZH bezeichnet werden können?

Das hängt von der Betrachtungsweise ab. Ich meine: Wer einmal an der UZH studiert oder gearbeitet hat, wurde von der UZH geprägt und wird immer einen Bezug zur UZH haben, selbst wenn er seit Jahren keinen Fuss mehr in ein UZH-Gebäude gesetzt hat. Die Alumni sind unsere potenziellen Botschafter, und wir versuchen deshalb vermehrt, den Kontakt mit ihnen zu pflegen und sie darüber auf dem Laufenden zu halten, was an der UZH passiert. Wir sollten lernen, die Alumni als «part of the extended family» zu sehen. Deshalb bin ich dafür, sie zukünftig als Angehörige der UZH anzusprechen.